Aus Belgien nach Spanien: Der größte Kunsttransfer seit 20 Jahren

<p>Roberto Polo, kubanisch-amerikanischer Kunstliebhaber und ehemaliger Brüsseler Galerist, steht vor dem Werk „The Entry of Christ in New York“ von Paul Manes im Museum „Sammlung Roberto Polo. Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst“.</p>
Roberto Polo, kubanisch-amerikanischer Kunstliebhaber und ehemaliger Brüsseler Galerist, steht vor dem Werk „The Entry of Christ in New York“ von Paul Manes im Museum „Sammlung Roberto Polo. Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst“. | Foto: dpa

Max Ernst, Karl Schmidt-Rottluff, Kurt Schwitters, Oskar Schlemmer und Edgar Degas: Große Namen von Künstlern, die im neuen Museum in Toledo in Spanien zu sehen sind. Die Arbeiten stammen aus der Sammlung des kubanisch-amerikanischen Kunstliebhabers und ehemaligen Brüsseler Galeristen Roberto Polo. Sie gehören zur 7.000 Werke großen Sammlung des 67-Jährigen. Einen Teil überlässt er nun Spanien. Für sie sollen mehrere Museen entstehen. Das erste hat nun in der Touristen-Hochburg Toledo eröffnet.

Auf den Spuren von Thyssen-Bornemisza

„Sammlung Roberto Polo. Zentrum für moderne und zeitgenössische Kunst“ heißt das neue Museum in Toledo, rund 70 Kilometer von Madrid. Es wurde vor wenigen Wochen in dem ehemaligen Kloster Santa Fe eingeweiht und liegt am Eingang der Weltkulturerbe-Altstadt. Auf 8.000 Quadratmetern werden seit Ende März rund 250 Werke gezeigt, darunter Malereien, Skulpturen und raumfüllende Installationen wie der liegende Christus des italienischen Künstlers Nino Longobardi. Der Kunstliebhaber hat erstmals 471 Werke dem spanischen Staat und der Region Mancha für 15 Jahre überlassen - mit der Option der Verlängerung. Der Wert der Arbeiten wird auf 400 Millionen Euro geschätzt. Er habe viel Vertrauen in seine Partner, erklärte Polo der Deutschen Presse-Agentur. Er schließe nicht aus, dem Museum noch mehr zu überlassen. Aber erst einmal müsse man sehen, wie sich das Ganze gestalte. Das Interesse an einem dritten Museum in Spanien sei bereits an ihn herangetragen worden. Für 2023 ist die Eröffnung eines zweiten Museums in Cuenca geplant. Es soll in das historische Gebäude einziehen, in dem sich einst das Gericht der Heiligen Inquisition befand. Dort sollen die verbleibenden Werke ausgestellt werden, unter ihnen vor allem abstrakte Malereien. Das ergibt Sinn, denn Cuenca besitzt ein Museum für abstrakte spanische Kunst.

Seit Wochen schon widmet Spaniens Presse dem Kunsttransfer von Belgien in ihr Land regelmäßig Schlagzeilen. Sie vergleicht ihn mit dem von Thyssen-Bornemisza vor mehr als 20 Jahren. Im Jahr 1988 überließ der Unternehmer Baron Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza seine legendäre Sammlung dem spanischen Staat und verlegte rund 800 der 1.600 Werke von seiner Villa in Lugano nach Madrid. Im Gegenzug dafür stellte man ihm ein Gebäude gegenüber dem Prado zur Verfügung. Die Dauerleihgabe sollte neun Jahre andauern, doch 1993 kaufte Spanien die Werke für rund 400 Millionen Euro. Den Grundstein der Sammlung hatte sein Vater gelegt, der deutsche Baron Heinrich Thyssen (1875-1947). Heute gehört das Museum Thyssen-Bornemisza zu den bedeutendsten Kunsteinrichtungen des Landes. Roberto Polo wurde am 20. August 1951 in Havanna geboren. In der Szene spielt er schon seit Jahrzehnten mit. Er studierte Kunstgeschichte in New York und gilt als Entdecker von Talenten. In den 80er-Jahren war er als unabhängiger Kunstberater tätig, 2005 eröffnete er in Paris die Galerie Historismus, bevor er nach Brüssel ging, um dort die Roberto Polo Gallery ins Leben zu rufen.

„La Libre Belgique“ schreibt: „Kunstsammlung, die Belgien verpasst hat.“

Seine Person ist nicht ganz unumstritten. Im Jahr 1995 wurde er von einem Gericht verurteilt, weil er in seiner Zeit als Investmentberater Kunden hintergangen haben soll. Gegen den Vorwurf hat er sich stets gewehrt und von einem Komplott gesprochen. Warum er seine Sammlung, die sich durch Werke flämischer Avantgardisten, Künstlern aus Ost- und Zentraleuropa und vor allem Pionieren der abstrakten Malerei in Belgien auszeichnet, nicht Belgien überlassen habe? Das Land sei kompliziert, so seine Antwort. Spanien habe den Zuschlag auch deshalb bekommen, weil es auf ihn zugegangen sei. Das war im Jahr 2016 gewesen.

„Die Kunstsammlung, die Belgien verpasst hat“ titelte die Zeitung „La Libre Belgique“ nach dem Transfer und schreibt: Die spanischen Behörden hätten das Interesse, die Originalität und Qualität der Sammlung erkannt. (dpa)

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