Antoniadis gegen Ecolo: Streit um Umgang mit Mietern setzt sich fort

<p>Illustration: belga</p>
Illustration: belga

Hintergrund ist das neue Energieprämiensystem der DG, das in den Augen von Ecolo Mängel enthält. „Die Fördermaßnahmen zur energetischen Sanierung von Wohnraum erreichen kaum die Mieter. Auch wird in ganz Belgien die Einführung einer Mietindexierungsbremse für energiefressende Wohnungen vorbereitet, nur nicht in der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Mieter in der DG werden daher der jetzigen Energiekrise belgienweit am härtesten ausgeliefert sein“, schreibt die Ecolo-Fraktion in einer Mitteilung. In Flandern, Brüssel und in der Wallonie nähmen die Regierungen sich dem Problem an und versuchten Lösungen zu finden. So würden in Brüssel Schutzmaßnahmen für Mieter getroffen, damit sie neben den horrenden Energiepreisen nicht auch noch durch zusätzliche Mietpreisindexierungen belastet werden. In den anderen Teilstaaten werden ebenfalls Anreize geschaffen, damit Vermieter relativ zeitnah in die energetische Sanierung ihrer Mietobjekte investieren. Nur in der DG sei dem nicht so, stellt der Ecolo-Fraktionsvorsitzende Freddy Mockel fest, nachdem die Ecolo-Fraktion bei Fragen zu dem Thema „wieder Absagen“ von der Regierung erhalten habe. „Dieses Nichtstun der DG-Regierung ist unverantwortlich. Die Regierung und Minister Antoniadis wollen hier nicht nachbessern. Der Minister will auch bei den größten Energieschleudern nicht verhindern, dass die Mieter nicht nur explodierende Rechnungen zahlen müssen, sondern auch noch die steigenden Mieten dieser Objekte, falls diese demnächst um 10 % oder mehr indexiert werden. Zusätzlich stellt sich die Frage, wie sozial die bestehenden DG-Maßnahmen für energetische Renovierungen sind, wenn sie kaum bei Mietern ankommen. Hier weigert sich ein SP- Minister, Menschen mit kleinen Einkommen zu schützen, die sich weder ein Eigenheim, noch die Miete einer teuren, energiesparsamen Wohnung leisten können“, wird Mockel in der Mitteilung zitiert. In den jetzigen Zeiten müssten alle Solidarität mit den finanziell schwächer Gestellten aufbringen. „Eine zeitweilige Mietpreisbremse bei energiefressenden Wohnungen einführen mache niemand leichtfertig, aber in einem Land wie Belgien ist es für mich unannehmbar, wenn Menschen sich zwischen Essen, Wohnen und Heizen entscheiden müssen.“ Das Tragische sei ja, dass viele Vermieter von sich aus schon entsprechend handeln würden, dass aber ausgerechnet der Minister für Soziales und Wohnungswesen sich quer stelle. Dabei brauche es dringend konkrete, sofortige, aber auch mittelfristige Lösungen, mit denen sowohl Eigenheimbesitzern, als auch Mietern und Vermietern in der Krise geholfen werde.

Minister Antonios Antoniadis ruft derweil in einer Mitteilung Ecolo-Mandatar Freddy Mockel zu mehr Besonnenheit auf. „Die DG-Regierung arbeitet seit geraumer Zeit durch Prämien und Investitionen am Ziel des bezahlbaren Wohnens. Empörungsrhetorik hilft den Menschen nicht“, sagte er. „Seitdem die DG für die Energieprämien (2020) zuständig ist, hat sich die Zahl der Anträge mindestens verzehnfacht. Das liegt vor allem am niederschwelligen System unserer Reform. Die Regierung bekam von der Wallonischen Region gerade mal eine halbe Million Euro und investiert allein in diesem Jahr 3 Millionen Euro in die Sanierung der Wohnungen und Häuser in Ostbelgien. Zu behaupten, dass die Mieter davon nicht profitieren würden, ist nachweislich falsch und zeugt von übereilten Schlussfolgerungen“, so der Minister. „Das neue Prämiensystem jährt sich kommenden November. 14 % der Antragsteller bewohnen nicht die Immobilien, die sie sanieren. Davon profitieren viele Mieter. Aktuell gilt das für jeden siebten Antrag in Ostbelgien“, so Antoniadis. Der SP-Minister wiederholte bei dieser Gelegenheit, dass er das einjährige Bestehen des Energieprämiensystems nutzen möchte, um eine erste Evaluation zu machen: „Unser System ist nicht in Stein gemeißelt. Wir werten aktuell die Anträge aus und wollen aus den gewonnenen Erfahrungswerten lernen. Ich kann mir gut vorstellen, das System auch für Mieter zu öffnen. Das habe ich bei verschiedenen Veranstaltungen angekündigt.“ Der Minister weiter: „Aber das muss lebbar sein. Ich halte nichts von Marketingaktionen, ohne spürbaren Mehrwert für die Mieter. Auf alle Prämien können Mieter schon allein aus rechtlichen Gründen nicht zurückgreifen, da sie das Einverständnis der Eigentümer benötigen. Außerdem muss man sich die Frage stellen, was im Fall einer Kündigung des Mietvertrags passiert. Es ist völlig unrealistisch zu glauben, dass ein Mieter viel Geld in eine Immobilie investiert, die ihm nicht gehört.“

Eine Ankündigungspolitik ohne Inhalt möchte Antoniadis auch beim Thema der Mietindexbremse vermeiden. „In Echtzeit Entscheidungen zu treffen, als würde man Facebook-Beiträge verfassen, halte ich für gefährlich. Freddy Mockel erweckt den Eindruck, man könnte einfach mal so den Mietindex aussetzen. Dieser willkürliche Umgang mit dem Eigentum und Geld anderer Menschen bestürzt mich. Autonomie in Sachen Wohnungswesen setzt Verantwortungsbewusstsein voraus. Das beinhaltet auch den Respekt der Rechte der Eigentümer in diesem Land, die durch die Verfassung geschützt sind. Das hat die Regierung bereits im Parlament betont. Ich denke übrigens zunächst nicht an Immobilienmogule, sondern an Menschen, die mit harter Arbeit und Verzicht, eine Mietwohnung als Altersvorsorge erspart haben und jeden Monat ihren Kredit abbezahlen.“ Bei der Aussetzung der Indexierung von Mietwohnungen mit einem schlechten Energiestandard möchte der Minister die verschiedenen Modelle im Inland analysieren und dem Parlament einen Vorschlag unterbreiten. „Lediglich das flämische Parlament hat eine Regelung verabschiedet. In der Wallonie und Brüssel gibt es andere Vorstellungen. Wir sind dabei, die drei Modelle zu überprüfen. Je nach Modell aus dem Inland könnte das bedeuten, dass die Hälfte aller Mietwohnungen in Ostbelgien nicht indexiert werden dürften. Ist es das, was Ecolo will? Wir müssen eine Politik vermeiden, die aus fehlendem Investitionsschutz den Wohnungsmarkt verkleinert. Das würde den Druck auf die Mieter steigen lassen“, so Antoniadis. „Ich finde, dass unsere Maßnahme möglichst ausgewogen sein sollte. Das Ganze muss gut überlegt sein. Ohnehin könnte das Parlament frühestens im Dezember mit dem Programmdekret eine Entscheidung fällen. Hier wird also eine Dringlichkeit künstlich erzeugt. Alle Fraktionen im Parlament machen sich Sorgen um die Folgen der Energiekrise. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal eines Abgeordneten. Ich wünsche mir ein besonnenes Handeln. Wir stehen am Anfang der Energiekrise. Die Empörungsrhetorik von Ecolo ist nicht mehr als ein parteitaktisches Manöver, das den Menschen nicht hilft. Der Versuch, die DG-Regierung mit vermeintlich einfachen Lösungen von links zu überholen, hilft nur den Populisten in diesem Land.“ Ebenfalls in der Dezembersitzung möchte der Minister dem Parlament empfehlen, über die Wintermonate bis zum späten Frühjahr Wohnungsräumungen auszusetzen. „Bereits zum Ausbruch der Pandemie hatte ich das Parlament hierzu aufgerufen. Angesichts der aktuellen Krise hält die DG-Regierung es für angemessen, auf dieses Instrument zurückzugreifen, damit keine Familie im kalten Winter auf der Straße landet.“

Abschließend weist der Minister daraufhin, dass für die Zukunft weitere Maßnahmen geplant seien. „Noch diesen Monat werde ich dem Parlament eine Orientierungsnote zur Reform des Wohnungswesens vorlegen.“ Neben der energetischen Sanierung und dem Neubau von öffentlich geförderten Wohnungen sollen künftig nach Möglichkeit Menschen beim Eigentumserwerb unterstützt werden. „Nicht alle Menschen haben das Glück, von den Eltern finanziell unterstützt zu werden, um Eigentum zu erwerben. Denn selbst wenn man einen Kredit monatlich abbezahlen kann, ist es für einige unmöglich, den Eigenanteil für die Kreditaufnahme zu erwirtschaften. Dies ist aber Bedingung. Wir müssen uns deshalb etwas einfallen lassen!“ (red/sc)

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