Russlands mobilisierte Soldaten an der Front – Die Nacht im Überblick

<p>Ein durch Raketenangriffe zerstörtes Wohnhaus in der ukrainischen Stadt Saporischschja.</p>
Ein durch Raketenangriffe zerstörtes Wohnhaus in der ukrainischen Stadt Saporischschja. | Foto: Ukrinform/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht seine Streitkräfte unter Druck durch den Zustrom von frisch mobilisierten Soldaten auf der russischen Seite. Zwar verheize Russland diese Männer nur als Kanonenfutter, trotzdem machten sie die Aufgabe für die ukrainischen Verteidiger schwieriger, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache am Donnerstag. Die zweitgrößte Stadt der Ukraine, Charkiw, wurde abends erneut mit russischen Raketen beschossen. Russische Marschflugkörper schlugen auch im Westen des Landes in einem Militärobjekt bei der Stadt Solotschiw ein. Am Freitag ist für die Ukraine der 233. Tag des Abwehrkampfes gegen die russische Invasion.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte im September eine Teilmobilisierung von 300.000 Soldaten angekündigt, um Verluste im Ukraine-Krieg auszugleichen. Tatsächlich trifft die Mobilisierung aber alle Teile der russischen Gesellschaft. Hunderttausende Männer sind vor der Einberufung ins Ausland geflohen. Die eingezogenen Soldaten werden nach Berichten oft ohne Ausbildung und schlecht bewaffnet an die Front geschickt. Am Donnerstag wurde der Tod von fünf solcher Männer aus dem sibirischen Gebiet Tscheljabinsk offiziell bestätigt. Andere Soldaten geraten schnell in ukrainische Gefangenschaft.

„Jetzt wirft Russland Tausende seiner mobilisierten Männer an die Front“, sagte Selenskyj. Dabei brauchten die russischen Kommandeure diese Soldaten gar nicht: „Sie erwarten, dass die mobilisierten Russen im Krieg zumindest ein paar Wochen überleben und dann sterben.“ Dann würden neue Soldaten geschickt. „Aber diese Zeit ermöglicht es den russischen Generälen, ihre Leute als Kanonenfutter zu benutzen, um zusätzlichen Druck auf unsere Verteidiger auszuüben.“ Der Druck sei spürbar. „Ich bin all unseren Soldaten dankbar, die das ertragen“, sagte der ukrainische Staatschef. Er danke auch den internationalen Partnern, die verstehen, dass die Ukraine unter diesen Bedingungen noch mehr Militärhilfe brauche.

Die Ukraine macht Druck auf das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), sich stärker um ukrainische Soldaten in russischer Gefangenschaft zu kümmern. Bei einer Videoschalte gab der Chef des Kiewer Präsidialamtes, Andrij Jermak, dem IKRK eine Frist von drei Tagen, das russische Gefangenenlager Oleniwka bei Donezk zu besuchen. „Wir können nicht noch mehr Zeit vergeuden. Menschenleben stehen auf dem Spiel“, sagte er. In Oleniwka waren im Juli mehr als 50 ukrainische Gefangene bei einer Explosion getötet worden. Die Ukraine geht davon aus, dass in dem Gebäude absichtlich eine Bombe gezündet wurde. Das IKRK hat es bislang nicht geschafft, Zutritt zu dem Lager zu bekommen. Selenskyj sagte, das IKRK habe das Recht auf Zugang und müsse ihn nutzen.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, äußerte sich positiv nach Gesprächen mit den Präsidenten Russlands und der Ukraine zum Kernkraftwerk Saporischschja. „Die Arbeit geht weiter, und ich denke, dass wir gute Fortschritte machen“, sagte Grossi am Donnerstagabend in Kiew zu Plänen für eine Sicherheitszone um das umkämpfte ukrainische Atomkraftwerk. Konkrete Signale der Zustimmung von Moskau und Kiew gab es aber nicht. Grossi hatte vorige Woche in Kiew Selenskyj getroffen. Dann reiste er diese Woche zu Putin nach St. Petersburg, der Gesprächsbereitschaft signalisierte. Am Donnerstag war der IAEA-Generaldirektor erneut in Kiew und sprach mit Außenminister Dmytro Kuleba.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk verabschiedete sich via Twitter von Deutschland. „Ich kehre nach Hause zurück erhobenen Hauptes mit reinem Gewissen und dem Gefühl, meine Pflicht gegenüber der Ukraine erfüllt zu haben“, schrieb er am frühen Freitagmorgen. „Danke, liebe deutsche Freunde, für Ihre Geduld.“ Melnyk will Deutschland am Samstag verlassen. Er soll in Kiew einen neuen Posten im Außenministerium übernehmen. Sein Nachfolger Olexij Makejew wird bereits Anfang kommender Woche in Berlin erwartet. Selenskyj hatte Melnyk Mitte Juli von seinem Posten abberufen. Melnyk hatte sich nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit oft harter Kritik an der Bundesregierung einen Namen gemacht.

In Luxemburg treffen sich am Freitag die Innenminister der Europäischen Union. Ein Thema wird die Lage von Flüchtlingen aus der Ukraine in der EU sein. In Kopenhagen äußert sich die Weltgesundheitsorganisation WHO in Europa zu den gesundheitlichen Folgen des Krieges in der Ukraine. Es geht darum, wie das ukrainische Gesundheitssystem besser unterstützt werden kann. (dpa/sc)

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