Umstrittene Zuschauer-Politik: WHO-Zahlen untermauern Kritik an UEFA

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Rund 1.300 Schottland-Fans wurden nach der Rückkehr positiv getestet. | Foto: EPA

Angetrieben von „Reisen, Zusammenkünften und Lockerungen der sozialen Beschränkungen“ sei die Fallzahl vergangene Woche um zehn Prozent gestiegen, sagte der europäische WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Kopenhagen.

Laut der zuständigen WHO-Expertin Catherine Smallwood müssen die Verantwortlichen in den EM-Spielorten die Bewegungen der Zuschauer stärker überwachen – auch außerhalb der Arenen. „Wir müssen weit über die Stadien selbst hinausblicken“, antworte Smallwood auf die Frage nach Empfehlungen für London und St. Petersburg.

Fast gleichzeitig nahm der deutsche Bundesinnenminister Horst Seehofer die UEFA erneut ins Visier. „Ich halte die Position der UEFA für absolut verantwortungslos“, sagte der CSU-Politiker in Berlin. Angesichts der Bilder von dicht gedrängten und feiernden Fans in den Stadien sei es „vorgezeichnet, dass dies das Infektionsgeschehen befördert“. Laut des Ministers sollte der Verband „klar erklären: Wir wollen das nicht, wir reduzieren die Zuschauerzahl. Der Kommerz darf nicht den Infektionsschutz für die Bevölkerung überstrahlen“. Die UEFA sieht den Sachverhalt völlig anders und will alle verbleibenden EM-Spiele „wie geplant ausgetragen“. Die Maßnahmen seien „vollständig auf die Vorschriften der zuständigen lokalen Gesundheitsbehörden abgestimmt“. Die „endgültigen Entscheidungen“ hinsichtlich der Zuschauerzahlen würden „in die Zuständigkeit der lokalen Behörden“ fallen.

„Es kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Veranstaltungen und Versammlungen zu einem lokalen Anstieg der Fallzahlen führen könnten“, äußerte der medizinische Berater der UEFA, Daniel Koch. Dies würde aber nicht nur für Fußballspiele gelten, sondern für alles, was „nun im Rahmen der von den zuständigen lokalen Behörden beschlossenen Lockerungsmaßnahmen erlaubt“ ist.

Zuletzt hatte Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach schwerste Vorwürfe gegen die UEFA erhoben. „Es haben sich sicherlich Hunderte infiziert und diese infizieren jetzt wiederum Tausende“, twitterte Lauterbach mit Blick auf das Achtelfinale zwischen England und Deutschland: „Die UEFA ist für den Tod von vielen Menschen verantwortlich.“

Am Dienstag hatten im Londoner Wembley-Stadion 45.000 Fans den Sieg ihrer Three Lions über den Erzrivalen gefeiert. Statt der geforderten Reduzierung der Zuschauerzahl ist bisher das Gegenteil geplant. Bei den Halbfinals und dem Endspiel dürfen jeweils sogar über 60.000 Zuschauer in die Arena. (sid/tf)

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