Viel Spaß, viel Risiko? - Was Tiktok ausmacht

<p>Bis 60 Sekunden und keine Minute länger. Das ist das Tiktok-Gebot für möglichst kurzweilige Clips.</p>
Bis 60 Sekunden und keine Minute länger. Das ist das Tiktok-Gebot für möglichst kurzweilige Clips. | Foto: dpa

Facebook und Instagram waren gestern. Tiktok ist die App der Stunde. Insbesondere in der sogenannten Generation Z, also bei den zwischen 1997 und 2012 Geborenen, ist die App äußerst beliebt. Doch was passiert eigentlich auf Tiktok?

Tiktok ist eine Videoplattform, auf der Nutzerinnen und Nutzer bis zu 60 Sekunden kurze Videos anschauen oder selbst hochladen können. Sobald man die App öffnet, befindet man sich auf der „Für-Dich-Seite“ und der Tiktok-Algorithmus schlägt das erste Video vor.

„Die einzige Möglichkeit auf die vorgeschlagenen Videos Einfluss zu nehmen, ist durch die Art und Weise des Videokonsums und die Reaktion, also wie lange schaue ich das Video, like, kommentiere oder teile ich das Video“, erklärt Adil Sbai, der als Manager für einige bekannte Tiktokerinnen und Tiktoker wie etwa Younes Zarou arbeitet. Gemeinsam haben beide die „Tiktok-Bibel“ verfasst, um die App und ihre Funktionen Schritt für Schritt zu erklären.

Erfolgsfaktor Algorithmus

Die Vorschläge des Algorithmus seien sehr gut, erklärt Sbai einen Erfolgsfaktor der App. Das könne man etwa daran sehen, dass sich die Menschen vergleichsweise lang mit der App beschäftigen: „Die durchschnittliche Verweildauer auf Tiktok ist höher als auf Instagram, bei der Generation Z sogar höher als auf Youtube, und das, obwohl die Videos so kurz sind.“

Tiktok bietet natürlich auch klassische Funktionen eines sozialen Netzwerks, etwa Nachrichten schreiben, Inhalte „liken“ und kommentieren. Vor allem sei die App aber eine sehr kreative, universelle Videoproduktions-App, meint Sbai. Videos aufnehmen und schneiden, Effekte einbauen oder andere Videos und Sounds integrieren. Alles kein Problem: „Ohne aufwendiges Videoequipment kann man mit der App also sehr viele Geschichten erzählen und diese inszenieren.“

Viele Tiktok-Videos drehen sich rund um Musik, Comedy oder Tanz. Das hat auch mit dem Ursprung der App zu tun. Sie ist 2017 aus der Karaoke-App Musical.ly hervorgegangen. Auch wenn zunehmend Videos zu ernsteren Themen zu finden sind: Tiktok sei in erster Linie eine Unterhaltungs-App, sagt Sbai. „Das bedeutet aber nicht, dass die Nutzer unpolitisch sind. Fridays for Future und damit korrelierende Hashtags sind auf Tiktok beispielsweise noch populärer als auf Instagram.“

Privat oder öffentlich

Alle Videos werden auf Tiktok-Server hochgeladen. Nutzerinnen und Nutzer können bei jedem einzelnen Video bestimmen, ob es nur für sie selbst (privat) oder potenziell für alle Nutzerinnen und Nutzer (öffentlich) sichtbar ist.

Miriam Ruhenstroth vom Verbraucherschutzportal „Mobilsicher.de“ kritisiert aber, dass Tiktok Nutzerkonten standardmäßig auf öffentlich setzt. „Das heißt produzierte Inhalte sind für alle Nutzerinnen und Nutzer auffindbar.“ Zwar könne man bereits gepostete Videos wieder löschen, so Ruhenstroth, das bedeute aber nicht, dass diese aus der Welt sind. Beliebige Nutzerinnen und Nutzer hätten die Videos schließlich vor dem Löschen speichern und teilen können.

Will man dies verhindern, kann man sein Konto auf „privat“ stellen. Dann können Tiktok zufolge nur bestätigte Follower die eigenen Videos sehen und kommentieren.

Nutzerinnen und Nutzern stehen eine Reihe visueller und akustischer Effekte zur Verfügung, um Videos zu gestalten. So können Videos mit Overlay-Effekten wie Farbfiltern oder Masken individualisiert werden, weiß Iren Schulz, Mediencoach bei der Initiative „Schau hin“.

Filter und Effekte

In der App lassen sich aber etwa auch Gesichter weichzeichnen. Und man kann durch Filter den Farbton des gesamten Videos modifizieren. Auch virtuelle Hunde- oder Katzenohren fehlen bei Bedarf nicht. „Das gehört eher zu Snapchat oder Instagram“, meint Schulz. Es werde mehr mit den für Tiktok typischen Countdown- und Geschwindigkeitsfunktion gearbeitet.

„Mit dem Countdown können mehrere Sequenzen in verschiedenen Posen, Orten oder Outfits aufgenommen werden“, erklärt Schulz. Und in Zeitlupe aufgenommene Videos ließen sich später auch wieder beschleunigen. Und: Vor oder nach der Aufnahme lassen sich in der Suchrubrik „Sounds“ Songs oder Sequenzen aus Filmen finden unter das das Video legen.

Eine weitere Tiktok-Spezialität ist das Duett. Mit dieser Funktion kann man direkt per Video auf andere Videos reagieren. Der Clou: „Der Bildschirm wird geteilt und links neben dem ursprünglichen Video wird das eigene, neu aufgenommene angezeigt“, sagt Schulz.

Was ist zu beachten? Tiktok legt in seinen Nutzerbedingungen das Mindestalter für die Nutzung der App auf 13 Jahre fest. Allerdings begeistern sich oft schon viel jüngere Kinder, vor allem Mädchen für die App, sagt Schulz.

Tiktok braucht Medienkompetenz

Wichtig für Tiktok und alle anderen Plattformen und Netzwerke sei es, die Medienkompetenz der Kinder und Jugendlichen zu schulen, sagt Rebekka Weiß vom IT-Branchenverband Bitkom. Gerade Kinder müssten lernen, die Nutzung einzuordnen und zu steuern. Ebenso wichtig: Mit den Kindern über ihre Erfahrungen bei Tiktok & Co reden. Eltern sollten eine Gesprächskultur schaffen, die es Kindern auch ermögliche, über verstörende Inhalte zu reden.

In diesem Zusammenhang hat Tiktok nun auch eine Opt-in-Funktion angekündigt. Beim Aufruf von Videos, von der die Plattform glaubt, dass sie als unangemessen oder bedrohlich empfunden werden könnten, erhalten Nutzerinnen und Nutzer erst einmal eine Warnmeldung. Sie müssen dann aktiv zustimmen, bevor das Video abgespielt wird. Im „Für Dich“-Feed mit Vorschlägen sollen solche Videos gar nicht mehr auftauchen.

Miriam Ruhenstroth rät Eltern grundsätzlich, Kinder ihr Tiktok-Profile nicht allein einrichten zu lassen und vorab Regeln für die Nutzung zu bestimmen. Es könnten sowohl Zeitkontingente festgelegt als auch Abmachungen darüber getroffen werden, welche Inhalte gepostet werden dürfen und welche nicht.

Für Eltern bietet Tiktok mittlerweile einen „begleitenden Modus“ an. Damit können die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern Nutzungszeit und Kontaktmöglichkeiten festlegen oder auch bestimmte Inhalte herausfiltern. Dafür müssen Eltern die App allerdings auch selbst installieren. (dpa

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