Die schwarze Muse Juliette Gréco ist tot: Unzähmbar und unbesiegt

<p>1979, Frankreich, Paris: Juliette Grèco singt während einer Gala im Palais des Congres. Die französische Chanson-Sängerin ist tot. Die Sängerin starb nach Angaben ihrer Familie im Alter von 93 Jahren.</p>
1979, Frankreich, Paris: Juliette Grèco singt während einer Gala im Palais des Congres. Die französische Chanson-Sängerin ist tot. Die Sängerin starb nach Angaben ihrer Familie im Alter von 93 Jahren. | Foto: Pierre Guillaud/AFP/dpa

Ihre Stimme machte traurig, melancholisch, brachte zum Lachen und zum Weinen. Juliette Gréco sang nicht, sondern spielte. Die Verliebte, die zärtlich „Davor hab ich Angst“ ins Mikrofon flüsterte, oder die Verführerin, die sinnlich „Lösch die Lampe aus“ hauchte. Ein Lied zu singen, war für sie wie ein Theaterstück mit verschiedenen Rollen. „Ich belebe etwas wieder, das andere geschrieben haben. Ich lasse es durch meinen Körper hindurchgehen“, erklärte die Sängerin einst. Als Grande Dame des französischen Chansons wurde sie gefeiert. Nun ist sie am Mittwoch im Alter von 93 Jahren gestorben, wie ihre Familie der französischen Nachrichtenagentur AFP mitteilte.

Gréco hat die Lieder der größten Chansonniers interpretiert wie „Amsterdam“ von Jacques Brel und „Les feuilles mortes“ von Georges Brassens. Und die bedeutendsten Autoren wie Françoise Sagan, Jacques Prévert, François Mauriac und Albert Camus schrieben für sie die Texte. Sie sei eine liebende und aufmerksame Dienerin, die alles gebe, um den Autoren zu dienen, erklärte sie. Mit Gréco ist nach Édith Piaf und Barbara die letzte große Chansonnette Frankreichs von der Bühne gegangen.

Auch Serge Gainsbourg, Schauspieler und einer der bekanntesten Chansonniers und Songwriter, verbeugte sich vor ihr. „Ich halte mich für einen privilegieren Autor, denn sie hat mich gesungen. Ich denke, es gibt keinen Autor, der sich nicht wünscht, für sie zu schreiben.“ Von dem 1991 verstorbenen Komponisten interpretierte sie unter anderem „La Javanaise“, eines seiner bekanntesten Lieder.

Grande Dame de la Chanson und Muse der Pariser Boheme: Titel, die sie voller Bescheidenheit trug. Denn das Bild, das sie von sich selbst hatte, war ein völlig anderes. „Ich war eine merkwürdige junge Frau gewesen, hatte Männerkleider getragen und mir einen Pony geschnitten, um mich besser dahinter verstecken zu können, gestand sie einst. Warum sie zu einer Ikone für die damalige Generation wurde, habe sie bis heute nicht verstanden. Die am 7. Februar 1927 in Montpellier in Südfrankreich geborene Sängerin kam Mitte der 1940er Jahre nach Paris.

Grécos Karriere wurde von großen Namen bestimmt, denn zum Star hatte sie kein anderer gemacht als Jean-Paul Sartre, Paradefigur des französischen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts. Der Philosoph und Schriftsteller hatte sie in der Pariser Kellerbar „Le Tabou“ in Saint-Germain-des-Prés - damals noch das Viertel der Künstler, Literaten und Intellektuellen - singen gehört. Sartre war von Gréco begeistert. Gréco habe Millionen von Gedichten in ihrer Stimme, die noch nicht geschrieben seien. Sie erinnere daran, dass Worte eine sinnliche Schönheit haben. Kurz danach schrieb der Hauptvertreter des Existenzialismus ihr erstes Chanson.

Blasse Haut, schwarz geschminkte Augen, Pagenkopf und schwarze Kleidung: Nie hatte man sie anders auf der Bühne gesehen. Gréco wurde zur Stilikone, ohne dass sie es wollte. Sie habe keine Mode schaffen wollen, sondern sich so gekleidet, weil sie nichts anderes hatte, erzählte sie Jahre später. In Paris kam sie dem kommunistischen Gedankengut näher und gehörte bald schon zur intellektuell-künstlerischen Elite der Metropole.

Die Sängerin liebte das Leben und die Männer. Sie war mit den Schauspielern Philippe Lemaire und Michel Piccoli verheiratet, bevor sie 1988 den Pianisten Gérard Jouannest ehelichte, ihren langjährigen musikalischen Begleiter. Zu ihren Liebhabern zählte neben Sacha Distel auch der legendäre Jazz-Trompeter Miles Davis, mit dem sie eine leidenschaftliche Affäre hatte. Sie liebte ihre Freiheit. „So bin ich eben: Erinnerungen einer Unbezähmbaren“, nannte sie ihre Autobiografie. Auch Frauen liebte sie, wie sie der „Zeit“ sagte.

Früh schon gab sie Konzerte in Brasilien und den USA, wo sie in den 50er Jahren unter Regisseuren wie John Huston und Orson Welles auch vor der Kamera stand. Doch ihre wahre Liebe galt dem Chanson. Als eine der ersten französischen Sängerinnen trat die „Schwarze Rose von St. Germain“ 1959 im Nachkriegsdeutschland auf - obwohl ihre Mutter und ihre Schwester ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert worden waren, das beide überlebten. Ihre Mutter gehörte während des Zweiten Weltkrieges den Widerstandskämpfern an.

Von der Musikwelt hat sie sich rechtzeitig mit ihrer Tournee „Merci“ verabschiedet. Man müsse wissen, wann der Zeitpunkt gekommen sei, aufzuhören, sagte sie. In den vergangenen Jahren lebte sie zurückgezogen, ein Konzert in Zürich etwa musste sie 2017 aus gesundheitlichen Gründen absagen. Sie wolle als Siegerin gehen, nicht als Besiegte, erklärte sie. Als Grande Dame wurde sie gefeiert - und als Grande Dame wird sie in Erinnerung bleiben. (dpa)

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