Anklage will Hilpert lebenslänglich und Karkuth 25 Jahre in Haft sehen

<p>Christian Karkuth soll 25 Jahre in Haft, seine Mutter Kathrin Hilpert lebenslänglich. Dies beantragte die Generalstaatsanwaltschaft am Mittwochmorgen.</p>
Christian Karkuth soll 25 Jahre in Haft, seine Mutter Kathrin Hilpert lebenslänglich. Dies beantragte die Generalstaatsanwaltschaft am Mittwochmorgen. | Foto: David Hagemann

Der letzte Tag im ersten Assisenprozess in der Deutschsprachigen Gemeinschaft begann mit den Plädoyers von Generalstaatsanwaltschaft und Verteidigern. Nachdem das Geschworenenkollegium die beiden Angeklagten am Dienstag in allen Anklagepunkten für schuldig befunden hatte, steht am Mittwoch noch das Strafmaß zur Debatte.

„Es geht nun darum, eine angepasste Strafe zu verhängen“, sagte Generalstaatsanwalt Frédéric Renier. Im Fall von Kathrin Hilpert gebe es auch nur eine Strafe, da der Computerbetrug aus denselben Beweggründen erfolgte und daher in Tateinheit zu sehen sei. Die Strafe für den Mord „schluckt“ sozusagen die Strafe für den Computerbetrug, bei dem es um die Aneignung von über 49.000 Euro von den Konten des Mordopfers geht. „Von der lebenslänglichen Zuchthausstrafe können sie abweichen, wenn mildernde Umstände zuerkannt werden“, erläuterte der Vertreter der Anklage. Das Spektrum der Strafbemessung liegt dann zwischen drei und 30 Jahren.

Der Generalstaatsanwalt forderte ein strenges Urteil, da die perverse Denkweise bestraft werden müsse, ein Menschenleben Geld unterzuordnen. Im vorliegenden Fall weise alles auf eine Missachtung des menschlichen Lebens hin. Das Geld sollte den Neuaufbau der Familie in Ostdeutschland finanzieren, und auch die außerordentliche Brutalität gelte es bei der Festlegung des Strafmaßes zu berücksichtigen. Eine Hinrichtung durch zwölf Axthiebe bezeichnete er als eine „unnötige Grausamkeit“. Diese furchtbare Szene gipfelte in dem emotionslosen Verhalten nach der Tat, als sie Kaffee kochte und mit ihrem Sohn eine Zigarette rauchte. „Völlig gefühlskalt wurde nach der Tat gehandelt, nachdem ein Menschenleben ausgelöscht wurde“, so Frédéric Renier.

Reue kann als mildernder Umstand gewertet werden. Doch auch das Verhalten in den Tagen danach ließ nach seiner Ansicht keine Reue durchblicken. Dem Arbeitgeber und der Familie wurden von Kathrin Hilpert viele Lügen aufgetischt. Die Frau träumte zwar von einem Neustart, doch es sei nicht die Schaffung einer Familienidylle gewesen, die sie aufbauen wollte. Das neue Leben sollte auf die Begehung neuer Straftaten beruhen, da das Einkommen durch Cannabisanbau erzielt werden sollte. Ihre Enkel wären eigentlich in einer kriminellen Organisation groß geworden. „Sie missbrauchte ihren Sohn für ihre Zwecke und nutzte ihn aus. Von Reue keine Spur“, so Renier.

Da sie noch nie wegen kriminellen Machenschaften verurteilt wurde, könnte die Unbescholtenheit angeführt werden. Er erinnerte daran, dass sie 7.000 Euro in den Kauf von Drogen investierte und die Söhne bei den Einbrüchen unterstützte. Ihre soziale Wiedereingliederung bezeichnete er als schwierig, da sie keine berufliche Ausbildung hat, nie lange an einer Arbeitsstelle tätig war und sich nie intensiv um ihre Familie gekümmert habe, wie die Kinder aussagten. Objektiv betrachtet seien die Chancen der Wiedereingliederung in die Gesellschaft sehr gering, so der Generalstaatsanwalt. Ihr Zukunftsplan war, das Leben durch Cannabisanbau zu bestreiten. Daher beantrage er eine lebenslängliche Zuchthausstrafe sowie die Einziehung des illegalen Gewinns.

Die Präsenz einer Mutter habe Christian Karkuth in der Kindheit gefehlt. Das Thema Familie war ihm daher wichtig und wurde deshalb von seiner Mutter manipuliert, um das Verbrechen zu begehen, führte Renier aus. Trotz dieser Sehnsucht habe er seiner Mutter aber nicht bis ins schlimmste Verbrechen folgen müssen. Sein Strafregister weise mehrere Verurteilungen auf, fünf verschiedene Gerichte verurteilten ihn. „Er geht wie seine Mutter bis ans Äußerste, um seine Ziele zu erreichen, und schreckt selbst nicht vor Mord zurück“, so Renier.

Das Thema Alkohol wurde im Rahmen des Prozesses mehrfach aufgeworfen. „Sein Scheißcharakter wird bei Alkoholkonsum noch beschissener“, hatte sein Verteidiger gesagt. Kathrin Hilpert habe seine Sucht ausgenutzt. „Keine Ausbildung, viel Erfahrung, aber nirgendwo hat er es lange ausgehalten. Er ist 32 Jahre und hat gewisse Sprachkenntnisse. Seine Zukunftschancen sind doch besser als die seiner Mutter. Es besteht ein Minimum an Hoffnung“, sagte Renier und beantragte eine Zuchthausstrafe von 25 Jahren.

Wie lange wird er für das Verbrechen sühnen müssen? Welche Strafe ist angemessen, um einen Mord zu sühnen? Diese Fragen warf Karkuths Verteidiger Denis Barth auf. „Für Joseph Lenaerts kann es kein Zurück geben. Aus der Perspektive der Zivilpartei kann ich verstehen, dass sie kein Mitleid erwartet.“

Barth warf Argumente in die Waagschale, damit möglicherweise mildernde Umstände in die Strafbemessung einfließen, damit am Ende eine geringere Strafe als die geforderten 25 Jahre herauskommt. Er habe mit einer Axt einen Menschen erschlagen. Diese Tat verdiene eine strenge Strafe. Sein Motiv war aber nicht Geldgier, er wollte einfach nur zu seiner Familie gehören, was für viele Menschen eine Selbstverständlichkeit sei. „Er wurde von seiner Mutter manipuliert und instrumentalisiert. Sie mischte sein Aggresssionspotenzial mit Alkohol. Er wurde zu einer Waffe gemacht, die von seiner Mutter abgedrückt wurde“, so Barth.

Von Beginn an habe er mit den Ermittlern kooperiert und geholfen, jeden Stein umzudrehen. Als Dieb, Schläger und Drogenhändler war er vorbestraft. „Er ist ein Produkt seiner Kindheit, seiner Jugend, seines Lebens. Er war immer allein“, so sein Verteidiger. Die Mutter verließ ihn im Alter von einem Jahr, mit zwölf Jahren verstarb sein Großvater, eine Tour durch Jugendzentren und Psychatrien begann. Alleine wandte er sich der rechtsextremen Szene zu. Nach 34 Aufenthaltsorten stand der Traum von der Familie. Und auch am Ende wollte die Mutter ihn wieder loswerden und ihn wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Im Gefängnis sei er nun trocken geworden. Auch habe es in den vergangenen zweieinhalb Jahren in Lantin keinen einzigen disziplinarischen Vorfall gegeben. Die Gutachter hätten zudem Reue und eine Therapiebarkeit bei ihm erkannt, plädierte der Rechtsanwalt aus Kelmis.

„Es gibt für sie ein Leben nach dem Urteil, das Sie nun bestimmen. Sie werden Sie ihrer angemessenen Strafe zuführen. Für die Höchststrafe müssen Sie nicht optieren. Das Gesetz bietet Ihnen einen breiten Rahmen“, richtete sich Hilperts Verteidiger Patrick Thevissen an die zwölf Geschworenen. Es gebe hier keine Pauschalstrafbemessung. Er erinnerte an verschiedene Schwerbrecher wie Karadzic oder Dutroux. Alle hätten lebenslänglich bekommen. In diesem Register spiele seine Mandantin sicherlich nicht.

Die Staatsanwaltschaft habe nichts Gutes an Kathrin Hilpert gelassen. In der Summe sei sie aber eine Frau ohne schwerwiegende Laster: Sie ist eine schlechte Hausfrau, sie geht nicht gut mit Geld um, sie war keine gute Mutter, sie lügt. „Man ist, was man ist, weil sie vielleicht nicht viel mitgegeben bekommen hat“, stellte Thevissen fest. Sie hatte keine gute Kindheit und eine Bezugslosigkeit in den Beziehungen, die sie dann selbst reproduzierte. Sie könne sich nicht einfügen und Beziehungen aufbauen. „Ich habe auf der ganzen Linie versagt“, zitierte er ihre Zwischenbilanz nach 50 Jahren. Dennoch hätten die Befragungen auch positive Charaktereigenschaften zutage geführt.

„Dürfen wir ihr die Lügen übelnehmen?“ Die Ermittler hätten dies, weil sie ihnen dadurch die Arbeit erschwerte. Im Strafrecht sei Lügen aber ein Recht. Daher dürfen Ermittler und Richter es Frau Hilpert nicht übelnehmen und mit Zorn darauf reagieren, nur Familie Lenaerts dürfe dies. „Bezugslosigkeit und Lüge: Kann man sie darauf reduzieren?“, fragte ihr Verteidiger. Sie sei nicht das Monster, das man darstellt, sonst sei sie längst vorbestraft gewesen. Mildernde Umstände seien die, die es erlauben, die Strafe zu individualisieren.

Kathrin Hilpert werde eine lange Zeit im Gefängnis verbringen. Den Rest ihres Lebens werde sie an den heutigen Tag zurückdenken. Die Jahre, die sie einsitzen wird, werden Jahre der Aufarbeitung und der Resozialisierung sein. Das sei der Sinn der Haftstrafe. Nach 15 Jahren kann sie frühzeitig eine Entlassung beantragen, die aber aber nicht gebilligt werden muss. Sie werde dann 65 Jahre sein, wenn sie erstmals an Freilassung denken kann. „Lebenslänglich ist das langsame Dahinsterben in Haft. Ein zeitlich begrenztes Strafmaß wäre ein Zeichen der Hoffnung, dass die Rückkehr in die Gesellschaft möglich ist. Sie sind Richter, nicht Rächer“, appellierte er an das Richterkollegium und an die Geschworenen.

Das letzte Wort vor der Pause hatte Christian Karkuth: „Ich werde jede Strafe akzeptieren. Ich würde mir eine zweite Chance wünschen, zum Lieben und zum Leben.“

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