Milcherzeuger demonstrieren gegen die Vorgehensweise der EU

<p>Ein Staub aus Magermilchpulver zog am Donnerstag über ein Feld in Braine-Le-Comte in der Provinz Wallonisch-Brabant.<br />
Foto: Isopix</p>
Ein Staub aus Magermilchpulver zog am Donnerstag über ein Feld in Braine-Le-Comte in der Provinz Wallonisch-Brabant. Foto: Isopix

Vor allem die Einführung von Zuschüssen zur privaten Lagerhaltung von Molkereiprodukten kritisierten die Organisatoren der Aktionen vom European Milk Board (EMB) als Fehlentscheidung. „Wir Milcherzeuger sagen Ja zu einer EU-weiten Milchreduktion und Nein zur privaten Lagerhaltung von Butter, Milchpulver und Käse als Krisenmaßnahme“, heißt es dazu in einer Stellungnahme des EMB.

Nebel aus Magermilchpulver zieht auch über ein Feld in Braine-Le-Comte.

Während Milchbauern aus ganz Europa sich mit dieser Botschaft an die EU-Kommission und die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wandten, zog ein starker Nebel aus Magermilchpulver über die Felder in zahlreichen französischen Departements. Eine ähnliche Milchpulver-Aktion gab es am Donnerstag auch auf einem Feld in Braine-Le-Comte (Wallonisch-Brabant), südlich von Brüssel. In Berlin schraubte sich indessen ein hoher Milchpulverturm vor dem Bundeskanzleramt in den Himmel und auch in Italien, Dänemark, Litauen und Luxemburg forderten Milcherzeuger bei Aktionen vehement einen effizienten Krisenkurs für den Milchsektor.

<p>Erwin Schöpges bei der Aktion in Braine-Le-Comte: „Das Magermilchpulver ist heute EU-weit das Symbol für einen fehlgeleiteten Krisenkurs der Europäischen Union im Milchsektor. Dieser Kurs muss geändert werden, so dass er gegen die Krise wirklich greifen kann“, sagt er.<br />
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Erwin Schöpges bei der Aktion in Braine-Le-Comte: „Das Magermilchpulver ist heute EU-weit das Symbol für einen fehlgeleiteten Krisenkurs der Europäischen Union im Milchsektor. Dieser Kurs muss geändert werden, so dass er gegen die Krise wirklich greifen kann“, sagt er. Foto:

Für den EMB-Vorsitzenden Erwin Schöpges, der an der Aktion in Braine-Le-Comte teilnahm, sind die zahlreichen Protestaktionen ein wichtiges Zeichen an die Politik: „Das Magermilchpulver ist heute EU-weit das Symbol für einen fehlgeleiteten Krisenkurs der Europäischen Union im Milchsektor. Dieser Kurs muss geändert werden, so dass er gegen die Krise wirklich greifen kann“, wird der Ameler in einer Stellungnahme des European Milk Board zitiert. Im Zuge der Coronakrise sei die Nachfrage nach Milchprodukten eingebrochen, hieß es.

Wie EMB-Vorstandsmitglied Roberto Cavaliere aus Italien erläutert, habe die Schließung von Schulen, Kindergärten und öffentlichen Einrichtungen sowie das fast komplette Herunterfahren des Gastronomiesektors die Abnahme von Milchprodukten stark verringert. „Die Milch, die produziert wird, ist aktuell also viel zu viel und müsste EU-weit reduziert werden. Wir Milcherzeuger sind bereit, hier Verantwortung zu übernehmen und an einem von der EU-Kommission koordinierten Programm zur Mengenreduktion teilzunehmen“, so Cavaliere. Doch dies habe die EU-Politik nicht in Aussicht gestellt.

Sein Berufskollege Boris Gondouin, Milcherzeuger aus Frankreich und Vorstandsmitglied des EMB, ist daher wie so viele europäische Milcherzeuger sehr verärgert, dass sich die EU-Kommission stattdessen für Beihilfen zur privaten Lagerhaltung entschieden habe. „Diese Beihilfen ändern absolut nichts an den Corona-Problemen der Landwirte. Es sind ja insbesondere die Milchpreise bei den Produzenten, die fallen. Es gehen aber – wie vorläufig angekündigt – 30 Millionen Euro an Subventionen für verarbeitete Milchprodukte an die private Industrie. Das heißt, dass die aktuelle EU-Maßnahme für die verarbeitende Industrie getroffen wurde, nicht für die Landwirte.“ Johannes Pfaller, Milcherzeuger aus Deutschland und ebenfalls Vorstandsmitglied beim EMB, fügt hinzu: „Es ist doch eigentlich absolut abwegig, Ressourcen zu verschwenden, um Produkte zu erzeugen, für die es keine Nachfrage gibt. Nur, um diese Produkte dann mit Hilfe von Subventionen einzulagern.“

Um die Milchkrise einzudämmen müsse eine Krisenmaßnahme die Milchmenge direkt adressieren, fordert die europäische Interessenvereinigung der Milcherzeuger. Außerdem sollte die Europäische Union mit ihren Milcherzeugern gemeinsam Verantwortung übernehmen. Dazu müsste ein Programm gestartet werden, auf das in jedem EU-Land zugegriffen werden könne. Milcherzeuger, die bereit sind, ihre Produktionsmenge zu reduzieren, sollen über dieses Programm eine Entschädigung je nicht produziertem Liter Milch bekommen. Zudem dürften in der EU keine Buttertürme und Milchpulverberge aufgebaut werden, indem man die Lagerung bereits verarbeiteter Produkte subventioniert. Eingelagerte Produkte seien immer noch Teil des existierenden Angebots und drückten die Milchpreise. Die angekündigten 30 Millionen Euro sollten daher besser in das Mengenreduktionsprogramm anstatt in die private Lagerhaltung fließen. Schließlich sollte es sich die EU erlauben, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Beihilfen zur privaten Lagerhaltung und die Erlaubnis unter anderem an Erzeugerorganisationen und Branchenverbände, die Produktion regional (nicht EU-weit) zu planen, hätten als Instrumente in der Krise 2015-2017 komplett versagt, argumentiert der EMB.

Milchbauern kündigen weitere Aktionen in den kommenden Tagen an.

Das EU-Mengenreduktionsprogramm sei dagegen erfolgreich gewesen. Wie der dänische Milcherzeuger und EMB-Vorstandsvertreter Kjartan Poulsen betont, sei es nicht das erste Mal, dass sich die Europäische Union in der Kiste für Kriseninstrumente vergreift: „Bereits im Jahr 2017 hatten die Milcherzeuger des EMB und anderer Verbände mit einer großen Milchpulver-Aktion in Brüssel auf die Problematik des Aufbaus zu hoher Lagerbestände in der Krise aufmerksam gemacht. Unser eindringlicher Appell an die EU lautet daher, nicht auf dieses Instrument der Lagerhaltung zu setzen, sondern mit den Milcherzeugern zusammen zu arbeiten und gemeinsam ein Mengenreduktionsprogramm durchzuführen“, so Poulsen. Die am Donnerstag eu-weit durchgeführten Aktionen würden jedenfalls nicht die letzten politischen Milchpulver-Veranstaltungen sein, hieß es. Zahlreiche deutsche Milchproduzenten haben bereits angekündigt, weitere Aktionen in den kommenden Tagen zu fahren. (sc/red)

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