Aachener DJ-Frau Svenja Schieren - Allein mit Plattenkoffer unter Männern

<p>Svenja Schieren: „Das ist schon schön, wenn du siehst, dass so ein- bis zweitausend Leute deine Musik angeklickt haben.“</p>
Svenja Schieren: „Das ist schon schön, wenn du siehst, dass so ein- bis zweitausend Leute deine Musik angeklickt haben.“ | Foto: privat

Aachen

Svenja Schieren (30), einer der ganz wenigen DJ-Frauen, lokal, regional und darüber hinaus, ist im Hauptberuf Operationstechnische Assistentin am Eschweiler St. Antonius-Hospital. Während das Gesundheitswesen gerade im Hotspot der Aufmerksamkeit steht, ist die Kultur- und Clubszene komplett geschlossen. Nichts geht mehr. Dabei sollte 2020 für sie das Jahr werden, indem sie die nächsten Stufen ihres DJ-Status erreicht. Dafür standen die Zeichen, Resonanzen und Bookings gut. Bis das Virus kam. Zurzeit bleibt ihr also nur die Geduld und die Hoffnung, dass diesbezüglich irgendwann wieder die Sonne aufgehen wird – und natürlich auch ihr geliebter Plattenkoffer.

„Music sounds better with you“ aus dem Jahr 1998 als Initialzündung

„Ooh, baby, I feel right, the music sounds better with you, love might bring us back together“ – mehr Text hatte der Song nicht, mehr brauchte er wohl auch nicht. „Music sounds better with you“, veröffentlicht im Sommer 1998, war eine der genialsten Soundschleifen der elektronischen Zuckerwatten-Maschine, die sich über 4.23 Min. ständig als einzige Megawelle wiederholt, aber doch nie am Strand anzukommen scheint oder einfach wegblubbert. Das phänomenale Einzelstück des französischen Trios Stardust, an dem auch Thomas Bangalter von Daft Punk beteiligt war, ging nicht nur im Video-Clip durch die Decke und rauschte um sämtliche Küsten, Städte und Himmel der Clubs, Radiostationen und Raves: Das Lied vom besseren Klang war eine helle Motte, ein Zeitzeichen und Türöffner – und auch für sie ein Schlüsselsong. 1998, da war sie gerade neun Jahre alt.

Ein Mädchen aus dem Wendejahr, tatsächlich. Svenja wächst in einem musikalischen Haushalt auf. Der Vater spielt Flügelhorn, zu Hause und in der Dorfkapelle. Ansonsten ist ihre Sozialisation in und mit Musik nicht ungewöhnlich: Man hört das, was gerade rechts und links gespielt wird und auch noch jenes, was die Eltern als schöne Erinnerung mitbringen, als sie Teenie und junge Erwachsene waren – hier wesentlich die Musik der 70er, also Disco, Schlager und wohl auch das, was Kapellen so gerne spielen. „Erst später registriert man, dass ein bestimmter Song, hier eben ‘Music sounds better with you’, für eine Zündung sorgt, die einen antreibt, ständig nach neuer Musik zu fahnden, neugierig zu suchen und zu finden“, skizziert die heute 30-Jährige eines ihrer Initialerlebnisse auf dem Weg zum DJ als Frau. „Für mich gibt es nichts Schöneres, als Musik zu hören.“

Konkrete erste Orte ihrer Reise von „lost in music“ gab es auch: hier vor allem die in den 2000er-Jahren aufkommenden Party-Reihen im Sektor von House & Techno in Aachen und im Umland. Noch als Besucherin, die es spannend fand, „ganz andere und immer wieder neue Musik in Gruppen zu erfahren, die regelrecht elektrifiziert waren.“ Verlockend auch, Musik zu machen und Tausende, euphorische Menschen bespielen zu können, ohne eine Note oder ein Instrument beherrschen zu müssen.

Magisch, irgendwie: „Bestimmte innere Klingeltöne, die einem sagen, das man genau dies auch mal versuchen oder sogar unbedingt machen sollte, gab es bei mir immer. Ich habe sie vielleicht nur überhört, war wohl noch zu schüchtern und nicht mutig genug. Es kam auf jeden Fall zeitverzögert an.“ Sie meint den Weckruf, dessen berufliches Umfeld aber auch so gestaltet ist: Nur rund zehn Prozent der DJs im elektronischen Bereich sind weiblich. Schaut man sich die Listen der DJ Awards der letzten 20 Jahre an, könnte man glauben, es gibt auf diesem Planeten überhaupt keine Frauen. Oder darüber der Leitspruch: „Ich Tarzan, Du DJane.“

Im Mai 2017 hat Svenja ihren ersten Auftritt im neuen „Kaixers“ (Aachen), ehemals Königskeller - zur Mai-Party mit Chris Rocka. Ihr erster Gig fand so Anklang, dass sie schon ein paar Monate später zur „Lass ma tanzen“-Reihe in den Musikbunker eingeladen wurde – und seitdem dort Resident-DJ ist. „Ich habe vorher locker ein dreiviertel Jahr geübt und geübt. Noch digital, also mit zwei Pioneer-Playern XDJ-700. Und mit der Unterstützung von befreundeten DJ-Kollegen.“ In relativ kurzer Zeit hat sie sich ihre „Crowd“ in der Region erspielt – über fast sämtliche Stationen, die es hier so gibt oder gab: u.a. Hotel Europa, Kimiko-Festival, Seltsames Verhalten am See, Träum-weiter-Festival und quasi als Heimathafen die ehemalige Mono Heidi in der Pontstraße.

Kernmotiv ist dabei immer: „Es klingt schlicht und simpel, aber ich will die Menschen mit meiner Musik glücklich machen – und bei ihnen herauslesen, welchen Input ich dazu leisten kann.“ Punkt.

Aber die Reise geht ja weiter, immer mehr auch aus dem Aachener Tal hinaus, dessen Club-Szene ja genügend schwächelt: In einem der Top-Clubs, im Kölner Odonien, spielte sie etwa im letzten Herbst mit Anja Schneider und Jonathan Kaspar. Ihre Sets werden regelmäßig auf Soundcloud eingestellt, zudem häufen sich die Anfragen von anderen, spezialisierten Portalen, ihr „Set of the day“ beizusteuern. „Das ist schon schön, wenn du siehst, dass so ein- bis zweitausend Leute deine Musik angeklickt haben.“ Dazu gab und gibt es auch Auftritte beim „Strabi“-Festival in Dormagen, beim Gebesee-Festival in Erfurt, im „Barracuda“ und im „Bumann&Sohn“ in Köln, im „AMP“ in Münster oder in der Bonner Strandbar etwa mit den bekannten DJ-Frauen Britta Arnold und Bebetta.

„Es geht kooperativ, freundlich, hilfreich, fördernd zu. Schließlich haben wir ja alle das gleiche Ziel, die Leute happy zu machen.“

Dies alles läuft unter ihrem Pseudonym: Svenson. Ihre Sets sind variantenreich, in letzter Zeit vor allem auch disco- und nu-disco-geprägt, immer auch schwebend und treibend – funky, housy, fusionhaft, genügend vokallastig, was auch Ethno- und World-Betonungen, Indie und Rock nicht ausschließt. Benachteiligt sieht sie sich im männlich geprägten Kollegenkreis nicht: „Es geht immer kooperativ, freundlich, hilfreich, fördernd zu. Schließlich haben wir ja alle das gleiche Ziel, die Leute happy zu machen.“ Der bessere Klang vom Glück, eben und nur gemeinsam. Gerne stapelt sie, was ihren Status und ihre Position betrifft, auch gerne tiefer: „Irgendwie bin ich ja auch so eine Art...“ Ausnahme, Exotin, Küken, DJ-Welpin, Mischpult-Novizin – oder was? Der Name Svenja kommt ja von Schwan. Die plantschen weniger, die schwimmen lieber. Diese Reise geht weiter.

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