Rembrandts 350. Todestag: Reise ins Goldene Zeitalter

<p>Die Niederlande feiern das Goldene Zeitalter und Rembrandt, der im Oktober vor 350 Jahren starb. Eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert - und zu der hochmodernen Untersuchung eines weltberühmten Gemäldes.</p>
Die Niederlande feiern das Goldene Zeitalter und Rembrandt, der im Oktober vor 350 Jahren starb. Eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert - und zu der hochmodernen Untersuchung eines weltberühmten Gemäldes. | Foto: Rijksmuseum Amsterdam/dpa

Sie zeigen Schützenkompanien - wehrhafte Männer, die zum Schutz der Bürger auf Nachtwache gingen. Die beinahe vier Meter hohen Gemälde hat der Hoorner Meistermaler Jan Albertsz Rotius geschaffen, und zwar von 1649 bis 1655 im Auftrag der edlen Herren. „Amsterdam hat die „Nachtwache“ von Rembrandt, hier in Hoorn haben wir vier Gemälde von Nachtwachen“, sagt Museumsdirektor Ad Geerdink beim Rundgang durch die verschlungenen Säle und Kammern, in denen Gemälde sowie Seekarten, Gewürze, Mineralien, Insekten, Muscheln und Baumwolle an die Blütezeit der Hafenstadt erinnern.

Hoorn war im 17. Jahrhundert unermesslich reich, hatte 14.000 Einwohner und eine der größten Seglerflotten der Niederlande. Als einer der Standorte der Niederländischen Ostindienkompanie VOC betrieben Reeder und Kaufleute von Hoorn aus Handel mit den baltischen Staaten, mit Norwegen, Spanien und Italien. Der Seefahrer Willem Cornelisz Schouten umschiffte im Auftrag der Hoorner Austraalse Compagnie im Januar 1616 erstmals Südamerika und benannte die Landspitze ganz im Süden nach seiner Heimatstadt: Kap Hoorn. Stolz nennt sich Hoorn heute „Stadt des Goldenen Zeitalters“. Und wer mit Stadtführerin Trudy Schrickx durch die schmalen Gassen entlang der alten Kaufmannshäuser streift, taucht tiefer ein in die Zeit vor 400 Jahren: „Der Handel machte Hoorn reich, Künstler hatten gut zu tun, man ließ sich malen. Aber auch technische Innovationen wurden möglich.“ So entstand laut Schrickx in jenen Jahren beispielsweise mit der Fleute ein neuer Segelschifftyp mit hoher Ladekapazität und geringem Tiefgang. „Es überrascht mich jeden Tag, wie facettenreich das 17. Jahrhundert in den Niederlanden war“, sagt Museumsleiter Geerdink. „So wissen wir heute, dass Italien und Spanien damals unter einer kleinen Eiszeit litten. Die Temperaturen waren abgesunken und die Winter länger, wodurch dort Ernten vernichtet wurden“, berichtet der 61-Jährige. „Die Kaufleute von Hoorn nutzten diese Chance und brachten mit den Fleuten Getreide aus Nordeuropa ans Mittelmeer.“

Auch im Rijksmuseum Amsterdam geht es derzeit besonders um das Goldene Zeitalter. Hier erwartet sich Gregor Weber größere Überraschungen von der Operation Nightwatch - so nennt sich die Restaurierung von Rembrandts berühmtestem Gemälde „Die Nachtwache“. Der gebürtige Düsseldorfer ist der Leiter Bildende Kunst in dem Nationalmuseum: „Niemals zuvor wurde das Bild so gründlich untersucht. Wir haben jede Menge Fragen und hoffen durch die Restaurierung auf Antworten.“ Zu den Fragen gehören zum Beispiel diese: Wie setzt sich die Leinwand von Rembrandts größtem erhaltenen Gemälde zusammen? Wo sind die im Jahr 1715 abgeschnittenen Teile des Bildes geblieben? „So etwas werfe ich ja nicht einfach weg“, mutmaßt Weber. Wurden Teile übermalt? Gab es neben Rembrandt weitere Künstler, die um 1642 an der Entstehung der „Nachtwache“ mitwirkten? Operation Nightwatch hat am 8. Juli 2019 mit einem Makro-XRF-Scanner begonnen, der das 3,79 Meter hohe und 4,53 Meter breite Gemälde Millimeter um Millimeter abtastet und mit 56 einzelnen Scans Hinweise auf die Farbpigmentierung geben soll. „Wir werden voraussichtlich Farbschichten erkennen, die unter der Malerei liegen“, sagt Weber.

Bis zum Frühjahr 2020 wird diese Untersuchung dauern. „Dann stellen wir wie bei einem Arztbesuch die Diagnose und planen die Restaurierung des Bildes“, sagt Weber. Ein internationales Team aus 25 Kunsttechnikern, Kunsthistorikern, Fotografen und Restauratoren, arbeitet an der Operation Nightwatch. Sie kann von den Besuchern des Rijksmuseums live verfolgt werden. Das Gemälde ist während der Arbeiten von einer gläsernen Kammer aus speziellem, klarem Glas umgeben. Überdies wird alles im Web übertragen. 2,3 Millionen Besucher kommen jährlich ins Reichsmuseum, die meisten wohl wegen Rembrandts „Nachtwache“, die mit vollständigem Titel „Die Kompanie von Kapitän Frans Banning Cocq und Leutnant Willem van Ruytenburgh macht sich bereit zum Ausrücken“ heißt. Doch warum übt das Gruppenporträt auch heute noch so eine Faszination aus? „Rembrandt hat Bewegung in dieses Bild gebracht“, meint Weber. „Außerdem spielt er mit Licht und Schatten.“ Vor fast 400 Jahren gemalt, wirkt das Bild wie ein heutiges Schnappschussfoto.

Ortswechsel nach Leiden, Rembrandts Geburtsort: Hier ist auf den Spuren des Malers viel Fantasie gefragt. Denn sein Elternhaus im Weddesteeg wurde längst abgerissen, um Platz für Wohnblocks zu schaffen. Lediglich eine kleine Gedenktafel an der Hausfassade erinnert an das Malergenie. „Und doch kann man sich vorstellen, wie Rembrandt hier aufwuchs und die Umgebung seines Geburtshauses erlebte“, erläutert Marike Hoogduin. Die Kunsthistorikerin ist mit ihren Gästen auf der zweistündigen Rembrandt-Route unterwegs. Nur ein paar Meter vom Geburtshaus entfernt war einst der Hafen Leidens mit den Segelschiffen. In der Nachbarschaft standen auch die Kornmühlen von Rembrandts Vater, an die heute die im alten Stil errichtete Bockwindmühle De Put erinnert. Bis 1631 lebte Rembrandt in Leiden und besuchte die Lateinschule in der Lokhorststraat, ehe er im Alter von 25 Jahren nach Amsterdam übersiedelte. 350 Jahre nach seinem Tod kehren Rembrandts Werke in dessen Geburtsort zurück: Das Museum Lakenhal widmet dem größten Sohn der Stadt die Sonderausstellung „Der junge Rembrandt, die Jahre 1624 bis 1634“ (3. November bis 9. Februar 2020). 40 Gemälde, Zeichnungen und Drucke werden in den Räumen der ehemaligen Tuchhalle präsentiert.

Die Bilder stammen aus Museen und privaten Sammlungen, zum Beispiel aus Berlin, Oxford, New York und Los Angeles. „Das wird für Leiden ein besonderes Ereignis“, freut sich Kunsthistorikerin Hoogduin. Schließlich verfügt das Museum Lakenhal in der eigenen Sammlung nur über zwei Gemälde aus Rembrandts früherer Schaffensperiode. (dpa)

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