Shiffrin macht’s wie Vonn

<p>Shiffrins Emotionen wirkten echt.</p>
Shiffrins Emotionen wirkten echt. | afp

Mikaela Shiffrin hustete und weinte, sie kam sich selbst schon „fast lächerlich“ vor – und heulte doch noch mehr. Als die letzte Träne nach ihrem bemerkenswerten Slalom-Triumph endlich getrocknet schien und die letzte Frage gestellt war, setzte die Königin der Ski-WM in Are sogar noch einen drauf.

„Emma, kannst du hier hochkommen?“, krächzte Shiffrin, ihre von einer „leichten Lungenentzündung“ geschwächte Stimme brach weg wie draußen die aufgeweichte Piste. Und Emma Lundell, ein 17-jähriges schwedisches Mädchen, nach überstandener Leukämie-Erkrankung derzeit krebsfrei, setzte sich neben die beste Skirennläuferin der Gegenwart aufs Interview-Sofa. „Du bist eine meiner größten Inspirationen“, sagte nicht etwa Emma, sondern Shiffrin, „du bist wie ein Engel für mich, der mich an die wichtigen Dinge im Leben erinnert.“ Der Rest war Husten und Schluchzen.

Shiffrin inszenierte ihren letzten Auftritt in Are, als hätte sie von der in Schweden abgetretenen Lindsey Vonn gelernt. Zum Superstar, hatte die langjährige „Drama Queen“ ihren potenziellen Erbinnen wenige Tage zuvor hinterlassen, brauche es mehr als Siege auf der Piste: „Es geht darum, alles zu tun, was du kannst, um den Erfolg zu promoten. Das ist ein Teil deines Jobs.“

Und Shiffrin, die immer noch erst 23 Jahre alte „Wonder Woman“ des alpinen Skisports, lieferte die perfekte Story. Emma war elf und schien unheilbar krank, als sie Shiffrin nach deren erstem Weltcup-Sieg kurz vor Weihnachten 2012 just in Are um ein Autogramm bat. Shiffrin erfüllte den Wunsch, kam mit ihrem Fan ins Gespräch und erfuhr von Emmas Schicksal. Sie sprach dem Kind Mut zu im Kampf gegen deren mörderischen Gegner – und lernte, dass es mehr im Leben gibt als schnell Ski zu fahren. Zwei Jahre später hatte Emma die Krankheit überstanden, der Kontakt zu Shiffrin riss nie ab. „Ich weiß nicht, ob ich es jemals schaffen werde, dir zu erklären, was es mir bedeutet, aber ich bin so glücklich, dass du hier bist“, sagte Shiffrin. Und obwohl sie genau wusste, dass die Reporter im Publikum dieses Rührstück hinaus in die Welt tragen würden, hatte es nichts von einer billigen Inszenierung. Shiffrins Emotionen wirkten echt, ihre Zuneigung zu „Engel“ Emma nicht gespielt.

Der ganze Tag war ein einziges Drama, ein „riesiger Kampf“, wie Shiffrin sagte. Nach Gold im Super-G und Riesenslalom-Bronze erwarteten alle den nächsten Sieg. Doch Shiffrin erkrankte über Nacht, weinte schon vor dem Start und lag zunächst nur auf Rang drei. An das Finale, in dem sie in einem fast übermenschlichen Kraftakt als erster Skirennfahrer einen WM-Titel zum dritten Mal (!) in Serie erfolgreich verteidigte, habe sie keine Erinnerung mehr, sagte sie später: „Ich habe versucht, meine Zweifel zu besiegen.“ Im Ziel blieb ihr die Luft weg, Shiffrin sank entkräftet in den Frühlingsschnee.

War diese siebte (!) Goldmedaille bei Großereignissen ihr größter Sieg? „Ich weiß es nicht, aber einer der süßesten“, sagte Shiffrin und steckte sich ein Hustenbonbon in den Mund: „Wissen Sie, ich kann hier sitzen und über Medaillen oder Enttäuschungen reden, aber es geht doch um viel mehr im Leben.“

(sid)

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