NRW-Landtag streitet über Corona-Kredite

<p>Thomas Kutschaty (r.), Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, spricht während der Generaldebatte zum Haushaltsentwurf zum Plenum.</p>
Thomas Kutschaty (r.), Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, spricht während der Generaldebatte zum Haushaltsentwurf zum Plenum. | Foto: Roland Weihrauch/dpa

Noch im März hatten alle fünf Fraktionen im NRW-Landtag einmütig und Ruck-Zuck einen beispiellosen Rettungsschirm zur Bewältigung der Coronakrise beschlossen. Von dieser Einigkeit ist sechseinhalb Monate später nichts mehr zu spüren. Vielmehr ist ein Streit darüber entbrannt, wofür die schwarz-gelbe Landesregierung die 25 Milliarden Euro verwendet.

Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) zumindest war am Mittwoch stolz, als er den Haushaltentwurf für 2021 im Landtag einbrachte. Trotz Coronakrise sei NRW finanziell handlungsfähig geblieben. Die Haushaltsarchitektur habe ihren „ultimativen Krisentest als stabiles Grundgerüst bestanden“, so Lienenkämper. Insgesamt 6,8 Milliarden Euro aus dem Corona-Rettungsschirm seien bereits als schnelle Hilfe mobilisiert worden. „Es darf kein Zweifel entstehen, dass wir alles Verantwortbare tun werden, um diese Krise zu überwinden.“

Die Corona-Hilfen findet auch die Opposition im Prinzip richtig. SPD und Grüne stören sich allerdings daran, dass Lienenkämper von einem allgemeinen Haushalt „ohne Neuverschuldung“ spricht. Denn zum Ausgleich der coronabedingten milliardenhohen Steuermindereinnahmen müssen sehr wohl Kredite aufgenommen werden. Das räumt auch Lienenkämper ein.

Dafür wird aber der Rettungsschirm herangezogen, der vom allgemeinen Haushalt abgetrennt ist. NRW plane allein 2021 zum Ausgleich der Steuerausfälle eine Verschuldung im Rettungsschirm in Höhe von 5,1 Milliarden Euro, sagt Lienenkämper. Auch 2022 sind noch einmal Schulden im Rettungsschirm eingeplant.

„Klar ist: Jeder Rettungs-Euro muss auch wieder zurückgezahlt werden“, sagte Lienenkämper. „Das sind wir nachfolgenden Generationen schuldig.“ Ab dem Jahr 2024 werde der Einstieg in die Tilgung der Schulden angepeilt.

„Dass Sie von einem schuldenfreien Haushalt fabulieren, dass muss man sich erst mal trauen“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. In Wahrheit mache Schwarz-Gelb die höchste Neuverschuldung seit rund zehn Jahren. Dass Geld zur Bewältigung der Coronakrise ausgegeben werde, findet Kutschaty richtig. Er kritisiere nur, wofür das Geld ausgegeben werden. „Corona führt dazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich in unserem Land noch weiter auseinandergeht.“ Auch der Grünen-Politiker Mehrdad Mostofizadeh sagte, die Krise habe nicht alle gleich getroffen.

Traditionell wird die Haushaltsdebatte auch für Frontalangriffe gegen die Landesregierung genutzt. Kutschaty warf der Regierung Verschwendungssucht und Laschet Abgehobenheit vor. Alle Parteien jonglierten mit Zahlen, um ihre Argumente zu bekräftigen.

Die Ausgaben der Staatskanzlei seien von 125 Millionen Euro im Jahr 2016 auf knapp 360 Millionen im Jahr 2021 fast verdreifacht worden, sagte Kutschaty. Aus dem Finanzministerium hieß es daraufhin, Ursache dafür sei die noch von der rot-grünen Vorgängerregierung beschlossene Sportförderung in Höhe von 174 Millionen Euro. Kutschaty bemängelte auch, dass innerhalb von drei Jahren mehr als 770 neue Stellen in der Ministerialbürokratie geschaffen worden seien. „Sie bauen also jedes Jahr ein neues Ministerium auf. Nur weiß niemand, wofür.“

SPD und Grüne kritisierten, dass die Landesregierung die Kommunen „im Regen stehen“ lasse. Die Kommunen hätten durch Corona massive Mehrbelastungen, so Kutschaty. Doch anstatt die Finanzen angesichts der coronabedingten massiven Gewerbesteuerausfälle aus dem Rettungsschirm auszugleichen, gebe es nur neue Kredite für Städte und Gemeinden, sagt Kutschaty. CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen rechnet daraufhin vor, die Kommunen hätten mehr als acht Milliarden Euro mehr zur Verfügung als zu rot-grüner Regierungszeit.

Der Haushaltsentwurf 2021 hat ein Volumen von fast 82 Milliarden Euro. NRW muss in Folge der Corona-Pandemie allerdings bis einschließlich 2023 mit insgesamt rund 20,7 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als erwartet. Allein für dieses Jahr sind laut Prognose Mindereinnahmen von mehr als 6,1 Milliarden Euro zu verkraften.

FDP-Fraktionschef Christof Rasche bekräftigte, jeder Euro aus dem Rettungsschirm werde ausschließlich für die die Behebung der wirtschaftlichen Schäden der Coronakrise verwendet, und das auch im Haushalt.

Nach Ansicht von AfD-Fraktionschef Markus Wagner hat die Politik die Menschen in der Corona-Pandemie mit ihrem Fokus auf die Infektionszahlen „nachhaltig verunsichert“. Freiheits- und Selbstbestimmungsrechte seien eingeschränkt worden. Gleichzeitig sagten Ökonomen eine Pleitewelle voraus. (dpa)

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