„Jede Krise ist eine Krise des Systems“

Mit Begeisterung habe ich dieses Interview von Oswald Schröder mit Egon Zeimers gelesen. Hier wird der Finger nicht nur auf einen wunden Punkt, sondern auf ein wundes, verwundetes Lebensgefühl, eine ungesunde Denkweise gelegt. Das geht einen jeden an. Einerseits bewundere und bedauere ich Politiker in diesen Zeiten und andererseits sage ich: Ihre Art zu überlegen und zu handeln spiegelt nur unser eigenes verdrehtes und verkorkstes Denken und Verhalten wider. Eine ganze Gesellschaft lebt von der Hand in den Mund, handelt kurzsichtig, nur um das Unmittelbare besorgt, von Rivalitäten ganz zu schweigen. Es fehlt ein Blick für das Ganze und Langfristige.

Zu diesem Ganzen und Langfristigen gehört auch die Religion, gehören die Religionen. Sie stehen in unserer Gesellschaft nicht hoch im Kurs, weil sie nur allzu oft, allzu lang missbraucht wurden, sich auch allzu bereitwillig missbrauchen ließen, um Machtverhältnisse zu stabilisieren. Was sie dem Menschen aber in Wirklichkeit geben können, könnte heute neu entdeckt werden: das Gespür für das Größere, für das Ganze, das heißt nichts anderes als Selbstlosigkeit und damit verbunden eine Kraftquelle, aus einem inneren Antrieb heraus zu handeln und nicht nur durch eine Rübe gelockt oder durch eine Rute getrieben.

Kommentare

  • Religionen sind das Letzte, was die Menschheit jetzt braucht - es gibt schon genug Märchengeschichten... wollenwir etwa wieder ins dunkelste Mittelalter zurück?
    Oder mit den Worten von Victor Stenger (paraphrasiert): Mit Religion fliegt man in Gebäude, mit Wissenschaft zum Mond.

  • Tja, dumm nur Herr Calles, dass gerade die christliche Religion (und nicht nur die) das von Ihnen zurecht kritisierte Prinzip "von der Rübe gelockt und von der Rute getrieben" bereits in ihren "offenbarten" Texten zementiert und 2000 Jahre auch so zelebriert hat.

    Besser kann man das Schüren der Hoffnung auf das unendliche Dasein in Gottes Paradies und den Fluch einer ewigen Verdamnis in der Hölle nicht übersetzen.

    Wenn es um Systemkritik geht, sollte nach den gesellschaftlichen und politischen Fehlentwicklung die unheilvolle Knechtschaft der Religionen mit ihren uneinlösbaren Heilsversprechen mit ins Fadenkreuz genommen werden.

    Um "das Größere, das Ganze" wieder in den Blick zu nehmen bedarf es in der Tat einer selbstlosen und selbstkritischen Offenheit.

    Gerade die haben die Religionen, ihre Institutionen und Vertreter - weil es dem Kern ihrer Lehre entspricht - 2000 Jahre vermissen lassen.

    "Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
    (Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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