Spanien: Gesundheitswesen oder die Chronik eines angekündigten Todes

<p>Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stieß das Gesundheitssystem Spaniens sehr schnell an seine Grenzen.</p>
Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie stieß das Gesundheitssystem Spaniens sehr schnell an seine Grenzen. | Foto: dpa

„Das spanische Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt“, schrieb eine Versicherungsgesellschaft noch Anfang des Jahres. Dann brach die Corona-Pandemie über dem Land zusammen und das Gesundheitssystem ging in die Knie.

Das drastische Sparprogramm der Jahre nach der Finanzkrise 2008/2009 hatte tiefe Lücken gerissen. Schon vor der Finanzkrise gab das Land mit sieben Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) weniger für die Gesundheit aus als Länder wie Deutschland. Im laufenden Haushalt sind es nur noch gut sechs Prozent. Milliardeneinsparungen, deren Folgen durch Corona auf dramatische Weise sichtbar wurden.

Spanien verfügt über viel weniger Krankenschwestern und -pfleger als vergleichbare europäische Länder.

„Es ging schlagartig. An einem Samstag wurde ein Patient mit Verdacht auf Lungenentzündung gebracht“, berichtete die Zeitung „El País“ aus einem Krankenhaus der katalanischen Stadt Igualada, eine der ersten im März schwer getroffenen Regionen Spaniens. Nur vier Tage später waren damals 80 Gesundheitsmitarbeiter des Spitals an Covid-19 erkrankt, zwei Wochen später waren schon 400 Mitarbeiter erkrankt oder in Quarantäne, fast die Hälfte des gesamten Personals. Dabei verfügt Spanien ohnehin schon über viel weniger Krankenschwestern und -pfleger als vergleichbare europäische Länder.

Unterdessen füllten sich die Krankenhäuser, Corona-Patienten mussten quälend lange auf der Straße oder auf den Fluren warten, bis sie an der Reihe waren, manche legten sich vor Erschöpfung einfach auf den Fußboden, als Kopfkissen nur ihre Jacke. Zeitweise starben bis zu 1.000 Patienten landesweit mit Corona - pro Tag.

Am Anfang fehlte es in vielen Krankenhäusern an allem: Schutzkleidung für die Gesundheitsmitarbeiter, Testmöglichkeiten, Beatmungsgeräte und manchmal sogar an Trinkwasser für das Pflegepersonal und die Ärzte, wie die Krankenschwester und Gewerkschafterin Mercedes Romero im Krankenhaus Severo Ochoa in Madrid in einem Video im April anprangerte. „Jetzt kommt durch Covid-19 die Quittung für die jahrelangen Einsparungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit“, klagte sie.

Zwar versprach Gesundheitsminister Salvador Illa, die Ausgaben für den Gesundheitssektor würden von derzeit 5,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mittelfristig wieder auf das Niveau von vor der Finanzkrise angehoben. Auch sollen mehr Schutzmaterial wie etwa Masken sowie Beatmungsgeräte im Land produziert werden. Aber alle schönen Pläne werden seit Mitte Juli von einer unerwartet frühen und heftigen Zunahme der Corona-Zahlen überrollt. In den vergangenen sieben Tagen wurden rund 46.000 Neu-Infektionen registriert und fast 100 Tote mit Covid-19. Insgesamt haben sich damit seit Beginn der Pandemie in Spanien mehr als 405.000 Menschen mit dem Virus infiziert.

Inzwischen schlagen die Gesundheitszentren Alarm. Sie stünden angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen und der wieder zunehmenden Zahl an Covid-19 erkrankter Patienten in manchen Regionen schon wieder vor dem Kollaps. Die Lage sei vor allem in Aragón, Katalonien, im spanischen Baskenland und in der Hauptstadt Madrid „alarmierend“, dort gelangten die Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenze, sagte der Präsident der Gesellschaft der Familienärzte, Salvador Tranche, dem TV-Sender RTVE.

Es fehle vor allem an Personal, klagen auch Gewerkschaften und Berufsverbände. Viele Krankenpfleger und Ärzte seien noch wegen der ersten Corona-Welle krank geschrieben oder nicht voll einsatzfähig. Und viele hatten kaum Zeit, sich von den Strapazen und dem psychologischen Stress der Monate März und April zu erholen, schrieb die Zeitung „La Vanguardia“.

„Der Ausgangspunkt war schon von Defiziten geprägt, und die Pandemie hat uns nun in eine extrem delikate Lage gebracht“, warnte Tranche. „Es ist die Chronik eines angekündigten Todes“, klagte der Allgemeinmediziner. (dpa)

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