„Keine Ratten mehr in der Wohnung“: Lukakus Weg zum Weltstar

<p>Mit seinen beiden Toren ebnete Lukaku den Weg von Inter Mailand in das Endspiel.</p>
Mit seinen beiden Toren ebnete Lukaku den Weg von Inter Mailand in das Endspiel. | Fotos: belga

Als er sechs Jahre alt war, gab Romelu Lukaku seiner über die Armut weinenden Mutter ein Versprechen. Mit 16 werde er Profi in Anderlecht, und dann werde „sich alles ändern“, habe er gesagt, berichtete der Stürmer in einem Beitrag für die US-Sportseite „The Players' Tribune“ schon 2018. „Uns wird es gut gehen. Du musst dir keine Sorgen mehr machen müssen.“ Wie recht er hatte. Im Halbfinale der Europa League in Nordrhein-Westfalen gehört der Belgier in Diensten von Inter Mailand zu den großen Stars.

Am Freitag könnte Lukaku endgültig Erinnerungen an Ronaldo wecken.

Am Montag traf er nach seiner Viertelfinal-Gala gegen Bayer Leverkusen mit Inter gegen Schachtjor Donezk – und war wieder entscheidend. Mit zwei Toren ebnete der Ex-Anderlechter seiner Mannschaft den Sieg in das Endspiel. Schon beim Endspiel am Freitag gegen den FC Sevilla (21 Uhr) könnte Lukaku endgültig Erinnerungen an Ronaldo wecken. Der brasilianische Mega-Star, zweimaliger Weltmeister und dreimaliger Weltfußballer, erzielte in seinem Premieren-Jahr für die Mailänder 1998 insgesamt 34 Pflichtspiel-Tore – und gewann mit dem Verein am Ende den UEFA-Cup. Es war der bis heute letzte Titel in diesem Wettbewerb. Lukaku steht seit Montagabend bei 33 Pflichtspiel-Toren.

<p>Lukaku kommt auf 33 Saisontore.</p>
Lukaku kommt auf 33 Saisontore.

Zuletzt sprach schon Leverkusen-Keeper Lukas Hradecky sprach von einer „Monsteraufgabe“ gegen Lukaku, mit 52 Toren der erfolgreichste Torschütze, der jemals das Trikot der belgischen Nationalmannschaft getragen hat. Mit 27 ist er einer der weltbesten Stürmer, weil er vieles vereint. Trotz seiner körperlichen Wucht ist er beweglich und schnell. Trotz seiner Torgefahr und Zielstrebigkeit spielt er sehr mannschaftsdienlich. Er hat die Erfahrung aus guten und schlechten Zeiten seiner Profikarriere. Und die Demut beim Blick auf das Leben davor.

Profi zu werden, habe er beschlossen, als seine Mutter die Milch mit Wasser verdünnen musste, berichtete Lukaku im „Players' Tribune“-Beitrag: „Ich konnte meine Mutter nicht so leben sehen. Nein, nein, nein.“ Sein Vater Roger war Profi gewesen und sogar Nationalspieler Zaires, doch Geld aus der Karriere war keines übrig geblieben. Wochenlang wurde der Strom abgestellt, das Kabelfernsehen mit der Champions League sowieso. Im Dunkeln habe er Gebete gesprochen, dass sein Traum in Erfüllung geht, erzählte Lukaku. „Ich wollte der beste Fußballer in der belgischen Geschichte sein. Nicht gut. Nicht groß. Der beste“, sagte Lukaku: „Ich habe mit so viel Wut gespielt, wegen vieler Dinge. Wegen der Ratten, die in unserer Wohnung herumrennen. Weil ich die Champions League nicht sehen konnte. Weil die anderen Eltern mich immer angesehen haben.“ Auch das Thema Rassismus begleitete Lukaku sein Leben lang.

Ein Wunsch bleibt dem bulligen Angreifer aber unerfüllt.

Er biss sich durch. Am 16. Geburtstag unterschrieb er seinen ersten Profivertrag beim RSC Anderlecht. Elf Tage später – am 24. Mai 2009 – debütierte er in einem Entscheidungsspiel um die Meisterschaft gegen Standard Lüttich. Als er belgischer Meister, Torschützenkönig der 1. Division und Nationalspieler war, war er immer noch erst 16 Jahre alt.

Die Karriere lief danach nicht immer gradlinig. Beim FC Chelsea schaffte er den Sprung als 18-Jähriger nicht. Auch bei Manchester United gab es Höhen und Tiefen, weswegen er den 65-Millionen-Euro-Transfer zu Inter mit einem Trainingsstreik erwirkte. In Mailand startete er dann dermaßen durch, dass viele glauben, Inter könne im kommenden Jahr die Meisterserie von Juventus Turin nach neun Titeln in Folge beenden. Schon in dieser Saison fehlte nur ein Punkt. Zuvor könnte Lukaku mit Inter den ersten Sieg im kleinen Europacup seit 22 Jahren schaffen.

Ein Wunsch bleibt dem bulligen Angreifer – in der Vergangenheit trotz seiner starken Leistungen mit einem schweren Stand bei den Fans der Nationalmannschaft – aber unerfüllt. Gerne würde er seinen verstorbenen Opa anrufen und ihm von seinem neuen Leben erzählen. „Siehst du? Ich habe es dir gesagt“, würde er sagen: „Deiner Tochter geht es gut. Es gibt keine Ratten mehr in der Wohnung. Und wir müssen nicht mehr auf dem Boden schlafen.“ (mn/dpa)

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