Persönliche Erinnerungen an Heinz Warny

<p>So kannte man ihn: Heinz Warny in seinem Redaktionsbüro im GrenzEcho. Foto: GE-Archiv</p>
So kannte man ihn: Heinz Warny in seinem Redaktionsbüro im GrenzEcho. Foto: GE-Archiv

„Die Leute verstehen schon, was gemeint ist.“ Kaum ein Satz aus dem Munde Heinz Warnys könnte die große Gelassenheit besser beschreiben, mit der er ausgestattet war. Wieder einmal hatte ich als junger Journalist gemeint, ihn auf einen Fehler aufmerksam machen zu müssen. Für ihn gehörten Fehler zum Menschsein einfach dazu, für ihn zählte wesentlich mehr die allgemeine Richtung, der Weg, den er ebenso beharrlich wie unbeirrt ging: egal, wie hoch die Wogen schlugen und wie aufgeregt man um ihn herum sprang.

Heinz Warny war gerade einmal 20 Jahre jung, als er Journalist beim GrenzEcho wurde. Es sollte seine letzte Arbeitsstelle bleiben. 20 Jahre lang begleitete er als Journalist das politische Geschehen von St.Vith über Eupen und Brüssel bis nach Berlin und New York, ehe er selbst 1985 die Leitung der Redaktion der mittlerweile einzigen Tageszeitung in deutscher Sprache in Belgien übernahm. In dieser Funktion blieb Heinz Warny dem GrenzEcho bis Ende des Jahres 2004 treu, als er selbst in Rente ging.

Ruhestand wäre das falsche Wort, denn den Griffel zur Seite legen mochte der unermüdliche Schreiber nicht. Bis zuletzt lieferte er Beiträge für das GrenzEcho-Magazin: Historisches, aber auch Berichte über die Entwicklungen in der Autobranche, eines seiner Hobbys, neben dem Tennis.

Man schrieb das Jahr 1965, als der junge St.Vither zum GrenzEcho stieß. Im gleichen Jahr verließ der erste Chefredakteur, Henri Michel, die Kommandobrücke und übergab das Ruder an Heinrich Toussaint, von dem Heinz Warny später übernehmen sollte. So wie Michel vom Vorkriegs- und vom Kriegsgeschehen geprägt war – er war jahrelang im KZ Sachsenhausen inhaftiert – so war auch Heinz Warny das Kriegsschicksal sprichwörtlich in die Wiege gelegt worden: Er wurde auf der Flucht geboren, kurz nachdem seine Heimatstadt St.Vith, der er zeitlebens seine Treue erwies, im Bombenhagel der Weihnachtstage 1944 dem Erdboden gleichgemacht worden war.

Heinz Warny erlebte, wie man in Belgien anfing, sich zuerst als Flame oder Wallone, und erst dann, wenn überhaupt, als Belgier zu fühlen. Er selbst war von solchen Zweifeln nie geplagt: Nüchtern und heimatverbunden beobachtete er das Geschehen, in seinen unzähligen Kommentaren analysierte er es: als Belgier. Die Distanz, die er immer zu wahren wusste, spiegelte sich nicht nur in seiner körperlichen Größe wider. Das Schmunzeln, das oft um seinen Mund spielte, war ebenfalls ein Ausdruck dieser gewollten Distanz, der, auf der anderen Seite, seine Herzlichkeit und seine unerschütterliche Treue entgegenstanden.

Selbst als ich das GrenzEcho nach nur wenigen Monaten als junger Journalist im Zorn verlassen hatte, weil mir die Umstellung auf eine politisch offene, pluralistische Zeitung – die Heinz Warny zu verantworten hatte – nicht schnell und konsequent genug umgesetzt wurde, nahm er mich wieder auf, als ich kurze Zeit später erneut an seine Tür klopfte. Nahezu geräuschlos ließ er mich wieder in der Redaktion Platz nehmen. Genauso unterstützte er mich wenig später, als ich ihm vorschlug, die nach Kurt Grünebaums Tod frei gewordene Stelle in Brüssel wieder zu besetzen. Obschon mir die Größe der Fußstapfen bewusst war. Es sollten vier arbeitsintensive und bereichernde Jahre für mich werden, in denen er mir alle Freiräume der Welt ließ und mich lediglich einbremste, wenn die Pferde mit mir durchzugehen drohten.

Nicht nur für mich war Heinz Warny der ruhende Pol, der, auf den man sich blind verlassen konnte, der, der immer da war, der, der unermüdlich in die Tasten griff. Er war jemand, der natürlich führte, der den Weg wies, dadurch, dass er ihn ging: ohne viele Worte. Schwer, ihn zu übersehen, allein schon wegen seiner Größe. Aber auch wegen seinen Taten, wegen seiner Verlässlichkeit, seiner Konstanz, seiner Unaufgeregtheit. Gewürzt wurde diese in sich ruhende Persönlichkeit durch seinen ganz eigenen Humor aber auch durch eine gewisse Sturheit und seine Präsenz, die so solide war, dass man meinen musste, sie würde nie enden.

<p>Ein „Herbie“ für den Auto-Fan: Neben einer Urkunde erhielt Heinz Warny (r.), zu dessen Spezialgebiet Autos und Autotests gehören, aus den Händen des damaligen GE-Verlegers Alfred Küchenberg anlässlich der Verleihung des Kurt-Grünebaum-Preises die Miniaturausführung eines VW Käfers.</p>
Ein „Herbie“ für den Auto-Fan: Neben einer Urkunde erhielt Heinz Warny (r.), zu dessen Spezialgebiet Autos und Autotests gehören, aus den Händen des damaligen GE-Verlegers Alfred Küchenberg anlässlich der Verleihung des Kurt-Grünebaum-Preises die Miniaturausführung eines VW Käfers. | Foto: GE-Archiv

In der Tat: Selbst nach seinem Ruhestand konnte er nicht aufhören, die belgische Presse jeden Morgen zu studieren, so wie er das Jahrzehnte lang getan hatte. Und so bot er immer wieder und bis ganz zuletzt seine Themen an. „Anregung“ oder „HW fragt nach“ waren seine Mails an mich, seinen späten Nachfolger, nicht selten überschrieben. Nachdem er mit seiner Verrentung 2004 selbst Teil der GrenzEcho-Geschichte geworden war, wurde die Geschichte mehr und mehr zu seinem Steckenpferd, auch wenn er immer noch seine Liebe zum Automobil mit seiner Liebe für das Reisen zu verbinden wusste.

2012 wurde ihm verdientermaßen der Kurt-Grünebaum-Preis überreicht.

Aus dem Tagesgeschehen ausgeschieden, dessen Hektik immer an ihm abzuprallen schien, verließ er auch das Format der Meldungen, der kurzen Kommentare und der längeren erklärenden Texte, die er jahrzehntelang zur Tageszeitung beigesteuert hatte und widmete sich mehr dem Buchformat.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass Heinz Warny verdientermaßen im Jahr 2012 der Kurt-Grünebaum-Preis überreicht wurde. Für ihn war in der Tat einer der zentralen Aufträge des GrenzEcho, wenn nicht gar seine Daseinsberechtigung, den ostbelgischen Lesern Belgien und seine vielschichtige Politik näherzubringen und zu erläutern. Kein Wunder, angesichts seiner Karriere, dass Heinz Warny seinen Kollegen und Vorgängern Henri Michel und Kurt Grünebaum zwei seiner Bücher widmete. Mit „Lebensbilder“ zeichnete Heinz Warny das Leben und Wirken einflussreicher Ostbelgier nach und koordinierte eine Gruppe von Autoren, so wie er es fast 20 Jahre lang als Chefredakteur getan hatte. Auch der Medienlandschaft widmete er ein umfangreiches Buch.

Es wäre aber zu kurz gegriffen, in Heinz Warny nur den Journalisten zu sehen, selbst wenn er es immer vermochte, sein Privatleben von seinem Berufsleben abzuschotten. Heinz Warny war ein liebenswerter Mensch, unaufdringlich, verlässlich, vertrauenswürdig, bescheiden. Ich werde das bis zuletzt bubenhaft-schelmische Lächeln, das seinen Mund so oft umspielte, ebenso wenig vergessen wie seine tiefgründige Liebenswürdigkeit. Mit Heinz Warny ist Ostbelgien um einen in jeder Hinsicht großen Menschen ärmer geworden, wie sie die heutige Zeit leider viel zu selten hervorbringt. Ich verneige mich vor ihm, dankbar, ihn kennen- und viel von ihm gelernt zu haben.

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