Bundesliga-Neustart: „Notbetrieb“ zwischen Hoffnung und Zweifeln

<p>Bundesliga-Neustart: „Notbetrieb“ zwischen Hoffnung und Zweifeln</p>
Illustrationsbild: dpa

Es sollte das Wochenende der großen Emotionen werden. Ohne die Coronavirus-Pandemie hätte am Samstag unter ausgelassenem Jubel der Meister die Schale entgegengenommen, bei den Absteigern wären bittere Tränen geflossen. Wenn nun nach langer Pause der Ball in den leeren Stadien der 1. und 2. Bundesliga wieder rollt, wird es trotzdem emotional - aber anders. Das Gefühlsspektrum reicht von Hoffnung, dass der „absolute Notbetrieb“, wie es DFL-Boss Christian Seifert ausdrückte, funktioniert, bis hin zu Zweifeln und Angst, dass das fragile Konzept doch floppt.

Lange hatten Seifert und seine Mitstreiter bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) für den Wiederbeginn und das Überleben der in ihrer Existenz bedrohten Klubs gekämpft, sich gegen die viele Kritik gewehrt und ein detailliertes Hygiene- und Schutzkonzept erarbeitet. Dieses steht nun auf dem Prüfstand - und Seifert weiß, dass ganz genau hingeschaut wird: „Jedem in der Liga muss klar sein, dass wir auf Bewährung spielen.“

Die Macher sind von ihrem Konzept überzeugt, das strenge Hygiene- und Abstandsregeln sowie engmaschige Testung zum Schutz vor Corona-Infektionen und einwöchige Quarantäne-Camps der Teams vor Saisonstart vorsieht. Die Politik hieß es gut und gab grünes Licht, am Donnerstag werden auf der DFL-Mitgliederversammlung die letzten Weichen für den Restart gestellt - trotz aller Zuversicht will sich der Ligaverband dann aber auch für den Worst Case wappnen.

Einer der vielen Beschlussentwürfe befasst sich mit einem vorzeitigen Saisonabbruch. Wie die Bild-Zeitung berichtete, soll es auch in diesem Szenario in beiden Ligen jeweils einen Meister und zwei Absteiger geben - letzteres sorgt bei den 18 Bundesligaklubs aber für große Uneinigkeit.

Wie der kicker am Mittwoch nach einer Videokonferenz der DFL mit den Erstligisten berichtete, votierten acht Vereine gegen den Antrag des DFL-Präsidiums, auch im Falle eines Saisonabbruchs „am Grundprinzip eines sportlichen Auf- und Abstiegs zwischen der Bundesliga und der 2. Bundesliga und zwischen der 2. Bundesliga und der 3. Liga unter Beibehaltung der Anzahl von jeweils 18 Klubs“ festzuhalten. Zehn Klubs stimmten für den Antrag. Die endgültige Entscheidung soll nun um eine Woche vertagt werden.

Die Verantwortlichen hoffen aber ohnehin, dass ein solcher Plan in der Schublade bleiben kann. Wie fragil das Konzept jedoch ist, dass es auf „tönernen Füßen“ (Max Eberl) steht, hatte der „Fall Dynamo Dresden“ gezeigt. Aufgrund zweier Corona-Infektionen hatte das Gesundheitsamt Dresden das ganze Team des Zweitligisten in eine 14-tägige Quarantäne geschickt. Sollten andere Teams bei Infektionen ebenfalls geschlossen in Isolation müssen, würde es zwangsläufig das Aus für den gesamten Spielbetrieb bedeuten.

„Es gibt sicherlich eine Größe, dann ist das irgendwann nicht mehr machbar“, sagte Seifert im ZDF-Sportstudio. Auch bei einem drastischen Anstieg der Infektionszahlen in Deutschland wäre eine Fortführung der Bundesliga nicht mehr vertretbar.

Die Ansage ist jedoch klar: Bis 30. Juni soll die Saison bestenfalls beendet sein. Mögliche Stolpersteine auf dem Weg will sich die DFL mit diversen Satzungsänderungen aus dem Weg räumen. So könnte es sogar zu Heimspielen in fremden Stadien kommen, sollte dies aus „rechtlichen, organisatorischen und/oder sicherheitstechnischen Gründen“ erforderlich sein, wie aus der Tagesordnung hervorgeht. Ebenso wird über eine Erhöhung von drei auf fünf Auswechslungen pro Spiel abgestimmt.

Normal wird jedenfalls kaum mehr etwas sein. So erwartet Dortmunds Lizenzspielerchef Sebastian Kehl zwischen seinem BVB und Schalke 04 am Samstag (15.30 Uhr/Sky) das „ungewöhnlichste Derby der Geschichte“. Keine Zuschauer, beim Torjubel nur flüchtiger Ellenbogenkontakt oder kurzes Füßeln, Trainer und Ersatzspieler mit Schutzmasken auf der Bank - so sieht der „neue“ Fußball aus. Die Fans können sich an den ersten beiden Spieltagen live ihr eigenes Bild machen, Sky überträgt samstags die Konferenz im Free-TV.

Bei manchen Beteiligten stößt der Neustart jedoch auch auf Kritik. „Wir als Spieler wurden informiert, nachdem alles entschieden war“, klagte etwa Union Berlins Neven Subotic, Marc Lorenz vom Karlsruher SC sieht ein „Durchdrücken ohne Rücksicht auf Verluste“ und verwies auf das hohe Verletzungsrisiko nach der langen Pause. Die Bedenken sind zahlreich - doch noch ist die Hoffnung groß. (sid)

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