Die Bewährungsprobe: Die EU versucht, die Krise zu meistern

<p>Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollen geschlossenes Handeln in Zeiten der Coronakrise.</p>
Ratspräsident Charles Michel und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wollen geschlossenes Handeln in Zeiten der Coronakrise. | Foto: belga

Stirbt die Europäische Union an Corona? Die Frage stellt sich seit Ausbruch der Pandemie, und zeitweise war der Patient wirklich sehr krank. EU-Partner machten Grenzen dicht und verwehrten sich gegenseitig Schutzmasken. Trucker, Pendler und Reisende saßen in Megastaus vor Schlagbäumen fest, wichtige Güter blieben hängen. Im Süden herrscht Bitterkeit über die Knausrigkeit im Norden, im Westen Unbehagen über die harten Einschnitte bei Grundrechten im Osten. Die Union der 27 Staaten wirkte bisweilen wie ein Club der Egoisten.

Beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag wird sich der Streit nicht in Luft auflösen - im Gegenteil, da geht es um komplizierte und sehr grundsätzliche Fragen. Doch hat man sich zumindest in Brüssel entschlossen, das Glas lieber halb voll zu sehen. Eine große Herausforderung? Ja sicher, aber Pessimismus sei nicht angebracht, heißt es aus dem Europäischen Rat. Die EU habe alle Mittel, um die Krise zu meistern. Die Stimmung sei gar nicht so schlecht und ein Kompromiss durchaus möglich.

DIE ANGST VOR DEM ABSTURZ

Es geht beim Gipfel vor allem um eine Frage: Wie bewältigt die EU die dramatische Corona-Wirtschaftskrise? Der Internationale Währungsfonds sagte unlängst voraus, dass die Wirtschaft in der Eurozone dieses Jahr um 7,5 Prozent schrumpfen wird, andere Prognosen sind noch verheerender. Wie viele Jobs verloren und wie viele Firmen pleite gehen, weiß niemand ganz seriös vorherzusagen. Klar ist aber, dass einige EU-Staaten wohl heftiger getroffen werden als andere. Derzeit sieht es für Italien, Spanien und Frankreich am düstersten aus.

GEMEINSAM GEGENHALTEN

Die EU, so viel ist klar, will gemeinsam gegensteuern. Als Beweis, dass die Gemeinschaft sich zusammenraufen kann, wird ein bereits verabredetes Hilfspaket im Umfang von 540 Milliarden Euro genannt. Daran sollen die Staats- und Regierungschefs jetzt noch offiziell einen Haken machen, zum 1. Juni soll es in Kraft treten. Geplant sind Hilfskredite für Kurzarbeiterprogramme, Unternehmen und verschuldete Staaten. Vereinbart wurde darüber hinaus ein „Recovery Fund“, ein Fonds für die wirtschaftliche Erholung. Nur sind noch alle Details offen, auch der Umfang und die Art der Finanzierung.

FANTASTISCHE SUMMEN

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wirbt - in Anlehnung an das US-Nachkriegsprogramm für Europa - für einen „Marshall-Plan“ in Billionenhöhe. Im Gespräch sind Summen von 500, 1000 oder auch 1500 Milliarden Euro. Italien, Spanien, Frankreich und sechs andere Staaten wollten ursprünglich für die Konjunkturspritze reine Gemeinschaftsanleihen mit gemeinsamer Haftung, genannt Corona-Bonds. Der Vorteil für hoch verschuldete Staaten wäre, dass sie Kredite für niedrige Zinsen bekämen. Deutschland und andere Staaten lehnen dies ab und verweisen auf die sogenannte No-Bailout-Klausel in Artikel 125 des Lissabonner Vertrags: Eine gemeinsame Haftung der EU-Staaten für die Staatsschulden einzelner Mitglieder ist darin ausgeschlossen.

MODELLE, MODELLE, MODELLE

Verwirrend wird die Debatte, weil EU-Institutionen trotzdem Schulden für die Gemeinschaft aufnehmen können, so etwa der Eurorettungsschirm ESM, die Europäische Investitionsbank oder auch die EU-Kommission. Die EU-Staaten haften dabei jeweils nur begrenzt. Über diesen Umweg sucht man nun einen Ausweg aus dem Bond-Streit. Frankreich hatte die Idee mit dem Recovery-Fonds im Rahmen des EU-Budgets, der zwar ebenfalls „mit gemeinsamer Schuldenaufnahme“ bestückt werden soll, aber befristet und begrenzt auf die Krisenfolgen. Diese Woche kam Spanien mit dem Vorschlag „ewiger Anleihen“, also Schulden, für die zwar Zinsen fällig werden, die aber keinen Rückzahlungstermin haben. Die EU-Kommission ließ ihrerseits ein Modell kursieren, bei dem sie selbst ebenfalls über Anleihen Geld am Kapitalmarkt aufnimmt und die EU-Staaten dafür über einen Teil des EU-Haushalts bürgen. Von der Leyen will es beim Gipfel vorstellen.

EINE ZUTIEFST POLITISCHE FRAGE

Die Details sind also kompliziert und teils nebulös, aber politisch geht es um etwas Grundsätzliches: Wie viel will die EU gemeinsam machen? Wie weit helfen die Staaten einander? Und wie viel Geld wird über Brüssel umverteilt? Dass die Debatte mit dem ebenfalls heftig umstrittenen siebenjährigen Finanzplan verknüpft ist, macht die Sache nicht leichter.

Doch hat sich die Tonlage zuletzt etwas beruhigt. Die deutsche Bundesregierung spricht beispielsweise nun sehr viel von Solidarität. Die sei auch im Eigeninteresse für die Exportnation Deutschland, sagte Außenminister Heiko Maas der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn weite Teile der EU tief in der Krise stecken - wer kauft dann unsere Produkte?“ Die Erkenntnis, dass eine gut funktionierende EU viel wert ist, könnte auch diesmal den Weg zur Einigung ebnen. Allerdings wird das wohl noch dauern. „Es ist nicht möglich, das in zwei Tagen zu schaffen“, sagt ein EU-Vertreter, der es wissen muss. (dpa)

Kommentare

  • .. ich sehe nichts von einer EU... jedes Land ist sein eigenes Süppchen am kochen.. da kann beim besten Willen nicht von einer EU gesprochen werden..
    .. eigentlich jetzt hätte man sich von der EU viel mehr erwünscht, aber vergebens wie immer...

  • Schaltet die E.U. endlich ab!

  • Nicht Egoismus, Herr Schröder, sondern Conatus. Es ist ein trauriger Anlaß, gewiss, aber endlich haben die europäischen Nationen gezeigt, daß sie (noch) nicht ganz tot sind und sich vom Würgegriff der für Europa tödlichen E.U. befreien können, indem sie aus eigenem Antrieb reagieren. Es geht nicht um die Richtikeit der Entscheidungen, denn in Krisen werden nun einmal Fehler gemacht. Die große Lektion hierbei ist, daß wir feststellen, daß dieses Konstrukt „E.U.“ nicht zu unserem Wohl, sondern nur um unsere Knechtung dient und das vom ersten Tag an. Die E.U. war nicht ein Projekt, das bemüht war, Europa zu stärken, sondern es zu verändern – nicht zum Besseren hin, im Gegenteil. Neben dem wahnsinnigen Verhofstadt haben einige deutsche Politiker, um nur die Geblendesten zu nennen, dies immer wieder betont. Der „Superstaat“ E.U., nicht zuletzt durch seinen Muttikulti-Wahn, ist als Zerstörungsmaschinerie für Europa erschaffen worden. Philippe de Villiers erklärt es in aller Deutlichkeit in seinem Buch „J’ai tiré sur le fil du mensonge et tout est venu“ (2019) – und wir erleben es seit Tag 1, verstärkt seit Maastricht, bzw. dessen Umsetzung, und mit aller Gewalt seit September 2015.
    Die E.U. ist tot, aber sie muß noch sterben. Lang lebe Europa!
    PS: Ob wir hieran etwas können, da wir seit Jahrzehnten in diese Richtung mit Mach 3 gedrängt werden, bezweifle ich jedoch:
    „Eines Tages werden Millionen von Menschen der südlichen Hemisphäre in die nördliche Hemisphäre gehen. Und sie werden nicht als Freunde gehen, sondern um sie zu erobern. Und sie werden sie mit ihren Kindern erobern. Die Becken unserer Frauen werden uns den Sieg verschaffen.“ (algerischer Staatspräsident Houari Boumedienne (1927–1978) im Jahr 1974 vor der UNO-Generalversammlung)
    Die Migration nach Europa ist vor allem in den letzten Jahren (aber seit Jahrzehnten, eigentlich, da sie seit den OPEC-Krisen" in den 70ern orchestriert worden ist) jedoch nichts spontanes gewesen, sondern "social engineered". Alleine die große Verarschung mit den Schiffen im Mittelater beweist es...

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