Iran: Wer kämpft bei der Parlamentswahl im Iran um die Macht

<p>Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, wirft seinen Stimmzettel bei den Parlamentswahlen in die Wahlurne.</p>
Der Oberste Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, wirft seinen Stimmzettel bei den Parlamentswahlen in die Wahlurne. | Foto: Office of the Iranian Supreme Leader/dpa

Für die Parlamentswahl am 21. Februar haben sich drei verschiedene Koalitionen – Reformer und moderate Kräfte, Konservative sowie Fundamentalisten und Hardliner – gebildet, die um die 290 Sitze konkurrieren werden. Hier ein Überblick über die Lager und den Ablauf der Wahl:


Wer konkurriert bei der Parlamentswahl gegen wen?

Im Iran gibt es kein klassisches Parteiensystem, sondern verschiedene Fraktionen. Die beiden wichtigsten sind Reformer und moderate Kräfte, auch Technokraten genannt, sowie die Konservativen. Zu ihnen gehören beispielsweise auch Neokonservative, Fundamentalisten und Hardliner. Die zugelassenen Kandidaten sind alle regimetreu, das heißt, sie verfolgen die ideologische Ausrichtung des Establishments und des obersten Führers, Ajatollah Ali Chamenei. Bei der politischen Umsetzung gibt es jedoch bei allen drei Fraktionen – Reformer, Konservative sowie Fundamentalisten und Hardliner – unterschiedliche Auslegungen. Dies hat in den vergangenen Jahren auch zu großen Differenzen geführt, Bei einem Thema sind sich aber alle einig: die Feindseligkeit mit dem „zionistischen Regime“ Israel.


Welche Politik verfolgen die Reformer und moderaten Kräfte?

Die politische Richtung dieser Koalition ist seit der Präsidentschaft von Hassan Ruhani ab 2013 allgemein bekannt. Ruhani steht für eine Politik der Öffnung zum Westen, um das Land sowohl politisch als auch wirtschaftlich nicht in die Isolierung zu treiben. Die wichtigste Errungenschaft dieser Politik war das Wiener Atomabkommen von 2015. Auch innen- und gesellschaftspolitisch sind sie liberaler im praktischen Umgang mit den strengen islamischen Vorschriften. Auch in kulturellen und technologischen Bereichen wie Film und Internet sind die Reformer für weniger Restriktionen im Land. Außenpolitisch befürworten sie Verhandlungen, auch mit dem Erzfeind USA. Da diese Koalition jedoch in den letzten vier Jahren ihren Einfluss im Parlament nicht konstruktiv nutzen konnte, hat sie bei den Bürgern viel an Kredit verloren.


Wofür stehen Erz- und Neokonservative?

Zum erzkonservativen Lager zählen hauptsächlich Kandidaten, die dem traditionellen Klerus nahe stehen und immer noch an die klassischen Werte des Islams glauben. Sie sind grundsätzlich gegen gesellschaftliche Erneuerung und gegen das, was sie „westliche Kulturinvasion“ nennen. Außenpolitisch sind sie gegen Verhandlungen mit den USA - und teilweise sogar auch mit Europa. Sie waren daher auch von vornherein gegen das Wiener Atomabkommen.

Die Neokonservativen bilden den gemäßigteren Flügel dieses Lager. Auch sie glauben zwar an die islamischen Werte und Kriterien, wollen aber sowohl gesellschaftlich als auch politisch zeitgemäßer vorgehen. Außenpolitisch sind sie zwar nicht so weltoffen wie die Reformer, aber auch sie wissen, dass ohne Verhandlungen mit dem Westen, auch den USA, der Iran sich politisch und wirtschaftlich nicht weiterentwickeln kann und international isoliert wird. Die Neokonservativen haben das Atomabkommen zwar kritisiert, aber auch sie hoffen auf eine Umsetzung des Deals als de facto einzige Option, um die Wirtschaftskrise im Land zu beenden.


Was haben Hardliner und Fundamentalisten gemein?

Sie sind gegen Verhandlungen mit den USA und das Atomabkommen. Sie befürworten eine unbegrenzte Urananreicherung und einen Austritt des Irans aus dem Atomwaffensperrvertrag. Hardliner stehen auch hinter spontanen radikalen Aktionen. Ein Beispiel ist der Angriff auf die britische Botschaft in Teheran im Jahre 2011. Und 2016 setzten ihre Anhänger die Botschaft Saudi-Arabiens in Brand. Nach beiden Vorfällen zahlte der Iran einen politisch und finanziell hohen Preis.


Ist die Parlamentswahl demokratisch?

Am Wahltag schon, im Vorfeld nicht. Der Wächterrat, ein Gremium mit zwölf hauptsächlich erzkonservativen Mitgliedern, kann laut Verfassung über die ideologische Qualifikation der Kandidaten bestimmen und diese auch ablehnen. Die Kriterien des Wächterrats sind seit Jahren umstritten. Dieses Jahr hat der Rat Tausende von Kandidaten aus dem Reformlager abgelehnt. Das führte im Iran zu heftiger Kritik, weil ein nicht demokratisch gewählter Rat eine Wahl dermaßen stark beeinflussen kann.


Hat das Parlament Einfluss auf die politische Entwicklung des Irans?

Das Parlament hat im Iran einen hohen Stellenwert. Die Abgeordneten verabschieden und ratifizieren Gesetze und müssen den jährlichen Haushalt bestätigen. Das Parlament kann Minister einbestellen und sie sogar feuern - auch den Präsidenten. Das Parlament kann auch Gesetzesvorlagen der Regierung ablehnen. Allerdings hat in allen strategischen Belangen der oberste Führer das letzte Wort. Und die wichtigen Entscheidungen werden im nationalen Sicherheitsrat getroffen. Daher hat das Parlament im Zusammenhang mit Themen wie Atomabkommen, Verhandlungen mit den USA oder militärische Angriffe nicht viel zu sagen. Auch die vom Parlament verabschiedeten Gesetze müssen laut Verfassung auf ihre Verfassungskonformität vom Wächterrat bestätigt werden.


Wer liegt in den Prognosen vorne?

Nachdem die meistens Reformer vom Wächterrat abgelehnt worden sind, haben die Konservativen und Hardliner gute Chancen auf ein politisches Comeback nach fast sieben Jahren Abwesenheit. Von einer hohen Wahlbeteiligung würden in der Regel die Reformer profitieren, weil Anhänger der beiden anderen Richtungen definitiv wählen gehen. Die Gewinner in Teheran haben mit ihren 30 Sitzen den größten politischen Einfluss im Parlament.


Von wann bis wann wird gewählt? Wann gibt es erste Ergebnisse?

Die Wahllokale sind landesweit von 8.00 bis 18.00 Uhr Ortszeit (5.30 bis 15.30 MEZ) geöffnet. Voraussichtlich wird das Innenministerium in großen Städten die Wahl wieder bis Mitternacht (21.30 MEZ) verlängern. Die Ergebnisse aus den kleinen Provinzen werden am Samstag bekanntgegeben. In den größeren Städten dauern die Auszählungen bis zu 72 Stunden. (dpa)

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