Kurzer Blick aufs Handy: eine tödliche Gefahr

<p>Noch schnelle eine Nachricht versenden. Schon bei einer kurzen Ablenkung am Steuer drohen erschreckende Folgen.</p>
Noch schnelle eine Nachricht versenden. Schon bei einer kurzen Ablenkung am Steuer drohen erschreckende Folgen. | Foto: dpa

Eine der häufigsten Todesursachen im Straßenverkehr ist die Ablenkung am Steuer. Mit der Popularität des Smartphones wird das Problem stets größer, wie eine neue Studie des Verkehrssicherheitsinstituts Vias unter 6.000 belgischen Verkehrsteilnehmern zeigt. Grund genug für Vias, eine Sensibilisierungskampagne zu organisieren - mit Belgiens Sportlerin des Jahres, Turn-Weltmeisterin Nina Derwael, als Gesicht dieser Aktion gegen den Gebrauch von Mobiltelefonen am Steuer.

Laut Verkehrspsychologen steigt das Unfallrisiko um das Sechs- bis Siebenfache, wenn das Handy an Bord ist. Schon bei Tempo 50 legen wir innerhalb von zwei Sekunden mehr als die Länge eines Tennisplatzes zurück - wer in dieser Zeit aufs Handy schaut, ist 30 Meter blind unterwegs. Wer bei 100 km/h fünf Sekunden aufs Smartphone schaut, durchfährt blind mehr als die Länge eines Fußballfeldes. Zehn bis zwölf Prozent aller Verkehrsunfälle mit Toten oder Verletzten auf belgischen Straßen sind auf Ablenkung des Fahrers zurückzuführen. Bei diesen 4.000 Unfällen im Jahr 2018 kamen 5.000 Personen zu Schaden - 60 von ihnen wurden getötet. Diese Zahlen dürften eine Unterschätzung sein, da die Polizei nach einem Unfall nicht immer in der Lage ist, die genauen Hintergründe und die Art der Ablenkung nachzuvollziehen. Trotz solch erschreckender Erkenntnisse nehmen anscheinend nur wenige Autofahrer das Handyverbot wirklich ernst. Besonders frappierend ist die Haltung der 18- bis 34-Jährigen, wie die Studie von Vias zeigt.

Demnach liest mehr als jeder fünfte junge Fahrer Textnachrichten oder Mails während der Fahrt - das sind doppelt so viele wie bei den 35- bis 54-Jährigen; jeder Sechste gibt zu, am Steuer Nachrichten zu versenden oder Fotos in sozialen Netzwerken zu posten. Im Übrigen lassen sich deutlich mehr Männer während des Fahrens auf diese Weise ablenken als Frauen. Als ob das noch nicht reichen würde: Jeder Achte der 18- bis 34-Jährigen gibt zu, in jüngster Zeit während der Fahrt ein Selfie gemacht oder ein Video aufgenommen zu haben.

Ebenfalls gefährlich - und verboten - ist die Nutzung des Smartphones beim Radfahren. Und dennoch: Fast jeder dritte Jugendliche liest auf dem Rad Textnachrichten. Und mehr als die Hälfte hört Musik mit Kopfhörer, was zwar nicht verboten, aber alles andere als ideal ist, da laute Musik die Wahrnehmung im Straßenverkehr stört.

Gesetzlich erlaubt ist das Telefonieren am Steuer mit einer Freisprechanlage. Deren Nutzer ist innerhalb eines Jahres von 30 auf 40  % unter den Autofahrern gestiegen, bei den Fahrern unter 55 Jahren sogar auf 49  %. In diesem Zusammenhang weist Vias darauf hin, dass negative Effekte, die beim Telefonieren mit dem Handy in der Hand festgestellt werden, auch mit einer Freisprechanlage auftreten (siehe „Hintergrund“).

Mit dem wachsenden Erfolg von Touchscreen-Smartphones ist die Nutzung von Mobiltelefonen am Steuer noch gefährlicher geworden. Die glatte Oberfläche des Touchscreens macht es für den Benutzer unmöglich, die Tasten zu finden, was mehr visuelle Aufmerksamkeit erfordert. Darüber hinaus bietet das Smartphone dem Fahrer weit mehr Funktionalitäten als Anrufe und SMS. Die Risiken für die Verkehrssicherheit sind enorm, da der Fahrer beim Lesen oder Schreiben einer Nachricht z. B. auf Facebook während 40 bis 60 % der Zeit nach unten schaut und den Blick nicht auf die Straße gerichtet hat.

Im Rahmen der Sensibilisierungskampagne wurde eine Charta erstellt, mit der sich Interessenten verpflichten können, ihr Smartphone während der Fahrt nicht zu benutzen: www.toujoursattentif.be

FRAGEN & ANTWORTEN ZUM HANDY AM STEUER


Was sagt das Gesetz?

Die Straßenverkehrsordnung besagt, dass man als Fahrer ein tragbares Telefon in der Hand nicht benutzen darf. Dies ist nur erlaubt, wenn man das Auto geparkt hat oder „stillsteht“. Der Begriff „Stillstand" bedeutet: „Nicht länger als nötig“ stehen bleiben, um jemanden ein- oder aussteigen zu lassen oder das Fahrzeug zu be- bzw. entladen. Das Anhalten an einer Ampel zum Beispiel wird nicht als „Stillstehen“ betrachtet. In Artikel 8.3 der Straßenverkehrsordnung heißt es: „Der Fahrer muss stets in der Lage sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen und das Fahrzeug zu beherrschen.“


Wie hoch ist die Geldbuße?

Das Fahren mit einem Mobiltelefon bzw. Smartphone in der Hand ist in unserem Land verboten. Wer es trotzdem tut – egal ob er telefoniert, Kurznachrichten verschickt oder surft -, riskiert ein Bußgeld. Das bedeutet ein sofortiger Einzug von 116 Euro durch die Polizei. Wenn der Verkehrssünder das verhängte Bußgeld vor Gericht bestreitet und das Gericht den Verstoß als erwiesen ansieht, kann das Bußgeld zwischen 160 und 2.000 Euro liegen. Dieser Betrag wird bei einem Rückfall innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Ein Richter kann auch ein Fahrverbot aussprechen.


Warum ist Handy am Steuer gefährlich?

Wenn man während der Fahrt einen Telefonanruf entgegennimmt oder selbst einen Anruf tätigt,

- wird man plötzlich langsamer, was für die folgenden Autos gefährlich sein kann.

- hat man Schwierigkeiten, die Spur zu halten und gerät von der Fahrbahn.

- verschlechtert sich die Reaktionszeit drastisch: von 1 Sekunde auf 2,2 bis 2,6 Sekunden. Sie ist in etwa mit einem Blutalkoholwert von 0,8 Promille gleichzusetzen. Mit anderen Worten: Ein durchschnittlicher Autofahrer hat eine Reaktionszeit von einer Sekunde. Bei gefahrenen 50 km/h legt man so 14 Meter zurück. Schaut man also nur mal eben aufs Handy, fährt man 14 Meter blind. Der Bremsweg verlängert sich um 14 Meter.

- dauert es länger, bis man eine veränderte Verkehrssituation erkennt.

- sieht man vier von zehn Verkehrszeichen nicht.

- schaut man weniger in die Rückspiegel.

- gewährt man in jedem vierten Fall nicht Vorfahrt, wo man eigentlich sollte.

- achtet man nicht auf schwache Verkehrsteilnehmer und verhält sich rücksichtslos in ihrer Nähe.

Diese Effekte treten auch auf, wenn man mit einer Freisprechanlage telefoniert.


Was ist gefährlicher?

1. Telefonieren mit einer Freisprechanlage: Telefonieren mit einer Freisprechanlage ist zwar gesetzlich erlaubt, doch lenkt ein solches Gespräch ebenfalls vom Fahren ab. Während des Telefonierens hat der Autofahrer viel weniger Aufmerksamkeit für den Verkehr, auch wenn er seine Hände am Lenkrad hält. Die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls verdoppelt sich.

2. Telefonieren mit dem Handy in der Hand: Es ist völlig unverantwortlich, wenn man mit dem Handy am Ohr telefoniert. In diesem Moment wird man nicht nur durch das Telefonat abgelenkt, sondern es wird fast unmöglich, richtig zu lenken und zu schalten. Deshalb ist es Belgien, wie in den meisten anderen Ländern, verboten, mit einem Handy oder Smartphone in der Hand zu fahren.

3. SMS und Surfen am Steuer: Untersuchungen haben gezeigt, dass sich das Unfallrisiko um ein Vielfaches erhöht, wenn man Nachrichten liest oder versendet, im Internet surft oder Videos ansieht. Denn ein Autofahrer benötigt nicht nur seine Aufmerksamkeit und seine Hände, sondern auch seine Augen. Jede Sekunde, die er auf auf den Bildschirm seines Handys schaut, sind seine Augen nicht auf die Straße gerichtet. Eine Sekunde Unaufmerksamkeit kann ausreichen, um einen schweren Unfall zu verursachen. Um eine Nachricht einzugeben, schaut der Fahrer durchschnittlich 5 Sekunden lang nicht auf die Straße. Das erhöht das Unfallrisiko um das 23-Fache.


Ist Reden mit Passagieren genauso gefährlich wie Telefonieren?

Auch das Gespräch mit den Fahrgästen kann den Fahrer ablenken, aber in der Regel ist es nicht annähernd so gefährlich wie das Telefonieren während der Fahrt. Da sich die Fahrgäste im Auto befinden, können sie die Verkehrssituation verfolgen und das Gespräch zu Zeiten, die besondere Aufmerksamkeit erfordern, anpassen. Im Falle eines unerwarteten oder schwierigen Manövers ist es auch einfacher, das Gespräch selbst zu unterbrechen.


Darf man auf dem Fahrrad telefonieren?

Auch Radfahrer und Mopedfahrer (sowie Reiter) gelten im Sinne der Verkehrsregeln als Fahrer. Auch sie dürfen nicht mit dem Telefon in der Hand fahren. Sie gehen die gleichen Risiken ein wie Autofahrer, können einen Unfall verursachen und werden mit einer Geldbuße bestraft. (gz)

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