Von „Flugscham“ und „Plogging“ - Klimaschutz prägt neue Wörter

<p>Das Gefühl, mit schlechtem Gewissen ins Flugzeug zu stehen, hat seit kurzem einen Namen: Flugscham.</p>
Das Gefühl, mit schlechtem Gewissen ins Flugzeug zu stehen, hat seit kurzem einen Namen: Flugscham. | Foto: Roland Weihrauch/dpa

Das Gefühl, mit schlechtem Gewissen ins Flugzeug zu stehen, hat seit kurzem einen Namen: Flugscham. Die Diskussion um Klima- und Umweltschutz schlägt sich auch in der Sprache nieder. Das zeigt das Wörterbuch der Neologismen, also der neuen Wörter. Dafür hat das Mannheimer Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) zum Jahresende eine ganze Reihe von Wortschöpfungen gesammelt.

Im Wörterbuch findet man jetzt etwa den „Elektrotretroller“, auch bekannt als E-Scooter. Den nutzen Menschen, wenn sie etwa zum „Unverpacktladen“ fahren, wo Lebensmittel und andere Waren lose angeboten werden. Dort könnte der umweltbewusste Einkäufer sich Produkte des „Urban Farming“ besorgen. Das sind Gemüse oder Obst aus Anbau auf städtischen Flächen oder Hausdächern.

„Flugscham“ und „Plogging“

Den Schwerpunkt auf Wörtern aus dem Umweltbereich erklärt IDS-Chef Henning Lobin damit, dass das ablaufende Jahr sehr stark von dieser übergreifenden Thematik geprägt worden sei. Die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel habe eine neue, sehr persönliche Qualität erreicht. „Das Thema erfasst sehr viele Bereiche des Alltags, wir fragen, was wir gegen Klimawandel tun können, wie wir im Kleinen Einfluss auf die Zukunft nehmen können.“

Wenn sich Fliegen in Zeiten der Erderwärmung nicht gut anfühlt, drückt sich das in der „Flugscham“ aus. Dies ist nach Lesart der Mannheimer Linguisten ein „unangenehm quälendes Gefühl, das man wegen des hohen CO2-Ausstoßes beim Fliegen empfindet beziehungsweise empfinden sollte“.

Wer am Boden bleibt und sich dort zu Fuß bewegen will, kann das Sportliche mit dem ökologisch Nützlichen verbinden beim „Plogging“. Der Dauerlauf mit Tüte setzt sich aus Jogging und „plocka“ – auf Schwedisch sammeln – zusammen und kann wegen des ständigen Bückens ganz schön anstrengend werden.

„Bowl“ und „Skyr“

Wer sportlich noch eine Schippe drauflegten will, ist ein Kandidat für das „HIIT“ (High-Intensity Intervall Training), ein Fitness- und Ausdauerprogramm mit abwechselnd hoher körperlicher Belastung und kurzen Pausen. Danach darf sich der ausgepowerte Sportler eine „Bowl“ gönnen, also eine Schüssel, die mit Leckereien aus allerlei frischen Zutaten gefüllt ist. Erlaubt ist dann auch der quarkähnliche aus Island importierte „Skyr“, ein dickliches und säuerlich schmeckendes Milchprodukt. Bilder solcher gesunder Mahlzeiten könnte ein „Smombie“ aufnehmen, ein eher unsportlicher Typ, der ständig in sein Smartphone schaut und dabei wie ein Zombie wirkt.

Das IDS sammelt im Deutschen aufgekommene Begriffe und stellt sie in sein Wörterbuch, wenn sie eine gewisse Verbreitung haben. Die Einträge umfassen Bedeutung, Verwendung, Herkunft des Wortes, grammatikalische Angaben sowie Links zu Bildern und Online-Lexika. Auch sinnverwandte Wörter und vertiefende Zeitungsartikel sind dort zu finden.

Option „divers“ für intersexuelle Menschen

Nicht nur Neuschöpfungen, sondern auch Bedeutungsänderungen bestehender Wörter haben die Sprachwissenschaftler im Blick. Beispiel: das altbekannte Wort „divers“ – verschieden. Im Kontext der Debatte um Geschlechtszuweisungen hat es eine neue Bedeutung bekommen. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundestag im vergangenen Jahr neben „männlich“ und „weiblich“ im Geburtenregister auch die Option „divers“ für intersexuelle Menschen ermöglicht.

Lobin nennt als weiteres Beispiel für Bedeutungsänderung und -zuwachs das Verb „wischen“: Das macht nicht nur, wer mit dem Mopp Fußböden reinigt, sondern auch derjenige, der mit einer Handbewegung eine Touchscreen steuert.

Auch Innovationen aus der Medizin und dem Gesundheitswesen spiegeln sich in neuen Wörtern wider. So bezeichnet „PrEP“ die Präexpositionsprophylaxe. Das ist die vorbeugende Einnahme von Medikamenten zum Schutz vor der Ansteckung mit dem Aids-Erreger HIV.

Neu im Neologismenwörterbuch ist auch der „Zungenschrittmacher“, ein bei Schlafapnoe und Schnarchen implantiertes Gerät. Dieses stimuliert durch elektrische Impulse den Zungenmuskel regelmäßig, sodass die Atemwege nicht mehr verschlossen sind. Vielleicht hat sich der Schnarcher vor dem Schlafengehen in seinen „Onesie“ gekuschelt, einen weichen Overall, in dem er gemütlich in einen hoffentlich geräuschlosen Schlaf hineingleitet. (dpa)

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