Das TV-Experiment beim ZDF: Rückkehr des Boxens nach neun Jahren

<p>Die Boxer (l.-r.) Toni Kraft, Artem Harutyunyan und Leon Bauer stehen nach einer Pressekonferenz im Box-Gym Universum zusammen. Harutyunyan aus Deutschland und Islam Dumanow aus Russland kämpfen am 09.11.2019 um den IBO International Titel im Superleichtgewicht.</p>
Die Boxer (l.-r.) Toni Kraft, Artem Harutyunyan und Leon Bauer stehen nach einer Pressekonferenz im Box-Gym Universum zusammen. Harutyunyan aus Deutschland und Islam Dumanow aus Russland kämpfen am 09.11.2019 um den IBO International Titel im Superleichtgewicht. | Fotos: dpa

Die Zahl klingt noch immer unglaublich: 18,03 Millionen. So viele Menschen saßen am Abend des 9. Dezember 1995 vor dem Fernseher, um zwei prügelnden Männern zuzuschauen. Als Axel Schulz und Frans Botha boxten, hatten sagenhafte 68 Prozent aller deutschen TV-Zuschauer RTL eingeschaltet. Solche Traum-Quoten beflügeln noch immer die Fantasie der Fernsehmacher.

Jetzt wagt das ZDF einen neuen Anlauf. Nach mehr als neun Jahren Pause und dem bescheidenen Box-Abschied mit Sebastian Zbik gegen Jorge Heiland am 31. Juli 2010 mit 2,72 Millionen Zuschauern steigt der öffentlich-rechtliche Sender wieder den Ring. In der Nacht zum Sonntag überträgt das ZDF den Kampf des kaum bekannten Artem Harutyunyan gegen den noch weniger bekannten Islam Dumanov.

<p>Der Boxer Artem Harutyunyan bei einem Fototermin nach einer Pressekonferenz im Box-Gym Universum.</p>
Der Boxer Artem Harutyunyan bei einem Fototermin nach einer Pressekonferenz im Box-Gym Universum.

„Es ist ein Experiment mit vorläufig zwei Boxabenden“, erklärt ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann. Der Boxstall Universum habe „eine überzeugende Idee vorgestellt, und wir versuchen auszuloten, ob der Box-Sport in Deutschland noch ein Publikum findet“.

Zweistellige Millionen-Zahlen wie zu den besten Zeiten von Henry Maske und den Klitschkos erwartet niemand. Vor fast 30 Jahren begann das jahrelange Hoch des TV-Boxens. Promoter und Kämpfer kassierten damals Millionen von den Sendern, die sich um die Übertragungsrechte förmlich rissen. ARD, ZDF, RTL, Sat.1, Premiere – alle großen Sender hatten Faustkämpfe im Programm.

<p>Henry Maske (r.) boxt gegen Anthony Hembrick (1993).</p>
Henry Maske (r.) boxt gegen Anthony Hembrick (1993).

Um die Begeisterung zu erklären, bietet sich ein Vergleich mit dem Fußball an, der unumstrittenen TV-Nummer eins. 9,15 Millionen wie bei der erfolgreichsten ZDF-Übertragung (Wladimir Klitschko gegen Corrie Sanders am 8. März 2003), das entspricht der Zuschauerzahl eines durchschnittlichen Länderspiels.

Schulz und die Klitschko-Brüder kamen später bei RTL sogar auf doppelt so hohe Werte. Diese Rekordzahlen sind seit mehr als einem Jahrzehnt unangefochten. Noch 2009 waren unter den vier erfolgreichsten Sport-Übertragungen des Jahres drei Boxkämpfe.

<p>Der ukrainische Boxer Wladimir Klitschko (l.) jubelt mit seinem Box-Promoter Klaus-Peter Kohl im Ring (2003).</p>
Der ukrainische Boxer Wladimir Klitschko (l.) jubelt mit seinem Box-Promoter Klaus-Peter Kohl im Ring (2003).

Danach ging es abwärts. Früher gab es „Top-Namen auf Top-Niveau“, sagt Zeljko Karajica, Sport-Geschäftsführer bei ProSiebenSat.1. „Heute haben wir leider eine komplett andere Situation im deutschen Boxsport. Vergleicht man es mit Fußball, ist es in etwa so, als würde keine deutsche Mannschaft in der Champions League spielen.“ Boxen gibt es bei ProSiebenSat.1 nicht mehr im Fernsehen, sondern nur im Internet (ranfighting.de).

Das ZDF stieg 2010 aus, die ARD Ende 2014. RTL verabschiedete sich als letzter großer Sender am 30. April 2017 mit dem Klitschko-Abschiedskampf, der noch einmal 9,60 Millionen Zuschauer vor den TV-Schirm lockte.

„Es ist kein Geheimnis, dass bei den Räten ein mehrheitlich kritisches Verhältnis zum Boxsport besteht“, sagte Programmdirektor Volker Herres zum ARD-Abschied. Er sprach von zum Teil „schroffer Ablehnung“ innerhalb der Aufsichtsgremien.

<p>22.04.1995, USA, Las Vegas: Axel Schulz (r.) boxt in der MGM Arena.</p>
22.04.1995, USA, Las Vegas: Axel Schulz (r.) boxt in der MGM Arena.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey hatte das Ende des seit 2002 bestehenden Fernseh-Vertrages mit Universum unter anderem mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten begründet. Jetzt sagt der Sportchef des Zweiten zum Box-Comeback: „Es ist ein programmliches Experiment, kein finanzielles. Wir investieren keine großen Summen.“ Wie viel das ist, verriet er nicht. Aber Millionen von Euro, wie sie früher üblich waren, zahlt des ZDF ganz sicher nicht. (dpa)

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