Zu Besuch im Friseursalon von Andreas Bauters

Es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen an diesem Freitagnachmittag im Salon „Haarkunst“ in der Eupener Paveestraße. Während Andreas Bauters die Frisur einer Kundin mit Rundbürste und Föhn in Form bringt, wartet die nächste bereits darauf, bedient zu werden. „Schön kurz, aber nicht zu kurz. Und die Augenbrauen müssten mal wieder gefärbt werden“, hat sie vorhin angekündigt, jetzt ist sie in eine dieser Klatschzeitschriften vertieft. Ein älterer Herr hat am Waschbecken Platz genommen. Er ist Kunde der ersten Stunde und ließ sich schon von Andreas Bauters die Haare schneiden, da war der noch in der Ausbildung. „Er war der erste, der in meinem Terminbuch stand, als ich eröffnet habe“, betont der Friseur. Der Kunde nickt zustimmend.

Der Schritt in die Selbstständigkeit ist immer auch ein Wagnis.

Anfang Mai 2014 hat Andreas Bauters den kleinen aber feinen Salon eröffnet. Etwas Eigenes war eigentlich nie der Plan. Aber als der Laden, in dem er damals als Angestellter arbeitete, dicht machte, „musste ich mir schnell etwas einfallen lassen“, erinnert er sich. „Ich hatte mich zuvor nie mit dem Thema Selbstständigkeit auseinandergesetzt und hatte keinen Plan, was auf mich zukommt. Man muss an alles Mögliche denken.“ Umso dankbarer war er für die Unterstützung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Ostbelgien (WFG). „Die haben mir sehr geholfen. Sei es bei der Erstellung eines Businessplans, bei der Anmeldung der Selbstständigkeit oder in Sachen Verträge und Finanzierung.“

Mit seinem Schritt in die Selbstständigkeit ist der Eupener ein Wagnis eingegangen. Allerdings eines, das sich schnell auszahlen sollte. „Nach dem ersten Monat konnte ich mir schon ein Gehalt auszahlen“, erzählt Andreas Bauters. Und das, obwohl er in der Eupener Innenstadt einer von vielen Friseuren ist, die ein Stück vom Kuchen abhaben wollen. „Es gibt zwar eine Menge Salons, aber es sind im Endeffekt nicht mehr Friseure. Früher arbeiteten in einem Salon mehrere Friseure, heute arbeiten die meisten alleine.“ Wie viele seiner Kollegen scheut auch Bauters die hohen Personalkosten. So ganz ohne Unterstützung geht es aber auch nicht. Vor zwei Jahren hat er eine Auszubildende eingestellt.

Der Salon verfügt über drei Plätze, zwei sind ständig besetzt. So wie heute. Eine ältere Dame ist besonders redselig. Sie erzählt von ihrer Familie, gesundheitlichen Wehwehchen, Urlaubsplänen und dem neusten Klatsch und Tratsch. So manches Klischee bestätigt sich dann eben doch: „Eine neue Farbe und ein neuer Schnitt deuten meist auf einen Neuanfang nach einer Trennung hin“, verrät Andreas Bauters. Von Eheproblemen erfährt der Friseur als erster. „Aber ich habe eine Schweigepflicht, wie ein Arzt“, sagt er mit ernster Stimme. „Und wenn ein Kunde mal nicht so gesprächig ist, zwinge ich ihm auch keinen Small-Talk auf, dann schweigen wir eben.“

Während der Friseur erzählt, den Kamm in der einen, die Schere in der anderen Hand, und mehrere Kunden gleichzeitig bedient, klingelt zweimal das Telefon. „Man braucht hier ein gutes Zeitmanagement“, lacht er. Besonders jetzt, da seine Auszubildende krank ist. „An solchen Tagen bin ich echt aufgeschmissen“, gibt er zu. Für ein paar Minuten Verspätung haben die Kunden aber Verständnis. Außerdem: Jammern auf hohem Niveau steht ihm nicht zu, immerhin ist sein Terminkalender voll. Nur die Barbershops, die wie Pilze aus dem Boden schießen, bereiten Bauters Sorgen: „Ein Herrenschnitt für neun Euro – da kann ich nicht mithalten.“ Gutes, altes Handwerk hat eben seinen Preis. Regelmäßig nimmt Andreas Bauters an Weiterbildungen teil. So ist er in Sachen Trends immer up-to-date. Diesen Sommer sind geradlinige Schnitte und Kupfer-Braun-Töne besonders gefragt. „Also in London. Eh der Trend in Eupen ankommt, vergeht noch ein Jahr“, lacht er. „Obwohl die Kunden schon mutiger geworden sind.“

Rund 50 Stunden in der Woche steht Andreas Bauters, der vor etwas mehr als einem Jahr Vater von Zwillingen geworden ist, im Salon. Freitags und samstags kommen viele ältere Herrschaften auf Termin. Föhnen, Legen, Dauerwelle, so etwas. „Die meisten von ihnen machen vier, fünf Termine im Voraus aus“, erzählt er. Die Jüngeren springen häufiger spontan rein, wenn sie finden, ein Friseurbesuch sei mal wieder nötig. Besonders der Montag, der für viele Friseure traditionell ein Ruhetag ist, sei für Andreas Bauters „einer der stärksten Tage“.

Bauters verwendet ausschließlich Farben ohne Ammoniak.

Die Frau mit dem grauen Haar, die Andreas Bauters gerade bedient, kommt seit drei Jahren alle vier bis fünf Wochen. „Und ich bin nach wie vor sehr zufrieden“, bestätigt sie. „Wir experimentieren mit allen möglichen Grautönen, um dem Gelbstich in ihrem naturgrauen Haar entgegenzuwirken“, erklärt der Friseur, während er einen Farbton aufträgt, der sich „Urban Grey“ nennt. Die Kundin scheint glücklich mit der Wahl: „Das sieht doch schon mal gut aus.“ Die Farben, die Bauters verwendet, sind frei von Ammoniak und deshalb besonders schonend zum Haar. Gleichzeitig decken sie gut.

Während die Farbe wirkt, widmet sich der Friseur seinem „ältesten“ Kunden. Dessen Haupthaar möchte „vor dem Urlaub noch mal schön kurz“ geschnitten werden. Im Eingangsbereich läutet das Türglöckchen, ein Mann steckt seine Nase in den Salon. Er holt seine Frau ab, die mit frisch frisiertem Kopf bereits auf ihn wartet. Zum Abschied stopft sie einen Fünfer in das Sparschwein auf der Theke und zwinkert: „Bis in drei Wochen.“ Auf seine Kunden ist eben Verlass. Und noch etwas ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Haare hören niemals auf zu wachsen.

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