Mit Architekt Antoni Gaudì in den göttlichen Wald

<p>Oft stehen lange Schlangen vor der schönsten Kirche der Welt.</p>
Oft stehen lange Schlangen vor der schönsten Kirche der Welt.

Eine lange Warteschlange führt die ganze Straße hinunter. Die Touristen wollen eine besondere Sehenswürdigkeit besuchen: eine riesige Baustelle. Sie befindet sich in Barcelona, einer der lebendigsten Städte Spaniens. Auf der Baustelle entsteht eine außergewöhnliche Kirche, noch außergewöhnlicher als die Stadt nahe der spanisch-französischen Grenze und der Pyrenäen, die zuletzt mehr wegen ihrer Unabhängigkeitsbestrebungen Schlagzeilen macht. Ihr Name: Basílica i Temple Expiatori de la Sagrada Família. Das ist Katalanisch und heißt, zusammengefasst auf Deutsch: die Kirche der Heiligen Familie.

<p>Gaudì sah das Göttliche in der Natur, aber auch in der Geometrie. Entsprechend mathematisch berechnet sind seine oft skurril erscheinenden Formen.</p>
Gaudì sah das Göttliche in der Natur, aber auch in der Geometrie. Entsprechend mathematisch berechnet sind seine oft skurril erscheinenden Formen. | Alle Fotos: dpa
Weit mehr als 100 Jahre schon werkeln Architekten, Bildhauer, Ingenieure und Bauarbeiter an diesem Gebäude. Immer wieder zog sich der Bau hin, etwa weil es an Geld mangelte. Der erste war Antoni Gaudì. Er lebte selbst mehr als ein Jahrzehnt auf der Baustelle.

Und er hat sie sich ausgedacht. Das erste Wunder war, dass man dem jungen exzentrischen Architekten ein solches Wunderwerk anvertraute und dafür bereits bestehende Pläne ad acta legte. Wenn die Kathedrale, die ihre Anlehnung an die großen Baumeister der Gotik nicht verleugnet, einmal fertig ist, soll sie 18 Türme haben. An den vier Außenfassaden erzählt eine Vielzahl von Figuren die Geschichte von Jesus Christus aus der Bibel. Im Innenraum, dem Kirchenschiff, erwartet die Menschen ein Wald aus Steinen.

Wer die Sagrada Família betritt, fühlt sich der Natur ganz nah. Die Säulen ragen wie Baumstämme in die Höhe. Oben verzweigen sie sich zu einem gemeinsamen Gewölbe, das einem riesigen Blätterdach ähnelt. Zwischen den steinernen Ästen scheint Sonnenlicht hervor.

„Die bunten Fenster sind so geschickt angeordnet, dass der ganze Raum von Licht durchflutet wird“, erklärt Norbert Palz. Als Professor der Architektur hat sich der Fachmann viel mit der Arbeit von Antoni Gaudì beschäftigt. „Antoni Gaudì war sehr gläubig und naturverbunden“, sagt er. Der Architekt habe sich für die Kirche die Natur zum Vorbild genommen. Denn die Natur sei Gottes Schöpfung.

<p>Dem Himmel so nah: die höchste Kirche weltweit mit Baukran.</p>
Dem Himmel so nah: die höchste Kirche weltweit mit Baukran.
Bei seiner Arbeit bewies Antoni Gaudì auch, dass er ein guter Mathematiker war. „Die Maße der Flächen, Säulen und Wände stehen alle in bestimmten, sich wiederholenden Verhältnissen zueinander“, sagt der Fachmann. Also etwa ein Ganzes, zwei Drittel, die Hälfte. Der Experte meint: Antoni Gaudì versuchte, mit Mathematik den Himmel auf Erden zu schaffen.

Um das Werk zu vollenden, wird weiterhin ständig an der Sagrada Família gebaut. Bezahlt wird das auch mit dem Eintrittsgeld, das die Besucher zahlen.

Zum 100. Todestag von Antoni Gaudì 2026 soll das Bauwerk fertiggestellt sein.

So tragen sie ihren Teil dazu bei, die einzigartige Kirche endlich zu vollenden. Im Jahr 2026 soll das Bauwerk fertig sein. Es wäre der 100. Todestag des Architekten Antoni Gaudì, der, wahrscheinlich in Gedanken, von einer Tram erfasst wurde und an den Folgen des Unfalls starb.

Wer durch die Straßen von Barcelona flaniert, entdeckt oft ungewöhnliche Bauwerke. Viele dieser Häuser hat Antoni Gaudì für reiche Bürger der Hafenstadt entworfen.

<p>Gaudì durchdachte jedes Detail und brachte es zu Papier.</p>
Gaudì durchdachte jedes Detail und brachte es zu Papier. | Philipp Brandstädter/dpa
Die Gebäude des berühmten Architekten sind oft voll runder Formen und bunter Mosaike. Fassaden ragen zum Beispiel wellenförmig aus den Häuserreihen hervor. Auf den Dächern sitzen verschnörkelte Turmspitzen.

Der Stil, für den Antoni Gaudì bekannt ist, nennt sich Modernisme. Neben der Kirche Sagrada Família und mehreren Häusern hat Antoni Gaudì auch den Park Güell geplant. Die terrassenförmige Anlage gehört zu den größten Sehenswürdigkeiten der Stadt und entführt ihre Besucher in eine Traumwelt mit Echsen und viel Mosaik: Gaudì eben.

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