Toreros, Franco und „Viva España“ – Wie weit rechts steht Vox?

<p>Santiago Abascal, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei Vox, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei.</p>
Santiago Abascal, Vorsitzender der rechtspopulistischen Partei Vox, spricht bei einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei. | Foto: Álex Cámara/Europa Press/dpa

Lässig lächelnd stehen sie nebeneinander, Zigarren im Mund, der eine leger in Jeans, der andere in voller Torero-Montur und mit Elvis-Koteletten. Santiago Abascal, Chef der ultrarechten spanischen Partei Vox, lässt in diesen Tagen keine Gelegenheit aus, sich mit seinem Lieblings-Stierkämpfer Morante de la Puebla blicken zu lassen. Der Politiker ist ein erklärter Fan der umstrittenen Corrida, einer „Kunstform, die eng mit der spanischen Identität verbunden ist“, wie er einmal sagte. Mit seiner Passion für Tauromachie macht er im Vorfeld der Parlamentswahl am 28. April nun ordentlich Werbung. Ob Stierkampf, Flamenco oder Jagd: Spanisches Brauchtum ist eines der Lieblingsthemen der Newcomer-Partei, die zunehmend Sorgen weckt.

Der 43-jährige Abascal weiß, dass viel auf dem Spiel steht: Erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 könnte eine Partei des extrem rechten Spektrums ins Madrider Parlament einziehen - und wenn man den Umfragen glauben darf, gleich mit einem zweistelligen Ergebnis. Das war im Dezember bereits in Andalusien gelungen, wo Vox bei der Regionalwahl aus dem Stand elf Prozent der Stimmen holte. Seit Januar regiert die erst 2013 gegründete Partei sogar mit, weil sich die konservative Volkspartei PP und die liberalen Ciudadanos auf ein Bündnis mit ihr einließen - und so der seit 36 Jahren dauernden sozialistischen Dominanz in der Region ein Ende bereiteten.

Längst hat sich das Thema „Tauromaquia“ (Stierkampfkunst) auch in den nationalen Wahlkampf geschlichen. So wurde in Barcelona sogar der Matador Serafín Marín als Kandidat aufgestellt - ausgerechnet in jener Metropole, die sich bereits 2004 zur Anti-Stierkampf-Stadt erklärt hatte. Vox pocht auf derlei Kulturgut und alte Werte, vor allem aber auf die Einheit des Landes ohne jegliche Autonomiegelüste. „Die Autonomie ist das Krebsgeschwür Spaniens!“, rief Abascal erst kürzlich in Madrids Vorort Leganés Hunderten jubelnden Anhängern zu. Damit trifft die Partei den Nerv all derer, die vom katalanischen Separatismus die Nase voll haben. So wird gleich in Punkt 1 des 100-Punkte-Wahlprogramms die „Aufhebung der katalanischen Autonomie bis zur völligen Niederlage des Putschistentums“ gefordert. Aber Vox steht auch für ein hartes Vorgehen in puncto Migration. Umstandslose Abschiebung aller illegalen Einwanderer, lautet das Wahlversprechen - und der Bau einer „unüberwindbaren“ Mauer zwischen Marokko und Spaniens Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla, die dort den sechs Meter hohen Grenzzaun ersetzen soll.

Das erinnert an ein ähnliches Wahlversprechen von US-Präsident Donald Trump mit Blick auf die Grenze zu Mexiko - auch wenn Abascal in Interviews versichert, dass seine Partei sich weder mit Marine Le Pen in Frankreich noch mit Trumps Politik eng verbunden fühlt. „Bei Vox dreht es sich nur um die Interessen Spaniens“, erklärte er Ende 2018 im Interview mit der Zeitung „La Razón“. Dann fügte er hinzu, seine Partei habe allerdings mehr mit diesen Politikern gemeinsam als mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, „die Europa zerstört, indem sie die Türen für massive Einwanderung und die Zerstörung der Souveränität der Nationalstaaten geöffnet hat“.

Die Frage, die sich viele stellen, lautet: Ist Vox noch „rechtsaußen“? Oder schon „rechtsextrem“? Sogar ein Erzkonservativer wie PP-Spitzenkandidat Pablo Casado, der die Bildung einer Koalition mit der Newcomer-Partei nicht ausschließt, meinte jüngst, er könne sich in dieser Frage nicht festlegen. Es gebe „Tage“, an denen man sich frage: „Mein Gott, wie weit werden sie noch gehen?“

Der angesehene Historiker Fernando del Rey von der Madrider Complutense-Universität denkt, wie viele seiner Kollegen, dass Vox wohl zur „radikalen Rechten“ zu zählen ist, sich die Partei aber (zumindest derzeit noch) an die demokratischen Spielregeln hält, wie er gegenüber Medien betonte. Viele Spanier sehen das anders. In einer Umfrage der konservativen Digitalzeitung „El Español“ und des Forschungsinstituts Sociométrica bezeichnete knapp die Hälfte der 1.800 Teilnehmer Vox als „Bedrohung für die spanische Demokratie“. Einige der noch immer zahlreichen Anhänger der Franco-Diktatur, die in Spanien lange Zeit keine politische Heimat hatten, werden derweil als sichere Vox-Wähler gehandelt. Am 20. November wurde der 43. Todestag Francos spanienweit mit katholischen Messen begangen. Vor einer Kirche an der Madrider Nobelmeile Calle Serrano hoben viele ungeniert den rechten Arm zum Nazigruß und sangen Hymnen des Regimes. „Viva Franco!“ und „Viva España!“ erklang. Und auch: „Viva Hitler!“ Da passt es ins Bild, dass Vox einige Generäle im Ruhestand, die die Diktatur preisen, als Kandidaten ins Rennen schickt.

Der Baske Abascal, der seit rund 20 Jahren nur in der Politik tätig ist, wird auf Wahlkampfveranstaltungen wie ein Nationalheld gefeiert. „Presidente, presidente!“, rufen ihm Menschenmassen im Chor zu. „Der Nationalkatholizismus hat sich (in Spanien) jahrzehntelang versteckt. Er war da, zeigte sich aber nicht. Seine grundlegenden Merkmale waren tabu“, stellte die Zeitung „El País“ fest. „Das ist jetzt nicht mehr der Fall.“ (dpa)

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