Spenden statt Reformen: Kann Notre-Dame die Franzosen einen?

<p>Der Brand hat auch eine politische Dimension.</p>
Der Brand hat auch eine politische Dimension. | Foto: Reuters

Es war so etwas wie ein Wettbewerb. Ein Wettbewerb unter Schwergewichten - finanziell gesehen. Der Brand in der weltberühmten Pariser Kathedrale Notre-Dame war noch nicht einmal gelöscht, da versprach die französische Milliardärsfamilie Pinault 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau. Der nächste Großspender machte direkt 200 Millionen locker - und so ging es weiter. Schnell waren Hunderte Millionen Euro zusammen, auch Firmen ließen sich nicht lumpen.

Doch kaum hatte sich der erste Schock über das Feuer gelegt, meldeten sich Kritiker zu Wort. Wieso kommen für ein kaputtes Bauwerk innerhalb kürzester Zeit solche Summen zusammen - aber Hilfsorganisationen oder soziale Einrichtungen müssen um jeden Euro kämpfen? Das fragten sich viele. Auch vor dem Hintergrund der andauernden „Gelbwesten“-Proteste wirken die hohen Spenden von Milliardären auf manche Franzosen irgendwie suspekt.

Schließlich brennen seit Monaten im Land immer wieder Barrikaden. Die „Gelbwesten“ beklagen eine Kluft zwischen Arm und Reich. Sie monieren, dass das Geld hinten und vorne nicht zum Leben reicht - für Familien, Rentner, Alleinerziehende. Und nun kommen Superreiche daher - und spenden Millionen für Steine. Frankreich, das gespaltene Land?

Wenn Milliardäre und Unternehmen nun „auf einer Welle der Großzügigkeit reiten“, könnten sie sich anders hervortun, schimpfte Manon Aubry von der Linkspartei La France Insoumise. Sie sollten ihre Steuern zahlen, statt das Geld in Steueroasen zu stecken - dann könnten Kultur und öffentlicher Dienst auch ordentlich finanziert werden. Die Grünen-Politikerin Esther Benbassa monierte, dass es der Staat sei, der den Großteil finanzieren werde. Sie spielte darauf an, dass sich die Spenden von der Steuer absetzen lassen.

Die Pinaults, Eigentümer der Luxusgruppe Kering, reagierten sofort auf den öffentlichen Unmut. Sie würden den Steuervorteil ihrer Spende nicht in Anspruch nehmen, kündigten sie an. Premier Édouard Philippe versprach sogleich, dass Unternehmen bei Spenden für Notre-Dame nicht mehr Steuervergünstigungen erhalten würden als gesetzlich üblich. Außerdem kommt für den Schaden an der Kathedrale sowieso keine Versicherung auf, sondern letztlich der Staat - da sind die zusätzlichen Millionen nur hilfreich. Problem also gelöst?

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron jedenfalls hofft, dass der Wiederaufbau der mehr als 850 Jahre alten Kathedrale die Franzosen näher zusammenbringt. Was man am Abend des Brandes erlebt habe, sei die Fähigkeit der Franzosen, sich zu vereinen, sagte er am Dienstag in einer TV-Ansprache. Apropos: Eine solche Fernsehrede hatte Macron eigentlich schon für Montagabend geplant - sie war schon im Kasten und musste nur noch ausgestrahlt werden.

Macrons Auftritt wurde mit Spannung erwartet, dann kam der Brand.

Der Präsident wollte eigentlich verkünden, welche Reformen er nach dem Ende seiner Bürgerdebatte plant. Mit diesem Format wollte er das soziale Klima im Land beruhigen - konkrete Maßnahmen waren fest versprochen. Macrons Auftritt wurde mit Spannung erwartet, die Erwartungen waren groß, der Druck auf den einstigen politischen Senkrechtstarter enorm. Dann kam die Nachricht vom Brand - Ansprache abgesagt.

Im Laufe des Dienstags kursierten einige der möglichen Pläne des Präsidenten in den Medien: Steuersenkungen für die Mittelklasse, Entlastung von Rentnern, Abschaffung der Kaderschmiede Ena - also der Hochschule der politischen Elite des Landes. Der Präsidentenpalast kommentierte das nicht.

Und so richtig interessierte es in Frankreich auch nicht mehr - omnipräsent waren die Bilder der zerstörten Kathedrale im Herzen der Hauptstadt. Statt Menschen in gelben Westen zeigten die französischen Nachrichtensender heldenhafte Feuerwehrleute. Macron verschob die Verkündung seiner Pläne daher erstmal auf unbestimmte Zeit.

Der Brand von Notre-Dame - er ist in Frankreich eine kunsthistorische Katastrophe. Aber er hat eine politische Dimension. Auch die Kathedrale selbst war immer mehr als nur ein religiöser Ort. Dies sei ein Gebäude mit politischer Bedeutung, sagt Markus Castor vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris. „Es war eigentlich immer der Ort, wo wichtige politische Ereignisse stattfanden oder Entscheidungen gefällt wurden.“ (dpa)

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