Ukraine-Krieg: Wie wir mit Ängsten umgehen können

<p>Reden hilft. Das gilt auch für Ängste, die den Ukrainekrieg betreffen.</p>
Reden hilft. Das gilt auch für Ängste, die den Ukrainekrieg betreffen. | Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Seit einem Jahr herrscht nun Krieg in der Ukraine. Und vielleicht packt auch Sie immer wieder die Sorge, dass er sich weiter und weiter zuspitzen könnte. Zuletzt haben die Kampfpanzer-Lieferungen das Gedankenkarussell bei vielen Menschen weiter angestoßen.

Eins vorweg: Dass der Ukraine-Krieg Sorgen und Ängste weckt oder verstärkt, ist eine ganz normale Reaktion unserer Psyche. Das sagt Psychotherapeutin Christina Jochim. Und dafür, dass wir Angst empfinden, sollten wir uns selbst nicht verurteilen oder schämen. „Jedes Gefühl darf sein“, sagt Jochim. Mit den Kriegsängsten Frieden schließen - dieses Ziel ist vielleicht zu hoch gesteckt.

Die Psychotherapeutin hat aber dennoch Strategien parat, wie wir mit Ängsten rund um den Ukraine-Krieg besser umgehen können. Alles fängt damit an, besser zu verstehen, warum Körper und Psyche so reagieren. Enge in der Brust, ein schnell klopfendes Herz, Anspannung: Angst ist ein Gefühl, das wir uns oft wegwünschen. Im Kern ist diese Reaktion von Körper und Seele aber nützlich: „Angst ist eine Grundemotion, eine Überlebenssicherung, ein Warnsystem“, fasst Christina Jochim zusammen.

„Unser Gehirn speichert ganz automatisch Informationen, die mit akuten Gefahrensituationen in Verbindung stehen“, sagt die Psychotherapeutin. „Und wenn diese Signale zu einem späteren Zeitpunkt erneut wahrgenommen werden - dann werden wir Menschen vorsichtig und bekommen Angst.“

Wurde man als Kind von einem Hund gebissen, hat man wahrscheinlich die Information abgespeichert, dass die Tiere gefährlich sind. Selbst eine Begegnung mit dem liebsten Hund der Welt kann uns dann in Alarmbereitschaft versetzen. Denn die Angst stellt - etwa durch eine beschleunigte Herzfrequenz - sicher, dass wir genug Energie haben, um der potenziellen Bedrohung zu entkommen, zum Beispiel vor ihr zu fliehen. Ein Mechanismus, der für unsere Vorfahren überlebenswichtig war. Aber wie ist es im Falle des Ukraine-Kriegs? Viele haben nie Krieg erlebt. „Aber wir alle haben Vorstellungen und Assoziationen dazu. Und das aktiviert unser Warnsystem“, sagt Christina Jochim. Doch wie können wir erreichen, dass uns Angst nicht übermannt? Sie nennt eine Frage, die man sich stellen kann: „Erlebe ich persönlich gerade wirklich eine Bedrohungssituation?“

Die Perspektive der anderen hilft oft dabei, die eigenen Sorgen und Ängste besser einzuordnen und mit der Realität abzugleichen.

Eine differenzierte, rationale Einschätzung der Lage kann der Angst etwas entgegensetzen. Aber auch der Austausch mit anderen Menschen kann guttun. Denn die Perspektive der anderen hilft oft dabei, die eigenen Sorgen und Ängste besser einzuordnen und mit der Realität abzugleichen. Angst hat viel mit Unsicherheit zu tun. Wir können ihr also etwas Wind aus den Segeln nehmen, indem wir uns in unserem Leben mehr Sicherheit verschaffen. „Der Klassiker ist ein stabiler Alltag mit festen Routinen und Strukturen“, sagt Jochim. Denn sie geben uns das Gefühl, dass wir uns auch in unsicheren Zeiten auf etwas verlassen können. Das kann im Kleinen auch der Kaffee am Morgen sein, den wir mit genug Zeit und einem Buch genießen.

Wann braucht es die professionelle Hilfe eines Psychotherapeuten oder einer Psychotherapeutin? „Wenn man sich jetzt Sorgen macht angesichts der Weltlage, ist das nicht behandlungsbedürftig. Angst ist eine normale und gesunde Reaktion“, sagt Jochim. Aber Angst kann dennoch Krankheitswert bekommen, sich zu einer Angststörung entwickeln. Anzeichen dafür sind, wenn uns die Angst ohne erkennbaren Auslöser überfällt. Und wenn sie sich dabei besonders stark zeigt, „wenn sie das Denken, Handeln und Fühlen so stark einschränkt, dass man nicht mehr dem Alltag nachgehen kann“, sagt die Expertin. Dann ist es sinnvoll, damit nicht alleine zu bleiben, sondern die Angst von Fachleuten behandeln zu lassen. (dpa/sc)

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