Rechte immer radikaler - 10 Jahre AfD in Deutschland

<p>Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, und Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, unterhalten sich zu Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag Ende Januar 2023.</p>
Tino Chrupalla, Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, und Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, unterhalten sich zu Beginn der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag Ende Januar 2023. | Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Weit rechtsstehende Parteien führten im Deutschland der Nachkriegszeit jahrzehntelang eher ein Schattendasein. Das änderte sich mit der Gründung der AfD.

Die Alternative für Deutschland sitzt im Bundestag und in 15 von 16 Länderparlamenten, und sie kommt in den östlichen Bundesländern auf Wahlergebnisse von mehr als 20 Prozent. Am nächsten Montag (6. Februar) feiert die AfD in Königsstein bei Frankfurt ihr zehnjähriges Bestehen.

Gegründet wurde die AfD 2013 als Partei der Eurokritiker, die sich gegen die Rettungspakete für südeuropäische Länder wandten und eine geordnete Auflösung der europäischen Währungsunion wollten. Im Lauf der Jahre rückte sie mit Themen wie Migration nach rechts. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (Inlandsgeheimdienst) hat die Gesamtpartei als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.

Viele Gründungsmitglieder haben die Partei längst verlassen, und angesichts von Flügelkämpfen und fortschreitender Radikalisierung wurde die AfD schon häufiger totgesagt. Doch in nationalen Umfragen steht sie derzeit mit 12 bis 15 Prozent noch deutlich über ihrem Bundestagswahlergebnis von 2021 (10,3 Prozent).

„Die AfD hat sich entwickelt wie ein Chamäleon“, sagt der Rechtsextremismusexperte Alexander Häusler von der Fachhochschule Düsseldorf. Ein Grund ihres Aufstiegs sei, dass sie ursprünglich nicht aus dem organisierten Rechtsextremismus kam, sagt Häusler und erinnert daran, dass es in der AfD zu Beginn drei Flügel gab: wirtschaftsliberal, nationalkonservativ und rechtspopulistisch. Dann habe die AfD eine umgekehrte Entwicklung vollzogen als andere europäische Rechtsparteien, etwa der Front National in Frankreich (heute: Rassemblement National). Während dieser versuche, sich zu „zivilisieren“, sei die AfD nach Rechtsaußen gerückt.

Hinzu kommt laut Häusler, dass es in Deutschland lange Zeit im Parteienspektrum eine Lücke gegeben habe zwischen der Christdemokratie und rechtsextremen Splitterparteien wie der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands). „Die AfD hat es geschafft, in diese Lücke reinzuspringen“, sagt Häusler. Bis dahin habe es in Deutschland jahrzehntelang „die größte Schere“ zwischen rechten Einstellungen einerseits und rechtem Wahlverhalten andererseits gegeben. Das habe sich mit der AfD verändert.

Die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel bestreitet, dass die Partei heute eine andere AfD sei als vor zehn Jahren. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur um die Jahreswende bezeichnete sich Weidel als „liberal-konservative Politikerin, die Werte der Mitte vertritt.“ Der deutschen Regierung warf Weidel vor, mit ihren Sanktionen „einen Wirtschaftskrieg gegen Russland“ zu führen. Deutschland, so die AfD-Chefin, hätte im Ukraine-Konflikt eine neutrale Rolle einnehmen müssen. „Das ist überhaupt nicht unser Krieg“, sagte Weidel.

Diese Haltung findet vor allem im Osten Deutschlands Widerhall. Dort leiden die Betriebe besonders unter den Sanktionen, und es gibt mehr Verständnis für Kremlchef Wladimir Putin als im Westen der Republik. Wenn im Herbst 2024 in Sachsen, Thüringen und Brandenburg neue Landtage gewählt werden, hofft die AfD, dort mitregieren zu können.

In Thüringen war sie in einer Umfrage vom November mit 25 Prozent stärkste Kraft. Dass der Verfassungsschutz Landeschef Björn Höcke als Rechtsextremisten bezeichnet, scheint viele Thüringer nicht im Geringsten zu stören. Den russischen Überfall auf die Ukraine rechtfertigte Höcke mit den Worten, Putin habe auf „die Offensive einer raumfremden Macht“ (der USA) reagiert.

Weidel hält eine Regierungsbeteiligung der AfD in einem ostdeutschen Bundesland „absolut für realistisch“ und setzt auf eine Kooperation mit den Christdemokraten. In Sachsen repräsentierten AfD und CDU zusammen zwei Drittel der Wählerschaft. „Sich dem weiter zu verweigern, das kann man nicht ewig machen“, sagte Weidel der dpa.

Ein CDU-Parteitagsbeschluss von 2018 schließt eine Zusammenarbeit mit der AfD allerdings aus. Der heutige Vorsitzende Friedrich Merz hatte vor seiner Wahl gesagt, mit ihm als CDU-Chef werde es „eine Brandmauer zur AfD“ geben. Sollte diese brechen, dann könnte nach Ansicht Häuslers „die Normalisierung des Rechtsextremismus in Deutschland eintreten.“

Der Politikwissenschaftler Frank Decker von der Universität Bonn glaubt nicht an eine Zusammenarbeit von CDU und AfD im Osten: „Wenn das passiert, dann würde in der Bundes-CDU kein Stein auf dem anderen bleiben.“

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment