Vivias scheitert: Gericht sieht „keinerlei Fehler“ in GE-Berichterstattung

<p>Zu Beginn der Pandemie galt auch im WPZS Hof Bütgenbach Besuchsverbot.</p>
Zu Beginn der Pandemie galt auch im WPZS Hof Bütgenbach Besuchsverbot. | Foto: GE-Archiv

Oswald Schröder hatte in einem Kommentar am 4. Mai 2020 – zu diesem Zeitpunkt gab es für die Wohn- und Pflegezentren der DG (WPZS) ein striktes Besuchsverbot – verschiedene Missstände in Seniorenheimen in der DG angeprangert. Im DG-Parlament (PDG) war das Thema auch zur Sprache gekommen. Der GE-Chefredakteur hatte die Debatte im PDG zum Anlass genommen, um in einem Kommentar auf Missstände hinzuweisen, die aus verschiedenen Ansprachen im Parlament hervorgegangen, aber auch von Betroffenen an das GrenzEcho herangetragen worden waren. In seinem Kommentar hatte Schröder „vor allem bei Vivias“ u.a. „eine fragwürdige Personalpolitik, Schikane und Mobbing“, aber auch „Schluder beim Medikamentenmanagement“ angeprangert.

Zu dem Zeitpunkt deutete einiges darauf hin – selbst der zuständige Sozial- und Gesundheitsminister Antonios Antoniadis (SP) hatte sich dafür ausgesprochen – dass das Parlament einen Untersuchungsausschuss einsetzen werde, um die Handhabung der Coronakrise in der DG zu untersuchen. Schröder hatte in seinem Kommentar geschlussfolgert: „Ein Untersuchungsausschuss wird zu klären haben, wer wann worüber Bescheid wusste. Er sollte auch prüfen, inwieweit die Zuwendungen von Gemeinschaft und Gemeinden ausreichen, um die erforderliche Pflege der Bewohner zu gewährleisten. Und aus all dem Lehren für die Zukunft ziehen.“

Daraufhin hatten Friedhelm Wirtz und Monika Veithen, Verwaltungsratspräsident bzw. -vizepräsidentin von Vivias, zu einer Pressekonferenz (PK) eingeladen, in der sie auf die verschiedenen Vorwürfe eingingen und diese zu entkräften suchten. Das GrenzEcho berichtete in seiner Ausgabe vom 6. Juni ausführlich über diese PK.

Das GrenzEcho vermutete Verletzung des Besuchsverbots im Hof Bütgenbach.

Am 16. Juni veröffentliche das GrenzEcho dann einen weiteren Beitrag aus der Feder seines Chefredakteurs. Schröder gab an, von verschiedenen Personen kontaktiert worden zu sein, die die Rechtfertigungen des Vivias-Verwaltungsratspräsidenten zum Teil in Frage stellten und neue Vorwürfe erhoben, in denen u.a. die Rede von einer Verletzung des Besuchsverbots im Hof Bütgenbach war. Auch wurden Hygienemängel angeprangert.

Vor Gericht erklärte Schröder, er habe aufgrund erster Äußerungen im PDG zu Missständen bei Vivias sowie nach Hinweisen aus der Bevölkerung bereits im Herbst 2019 umfangreiche Recherchen hierzu angestellt. Allerdings hätten die Gesprächspartner sich erst bereit zu Aussagen erklärt, nachdem er ihnen absolute Diskretion zugesichert habe. Die Informationen und Vorwürfe hätten sich verdichtet. Als in der Coronakrise dann neue Vorwürfe hinzugekommen seien, habe er sich entschlossen, daraus eine Veröffentlichung zu machen.

Das Präsidium des DG-Parlaments hatte seinerseits die Ombudsfrau der DG mit einer Untersuchung zur Klärung der Vorwürfe gegen Vivias beauftragt. Dem Gericht lag der Abschlussbericht der Ombudsfrau ebenso vor wie deren Empfehlungen und eine Stellungnahme des PDG-Präsidiums zu diesem Bericht und den Empfehlungen.

Das Gericht unter dem Vorsitz von Einzelrichter Axel Kittel erklärte in seinem Urteil vom 7. März, nach einer Anhörung der Parteien – Friedhelm Wirtz war dem Verfahren als Nebenkläger beigetreten – am 7. Februar die Klage der Vivias Interkommunale vom Herbst 2020 für „zulässig, jedoch unbegründet“. Die Kosten des Verfahrens seien somit durch Vivias zu tragen. Gegen dieses Urteil hat Vivias mittlerweile Einspruch erhoben, sodass die Angelegenheit vor dem Appellationshof Lüttich erneut verhandelt werden wird.

In seiner Beurteilung der Zulässigkeit der Klage hält Richter Axel Kittel fest, dass die Interkommunale Vivias „Eigenschaft und Interesse für die Klage“ habe. Ebenso sei der freiwillige Beitritt als Nebenkläger von Friedhelm Wirtz zulässig. Dann geht die Kammer des Gerichtes Erster Instanz auf die Prinzipien der Verantwortung von Journalisten ein. Sie führt verschiedene Texte, u.a. Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie Artikel 25 der belgischen Verfassung an, um die Garantie des Rechtes der Pressefreiheit zu begründen. Diese sei jedoch nicht absolut. Wie von der Klägerin angeführt, hätten die „Artikel 1382 und 1383 des früheren Zivilgesetzbuches“ zur Folge, „dass jeder gezwungen ist, rechtmäßig, d.h. sorgfältig und vorsichtig im gesellschaftlichen Umgang zu handeln.“ Auch die Europäische Menschenrechtskonvention sehe vor, dass die Pressefreiheit eingeschränkt sei, „wenn es sich um den Schutz des guten Rufes und der Rechte anderer handelt“.

Auf den vorliegenden Fall angewendet, könne, so Richter Kittel, nicht bestritten werden, dass „die Problematik der Finanzierung und Organisation der Seniorenheime zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Artikel“ in der DG und ihrem Parlament ein „kontrovers diskutiertes gesellschaftliches Thema“ gewesen sei. Umso mehr, als es durch das Besuchsverbot für Außenstehende unmöglich gewesen sei, sich „ein Bild von der Situation vor Ort“ zu machen.

Allerdings obliege es „den Klägern, den Beweis zu erbringen“, dass Artikel 1382 und 1383 zur Anwendung kämen. Mutmaßungen, wonach der Kläger aus persönlichen Gründen mit Vivias habe „abrechnen wollen“, reichten „als Beweis für einen Fehler des Beklagten nicht aus“. Das würde selbst „die Nichtbeachtung von Deontologieregeln der Journalisten“ nicht. Auch könne man Schröder deswegen nicht vorwerfen, „dass er nicht mit der Vorsicht und Sorgfalt vorgegangen wäre, die man von einem Journalisten erwarten kann“. Das gelte auch für die Nichteinhaltung durch Schröder des in der Deontologie vorgesehenen kontradiktorischen Charakters der Untersuchung der Tatsachen.

Das Gericht kam auch zu dem Schluss, dass der GE-Chefredakteur keinen Fehler begangen habe, weil er die Quellen seiner Informationen nicht genannt habe. „Auch ist die diesbezügliche Weigerung des Beklagten nicht der Beweis, dass Herr Oswald Schröder vor der Veröffentlichung seines Kommentars oder Artikels nicht sorgfältig recherchiert hätte.“

Man könne dem Journalisten auch nicht vorwerfen, „dass er seine Meinung zu den Tatsachen gibt“. „Es gehört zu den Aufgaben des Journalisten, Informationen zu Themen zu geben [...] und seine Meinung zu diesen Themen kund zu tun“. In den kritisierten Veröffentlichungen seien „Kommentar und Faktendarstellung deutlich zu erkennen. Somit stellt sich nach Beurteilung des Gerichtes „nur die Frage, ob die Fakten, auf die sich der Beklagte [...] stützt, sorgfältig durch ihn im Hinblick auf deren Wahrhaftigkeit und Richtigkeit geprüft worden sind“.

„Dies bedeutet, dass diese Tatsachen durchaus bestehen“.

Im übrigen, so das Urteil, zeige der Bericht des Präsidiums des PDG, „dass die Ombudsfrau der Deutschsprachigen Gemeinschaft bei ihren Überprüfungen im Rahmen des ihr erteilten Auftrags auf ähnliche, wenn nicht sogar auf dieselben Tatsachen gestoßen“ sei, wie der Journalist. „Dies bedeutet, dass diese Tatsachen durchaus bestehen“. Oswald Schröder könne somit „keinerlei Fehler in der Ausübung seines Berufs als Journalist“ nachgewiesen werden. „Die zulässige Klage (ist) somit unbegründet“, schließt der Urteilsspruch. (es)

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