Duell Hamilton-Verstappen droht weiter auszuarten

<p>Lewis Hamilton vor Max Verstappen: Das Saisonfinale ist hochspannend.</p>
Lewis Hamilton vor Max Verstappen: Das Saisonfinale ist hochspannend. | Foto: Photo News

Max Verstappen schaute demonstrativ zur Seite und spielte an seinem Mikrofon herum, als Lewis Hamilton den Stab über seinen WM-Rivalen brach. „Er“, sagte Hamilton über den Niederländer, „ist mit Sicherheit über dem Limit.“ Der Rekordweltmeister bezog sich bei seiner Schelte konkret auf das Chaosrennen von Dschidda, einer denkwürdigen Veranstaltung zwischen irrem Spektakel und beschämender Farce.

Hamilton dachte dabei gewiss auch schon an das Saisonfinale in Abu Dhabi (Sonntag, 14 Uhr MEZ), in das die Streithähne punktgleich gehen – und doch unter unterschiedlichen Vorzeichen. „Für ihn spielt es keine Rolle, wenn wir nicht ins Ziel kommen. Für mich schon“, sagte Hamilton. Dies galt in Saudi-Arabien, dies gilt noch mehr in den Vereinigten Arabischen Emiraten, denn ein Ausfall beider Alphatiere würde Verstappen zum Weltmeister machen – weil er ein Rennen mehr gewonnen hat.

„Eine WM ohne Bremsen“, titelte die italienische „La Repubblica“ und verglich die Hetzjagd über den Jeddah Corniche Circuit mit einem „Boxkampf“. Selbst der „Telegraaf“ aus Verstappens niederländischer Heimat fragte: „Wo führt das noch hin?“

Das seit Saisonbeginn knallharte Duell zwischen dem unerschrockenen Herausforderer Verstappen, 24 und nach eigenem Verständnis längst die Nummer eins, und dem siebenmaligen Weltmeister Hamilton, 36 und kein bisschen müde, ist einerseits Gold wert für die Formel 1. Auf der anderen Seite scheint den „Schiedsrichtern“ der Rennserie gerade die Herrschaft über die Show zu entgleiten.

In dem Bestreben, möglichst wenig in die Titelentscheidung einzugreifen, verhedderte sich Rennleiter Michael Masi am Sonntag in basarähnlichen Verhandlungen mit dem Red-Bull-Kommandostand. Verstappen sollte Hamilton beim zweiten Restart seinen Platz überlassen, dann würde man von einer möglichen Strafe absehen, so Masi. Red Bull akzeptierte - unter der Voraussetzung, dass Alpine-Pilot Esteban Ocon und nicht Hamilton von der Pole starten durfte.

Der Tiefpunkt des 21. Saisonrennens sollte aber noch folgen: Verstappen verließ die Strecke, um einen Hamilton-Angriff abzuwehren. Dass er wenig später den Briten deswegen passieren lassen musste, wussten zwar Verstappen und die Rennleitung, aber offenbar nicht Hamilton und Mercedes. So kam es zum spektakulären Auffahrunfall in der 38. Runde, einer Szene, die in jedes Formel-1-Highlightvideo gehört. „Man hat mir gesagt, ich soll die Position zurückgeben, direkt vor Kurve 22/23. Also zog ich nach rechts, habe gebremst, runtergeschaltet“, sagte Verstappen - und dann knallte es in seinem Heck. Hamilton sah das entsprechend anders: „Er war plötzlich richtig langsam, sodass ich ihm ausweichen musste. Es war schwer, aber ich habe es geschafft, das Auto in einem Stück zu halten.“ Überhaupt sei es „nicht das erste Mal“ gewesen, dass er Schlimmeres verhindert habe.

Die Bewertung dieser Situation, die Erinnerungen an den „Bremstest“ von Baku 2017 mit den Protagonisten Hamilton und Sebastian Vettel weckte, gingen weit auseinander.

„Rowdy Arabia“, schrieb die britische „Sun“ knackig. „Verstappen darf das Reglement nicht mit Füßen treten“, wertete die spanische „Marca“. „Max hat hart gebremst, das war das wirklich Gefährliche“, meinte Hamilton. Dies sah die Rennleitung ebenso, sie belegte Verstappen mehr als drei Stunden nach Rennende mit einer Zehn-Sekunden-Strafe, die nichts an der Reihenfolge änderte.

Verstappens Boss, Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, nahm hingegen den Mercedes-Star ins Visier. „Hamilton hat sich einfach verschätzt. Dieses Manöver hat an unseren Hinterreifen zwei Cuts hinterlassen. Wir mussten froh sein, ins Ziel zu kommen“, grantelte der Grazer bei Sky und beklagte „einseitige Entscheidungen“ zugunsten Hamiltons.

Vereint waren die Hauptdarsteller am Sonntag nur in einem Punkt: Die WM dürfe auf keinen Fall durch einen Crash entschieden werden. Bleibt zu hoffen, dass dies keine Worthülsen sind. (sid/jph)

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment