Belgien setzt auf Prävention und Schutz, nicht auf Schließung

<p>Fortan gilt die Mundschutzpflicht bereits ab dem zehnten Lebensjahr.</p>
Fortan gilt die Mundschutzpflicht bereits ab dem zehnten Lebensjahr. | Foto: belga

„Alle Signale stehen auf Rot“, ließ De Croo gleich zu Beginn des Pressetermins erst gar keine Zweifel ob des Ernstes der epidemischen Lage in unserem Land aufkommen. „Die Zahl der Infektionen ist besonders hoch, die Bettenbelegung in den Krankenhäusern hat sich innerhalb weniger Wochen verdoppelt. Die rote Linie von 500 Covid-Patienten auf den Intensivstationen ist überschritten. Die Entwicklung ist besorgniserregend. Wir alle hatten auf einen Winter ohne Corona gehofft, aber unser Land ist keine Insel. Die Europakarte färbt sich rasend schnell rot. Das gilt auch für Belgien. Weil wir mehr Zeit in geschlossenen Räumen verbringen, stecken wir uns schneller an.“

Aus diesem Grund, so der Premierminister, „haben wir Maßnahmen getroffen, die sehr breit angelegt sind. Wir legen den Schwerpunkt auf Prävention und Schutz, nicht auf Schließung.“ Also kein (Teil-)Lockdown wie in den Niederlanden oder in Österreich – dank unserer hohen Impfquote. De Croo erinnerte an die vier Grundregeln: eingeschränkter Kontakt, Abstand halten, Mundschutz tragen und gute Luftqualität. So gilt künftig eine weitgehende Mundschutzpflicht in Innenräumen und bei Veranstaltungen, und das für alle Personen ab dem Alter von zehn Jahren statt, wie bisher, zwölf Jahren.

Neben der Verwendung des Covid Safe Tickets (CST) wird das Tragen eines Mundschutzes auch auf die Gaststätten ausgeweitet: Die Kunden müssen ständig eine Maske tragen, außer beim Sitzen und beim Essen und Trinken. Dies gilt auch für Tanzlokale und Diskotheken. Dort werden die Besucher am Eingang zudem einen negativen Selbsttest ablegen. Die obligatorische Telearbeit wird wieder eingeführt: Bis zum 12. Dezember müssen die Beschäftigten in Unternehmen, in denen dies möglich ist, vier Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten. Anschließend gilt die Telearbeit während drei Tagen.

„Wir müssen das gemeinsam durchstehen und nicht dem einen oder anderen die Schuld zuweisen“, sagte De Croo. Um den kollektiven Schutz so hoch wie möglich zu halten, wird es auch eine neue Welle von Impfungen geben, vornehmlich eine Auffrischungsimpfung für alle. Die ersten 900.000 Menschen (Senioren über 65, Menschen mit einem schwachen Immunsystem,...) erhalten derzeit bereits ihre Booster-Impfung, bald werde auch die allgemeine Bevölkerung an der Reihe sein. Über den präzisen Impfplan werde in den kommenden Wochen kommuniziert. „Die Regionen und Gemeinschaften haben sich verpflichtet, ihre ganze Energie in die neue Impfkampagne zu stecken“, so De Croo.

Der flämische Ministerpräsident Jan Jambon (N-VA) betonte: „Wir ergreifen zusätzliche Maßnahmen, aber wir schließen keine Sektoren oder Unternehmen. Wir hoffen, dass wir mit diesen Maßnahmen schnell die Kurve kriegen.“ Der wallonische Regierungschef Elio Di Rupo (PS) unterstrich die Bedeutung der Auffrischungsimpfung für alle, die Rückkehr zur allgemeinen Mundschutzpflicht und zur obligatorischen Telearbeit. Für Pierre-Yves Jeholet (MR), MP der Französischen Gemeinschaft, ist es wichtig, dass nicht polarisiert, dass ein Teil der Bevölkerung nicht stigmatisiert wird.

„Die Entscheidungen, die wir getroffen haben, fallen uns nicht leicht und sind für viele Menschen zweifellos enttäuschend“, meinte Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke (Vooruit). „Aber sie sind ein absolutes Minimum“, fuhr er fort. „Wir erleben eine Explosion von Infektionen“. Am 8. November wurden 15.000 Neuinfektionen registriert, am 15. November waren es bereits (vorläufig) 19.300. Vandenbroucke betonte auch, dass die neuen Maßnahmen „strenger als bisher durchgesetzt und kontrolliert werden“. Die Gesundheitsinspektion trete z.B. auf den Plan, wenn in einer Gaststätte kein CO2-Messgerät vorhanden sei. Die Polizei werde aktiv, wenn das CST nicht ordnungsgemäß verwendet werde. „Wenn wir die Maßnahmen nicht ernsthaft überwachen, werden wir das Ziel nicht erreichen. Das Virus ist hartnäckig. Aber gemeinsam sind wir noch hartnäckiger.“

Was die Weihnachts- und Neujahrsfeiern betrifft, setze die Regierung auf den gesunden Menschenverstand, fügte Vandenbroucke hinzu. „Wir werden nicht mit irgendwelchen Regeln kommen.“

Der Konzertierungsausschuss bekräftigte die Einigung innerhalb der Föderalregierung über eine Impfpflicht für das Pflegepersonal und besprach die Möglichkeit einer Impfpflicht für alle. Die zu befolgende Strategie zur Erhöhung der Impfquote werde juristisch und ethisch analysiert, so de Croo, der selbst gegen eine allgemeine Impfpflicht ist.

Übersicht der neuen Maßnahmen, die vom 20 November 2021 bis 28. Januar 2022 gelten

Vier Grundregeln: Abstand halten (1,5 M), Kontakte einschränken oder sich im Freien treffen, einen Mundschutz tragen und Innenräume lüften.

Telearbeit: Telearbeit wird im Privatsektor und in allen öffentlichen Verwaltungen obligatorisch, es sei denn, die Art der Funktion oder die Kontinuität der Aktivitäten lassen dies nicht zu. Bis zum 12. Dezember muss jeder vier Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten, ab dem 13. Dezember wird die Telearbeit an drei Tagen pro Woche verpflichtend.

Mundschutz und Covid Safe Ticket (CST): In geschlossenen öffentlichen Räumen gilt eine allgemeine Mundschutzpflicht. Dazu gehören öffentliche Verkehrsmittel, medizinische und nicht-medizinische Kontaktberufe, Gesundheitseinrichtungen, Bibliotheken, Mediatheken, Verwaltungsgebäude, Gerichte, Geschäfte und Einkaufszentren, Kulturzentren, Fitnessstudios, Kirchen und Moscheen. An Orten, an denen das CST verwendet wird, muss auch ein Mund-Nasenschutz getragen werden: Dies gilt für öffentliche und private Veranstaltungen mit mehr als 50 Personen im Innenbereich oder mehr als 100 Personen im Außenbereich sowie für Gaststätten, Theater, Konzerthallen, Kulturzentren, Kinos sowie Vergnügungs- und Themenparks.

Kinder: Die Mundschutzpflicht gilt für Kinder ab dem Alter von zehn Jahren (bisher zwölf Jahre). Die Bildungsminister entscheiden über den Mundschutz in der Schule. In Flandern ist dies derzeit ab der fünften Primarschulklasse der Fall. In Ostbelgien und in der Französischen Gemeinschaft verzichtet man auf jegliche Mundschutzpflicht in Grundschulen.

Gastgewerbe: Die Verwendung des CST bleibt im Hotel- und Gaststättengewerbe obligatorisch. Neben dem Personal müssen auch die Kunden sowohl in Cafés auch in Restaurants, einen wieder einen Mundschutz tragen, wenn sie sich bewegen, d.h. beim Betreten, beim Umhergehen und beim Gang zur Toilette. Wenn man sitzt, kann man die Maske abnehmen.

Nachtleben: Neben der obligatorischen Verwendung des CST müssen die Besucher von Diskotheken und Nachtclubs entweder einen negativen Selbsttest (am Eingang) ablegen oder einen Mundschutz tragen. Für Tanzlokale gelten die gleichen Regeln wie in der Gastronomie: Wer nicht sitzt, muss einen Mundschutz tragen.

Belüftung: Der Konzertierungsausschuss fordert die Bildungsminister auf, die Installation von CO2-Messgeräten in Schulen zu beschleunigen (was in der DG bereits der Fall ist). Für den Arbeitsplatz wurde die gleiche Absprache gemacht.

Auffrischungsimpfung: Für alle, die vollständig geimpft wurden, wird so bald wie möglich eine Auffrischung (Booster) verabreicht. Der Konzertierungsausschuss nennt kein konkretes Datum. Rund 900.000 Personen haben in unserem Land bereits die dritte Dosis erhalten.

Kinderimpfung: Die Kampagne für die Impfung von Kindern zwischen fünf und elf Jahren soll gestartet werden, sobald die Europäische Arzneimittelagentur (EMA), der Hohe Gesundheitsrat und der Ausschuss für Bioethik grünes Licht gegeben haben.

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