Ovationen und Getuschel nach dem beeindruckenden Sieg von „Tornado Lewis“

<p>Die Leistung des Mercedes in Interlagos schockte die Konkurrenz.</p>
Die Leistung des Mercedes in Interlagos schockte die Konkurrenz. | Foto: ispoix

Wiederauferstandener Senna, Tornado Lewis oder einfach nur der beste Formel-1-Fahrer aller Zeiten. Lewis Hamilton ist nicht bekannt dafür, nach einem Rennen stapelweise Zeitungen zu durchforsten, doch ein Blick in die Montags-Gazetten rund um den Globus würde dem Rekordweltmeister im Titelkampf gewiss weiteren Auftrieb verleihen.

101 Siege in der Königsklasse hat der Brite nunmehr auf dem Konto, der Triumph von Sao Paulo gehört dabei zu seinen herausragendsten Vorstellungen. Alles schien schließlich bereitet für eine WM-Vorentscheidung zu seinen Ungunsten, doch Hamilton trotzte der Rückversetzung für den Sprint ans Ende des Feldes und der Fünf-Plätze-Strafe für das Rennen.

„Dachte ich, dass das möglich ist? Ich weiß es nicht“, sagte Hamilton: „Es war eines der besten Wochenenden, vielleicht das beste meiner gesamten Karriere. Und auch eines der schwierigsten. Aber: Nichts ist unmöglich.“

Von Rang zehn stürmte Hamilton unwiderstehlich an die Spitze - nie zuvor gewann in Interlagos ein Fahrer aus einer so schlechten Ausgangsposition. Die WM-Entscheidung fällt damit frühestens im vorletzten Rennen in Saudi-Arabien und nicht schon am Sonntag in Katar (15 Uhr). Doch Hamilton ist entschlossen, den Rückstand von 14 Punkten auf Max Verstappen weiter abzuknabbern, und er scheint die Mittel dafür zu besitzen: unerschütterliche Moral und einen furchteinflößenden Top-Speed.

Dass der Mercedes mit der Startnummer 44 in einer eigenen Liga unterwegs war, wunderte freilich auch den siebenmaligen Champion selbst ein bisschen: „Aus welchem Grund auch immer hat unser Auto hier fantastisch funktioniert. Aber wir nehmen das gerne.“

Ungläubig rieb man sich bei Verstappens Red-Bull-Team die Augen. Und sogleich setzte sich ein Prozess in Gang, der zur DNA der Formel 1 gehört: die Denkweise, dass eine Leistungsexplosion kaum mit rechten Dingen zugehen kann.

„Wir müssen verstehen, woher ihr Speed auf den Geraden kommt. Das ist nicht normal“, sagte Red-Bull-Teamchef Christian Horner bei Sky. Ob er an einen Protest denke? „Das wäre zu früh“, erklärte der Brite. Noch, muss man wohl sagen.

Schließlich zweifelt kaum jemand an, dass Red Bull die Kontrolleure des Automobil-Weltverbandes FIA auf Hamiltons Heckflügel aufmerksam gemacht hatte. Dieser wurde von den Rennkommissaren nach dem Qualifying bei einer Routinekontrolle als irregulär eingestuft, was den Mercedes-Star schwer ins Hintertreffen brachte.

„Mal sehen, ob noch mehr lustige Dinge passieren. Ein Protest etwa“, unkte der angefressene Mercedes-Sportchef Toto Wolff nach dem Rennen. Vertreter von Red Bull gingen „im FIA-Büro ein und aus“, polterte der Österreicher und ätzte: „Wegen mir sollen sie ihn (Hamiltons Heckflügel aus dem Qualifying; d.Red.) mitnehmen und auseinanderflexen.“

Seit Sonntag ist die Sorge bei Red Bull vor dem neuen Motor in Hamiltons Heck aber deutlich größer. Rund 20 km/h sei der 36-Jährige auf der Start-Ziel-Gerade schneller gewesen als Verstappen, behauptete Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, um süffisant nachzuschieben: „Mercedes ist ein Meisterwerk gelungen, so eine Rakete in dieser Phase herbeizuzaubern.“

Marko weiß, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Power Unit per Reglement stark eingeschränkt sind. Auch fand der Österreicher bemerkenswert, dass von den acht von einem Mercedes-Aggregat angetriebenen Autos im Feld Hamiltons Wagen beim Topspeed deutlich herausstach.

Mercedes verwies darauf, dass ihre Verbrennungsmotoren in diesem Jahr anfangs enorm stark seien, dafür aber auch schneller abbauten als in der Vergangenheit. Stimmt diese Rechnung, wäre Hamilton vielleicht schon in Katar, wahrscheinlich aber in Dschidda und beim Saisonfinale in Abu Dhabi seiner „Superkräfte“ beraubt. Bei Red Bull wird man genau hinschauen. (sid/jph)

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