Der Triple-Header fordert Tribut: Die Formel 1 als Reisezirkus

<p>Hier startet das straffe Programm der Formel 1 in den kommenden Wochen: im Autodrome Hermanos Rodriguez, Mexico City.</p>
Hier startet das straffe Programm der Formel 1 in den kommenden Wochen: im Autodrome Hermanos Rodriguez, Mexico City. | Foto: Isopix

Mexiko, Brasilien, Katar. Dieser sogenannte Triple-Header in der Formel 1 hat es in sich. Tausende Flugkilometer müssen zwischen Mexiko-Stadt, São Paulo und Doha zurückgelegt werden. Hektik und Höchstbelastung auf der Zielgeraden der nächsten Corona-Saison für die Fahrer, aber vor allem auch für das weitere Teampersonal. „Jeder, der Teil dieses Reisezirkus ist, spürt die Erschöpfung“, räumte McLaren-Fahrer Daniel Ricciardo in Mexiko-Stadt ein.

22 Grand Prix wird die Königsklasse des Motorsports in dieser Saison absolviert haben. Der anstehende Dreierpack über elf Zeitzonen hat es logistisch, physisch und psychisch besonders in sich. „Die Triple-Header sind hart für die Jungs, weil sie vier Wochen von ihren Familien weg sind“, bemerkte Williams-Teamchef Jost Capito. Mit Jungs meint der Deutsche nicht nur seine Fahrer. Capito denkt auch an die Frauen und Männer, die als Mechaniker, Ingenieure und sonstige Crew-Mitglieder arbeiten, die deutlich weniger komfortabel reisen und deutlich weniger komfortabel logieren als die 20 Spitzenpiloten oder ihre Teamchefs.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass wir eine Gruppe von Menschen sind, die um die Welt reisen“, sagte Aston-Martin-Pilot Sebastian Vettel. „Das Ziel sollte sein, dass wir eine nachhaltige Art und Weise haben, unsere Saison durchzuführen, nicht nur für unsere Umwelt, sondern auch mit Blick auf die menschlichen Ressourcen.“ Vettel sprach dabei insbesondere von der kommenden Saison. Dann schwillt der Kalender auf 23 Grand Prix an – so viele wie nie. Es wird so anstrengend wie nie. Aber die Rennveranstalter, TV-Stationen und Sponsoren zahlen schließlich für das Hochglanz-Produkt.

Vettel ist Familienvater. Er macht beruflich, was er liebt. Er weiß, dass er privilegiert ist. Auch die anderen Angestellten im Rennzirkus sind sich dessen bewusst, dass sie in einem exklusiven Zirkel arbeiten. Sie sind stolz darauf, zum Racing zu gehören. Dennoch wird offen über das Thema Belastungsgrenze gesprochen. „Wir wollen Rennen rund um den Globus veranstalten, eine hervorragende Show an tollen Orten bieten und sicherstellen, dass der Sport bei Zuschauerzahlen, Reichweite und kommerziellen Einnahmen wächst“, bemerkte Mercedes-Teamchef Toto Wolff, bevor der XXL-Kalender für die kommende Saison abgesegnet wurde, „wir müssen aber auch sehen, welchen Tribut es von den Menschen fordert.“

Welchen denn? „Die meisten Leute im Team, ob Ingenieure oder Mechaniker, haben eine Familie oder Kinder, um die sie sich kümmern wollen“, sagte Vettel. Das ist ganz sicher der emotionale Tribut, den die Formel 1 als Gegenleistung einfordert: Die Trennung von der Familie und den Freunden in der Heimat.

Und was ist an der Rennstrecke? Ein Grand Prix beginnt für viele Mitarbeiter nicht erst am Wochenende, sondern oft schon am Montag davor mit der Anreise. Die Garagen-Crew zum Beispiel muss bereits die Boxen aufbauen. Und nach dem Rennen am Sonntag muss der Abbau innerhalb weniger Stunden funktionieren. Weiter- oder Abreise noch am selben Tag oder am Montag. Da kommt man innerhalb einer Woche leicht auf 80 Stunden Arbeitszeit.

Die Teams begegnen (Über-)Belastungen in ihren Crews mit verschiedenen Maßnahmen. Das reicht von der Verlagerung mancher Aufgaben in die heimischen Rennfabriken über finanzielle Anreize, die vermehrte Buchung von Einzel- statt Doppelzimmern, die Betreuung durch mitreisende Ärzte bis zu Auszeiten. 2022 wird dann ein besonderer Stresstest. Die Saison startet am 20. März in Bahrain, das Finale steigt am 20. November in Abu Dhabi, ehe eine lange Winterpause zum Krafttanken folgt. Eine 245-Tage-Saison mit Glücksmomenten und Enttäuschungen. (dpa/tf)

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