Nehmen Sie Ihren Hut, Herr Minister

<p>Er trägt die politische Verantwortung für die kolossalen Fehleinschätzungen und die anschließenden Fehler im Wassermangement der Wesertalsperre und für deren Folgen: der wallonische Umweltminister Philippe Henry.</p>
Er trägt die politische Verantwortung für die kolossalen Fehleinschätzungen und die anschließenden Fehler im Wassermangement der Wesertalsperre und für deren Folgen: der wallonische Umweltminister Philippe Henry. | Foto: Photo News

Die Rechtfertigungsversuche des zuständigen Ministers Philippe Henry (Ecolo) kann man nicht gelten lassen. Billig wirkt die Entschuldigung des Ministers, man verlasse sich bei der Wallonischen Region auf die Wettervorhersagen des nationalen Instituts IRM. Wie konnte man die Flutwarnungen der zu diesem Zweck eingerichteten gemeinsamen europäischen Behörde EFAS ignorieren, fragen sich zu Recht Experten.

Das Warche- und das Ameltal waren von den Wassermengen weit weniger betroffen, weil man in Bütgenbach und Robertville vorsorglich Platz in den Talsperren geschaffen hatte und somit, während der schlimmen Stunden Mittwoch und Donnerstag, Wasser zurückhalten konnte, statt, wie in Eupen geschehen, in der Spitze 150 Kubikmeter pro Sekunde in die Weser abzulassen. Die war eh schon mit einem Volumen von bis zu 300 Kubikmeter Wasser total überfordert. Die fahrlässige Handhabung der Vorwarnungen durch die Verantwortlichen an der Sperrmauer bis hin zu Minister Philippe Henry führten zu einer Erhöhung der Belastung der Weser um bis zu 50 Prozent ! Auch die Zerstörungen an der Hill sind zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen, dass durch das Ablassen von Unmengen an Wasser durch die Wesertalsperre die wilden Fluten der Hill nicht mehr abfließen konnten: Es kam zu Rückstau. Von dem hohen Zoll an Menschenleben im weiteren Verlauf der Weser ganz zu schweigen.

Es wird dauern, ehe alle Fakten auf dem Tisch zur Analyse liegen. Man wird allerdings den Eindruck nicht los, dass bewusst Informationen zurückgehalten werden und man in Namur versucht, sich in die Sommerpause zu retten.

Mit diesem Manöver mag man Zeit gewinnen. An der politischen Verantwortung der Wallonischen Region und des zuständigen Ministers Philippe Henry ändert das nichts. Bereits jetzt steht fest, dass schwere Fehler gemacht wurden. Die hat Philippe Henry zu verantworten. Es geht schließlich nicht um eine Bagatelle. Mehr als 30 Menschen haben ihr Leben gelassen, Tausende Menschen ihr Zuhause verloren, ganze Unternehmen mit Tausenden Arbeitsplätzen stehen vor dem Ruin, es sind massivste Schäden, auch für die Umwelt, entstanden.

Der Rücktritt von Umweltminister Philippe Henry wäre mehr als geboten.

Kommentare

  • Guten Morgen,
    Warum machen Sie eigentlich nicht den Minister Henry auch für die zahlreichen Toten in NRW verantwortlich? Die 30 Toten und tausende Obdachlosen von denen sie redenen, gehen die alle auf die Fehlentscheidungen an der Wesertalsperre zurück, für welche Minister Henry selbstverständlich politisch verantwortlich ist? Werden Sie sich in Kürze erneut entschuldigen müssen (siehe "In eigener Sache" GE von heute)? Werden Sie dann auch hinzufügen "Der Rücktritt von.... wäre mehr als geboten"?.
    Mit freundlichen Grüßen,

  • Die auch in den sozialen Foren betriebene hektische Suche nach dem „Schuldigen“ für die Katastrophe ist demnach also beendet.
    Die Frage, die es trotz des Urteils des GE-Chefredakteurs auf der Grundlage von nachvollziehbaren Daten zu beantworten gilt ist, welche Rückhaltekapazität die Talsperre vor Beginn der Regenfälle hätte haben müssen, um die unvorstellbaren Wassermassen aus ihrem Einzugsgebiet zurückzuhalten und wieviel Zeit notwendig gewesen wäre, diese Kapazität durch mehr oder weniger kontrollierten Abfluss vorher zu schaffen.
    Dazu gibt es - mal wieder - unterschiedliche „Expertenmeinungen“ und unterschiedliche Berechnungen.
    Wenn Herr Henry behauptet haben soll, die Talsperre sei vor Beginn der Regenfälle halb voll gewesen, ist er allerdings schlecht informiert oder er sagt die Unwahrheit.
    Erwarten dürfen insbesondere die von den Überflutungen Betroffenen eine sich auf Fakten (falls es so etwas in dieser postfaktischen Zeit noch gibt) stützende Aufarbeitung und nachvollziehbare Erklärungen, warum so gehandelt wurde und nicht anders. Rücktritte sind danach zu fordern und ggf. auch fällig.
    Alles andere hilft weder den Betroffenen gehört aber scheinbar heutzutage auch zum journalistischen Ton.

  • Sehr geehrter Herr Binz,
    wer die Verantwortung für die Talsperren in NRW hat und ggf. dort eine (Mit-)Verantwortung für die katastrophalen Überschwemmungen hat, weiß ich nicht. Sicher nicht der für die Eupener Talsperre - Wallonische Region, Belgien - zuständige wallonische Minister Philippe Henry (ECOLO). Da Sie dies ja wohl wissen: was bezwecken Sie also mit Ihrer Frage an O. Schröder, ob er den wallonischen ECOLO-Minister auch für die Toten in NRW (mit)verantwortlich macht? Ablenkungsmanöver sind hier völlig fehl am Platz! Minister HENRY hat keine persönliche Schuld an der Katastrophe (es sei denn, er wäre über die Sachlage informiert gewesen und habe falsche Entscheidungen mit getragen), aber in unserem demokratischen parlamentarischen System hat er die politische Verantwortung für Fehler seines Ministeriums zu übernehmen. Dies umso mehr als er sich sofort schützend vor die Verantwortlichen seines Ministeriums gestellt hat. Obschon mir deren Fehlverhalten offenkundig erscheint, wäre es wohl angesichts der katastrophalen Folgen mehr als zwingend, einen Untersuchungsausschuss im wallonischen Parlament zur Klärung der Verantwortungen einzusetzen. Es wäre gut, wenn die wallonischen Abgeordneten der DG (Frau KELLETER /ECOLO und Frau MAUEL /MR) diesen Vorschlag unverzüglich im wallonischen Parlament hinterlegen würden.

  • Ich möchte bei allen Gefühlen und Gedanken, die tagelang die Menschen im Wesertal beherrscht haben - und ich war dort auch einer davon -, die Dinge auf eine objektive Ebene führen.
    Es ist eine Tatsache, dass das Ablassen von Wasser seitens der Talsperren in diesem Maße dazu geführt hat, dass es für Menschen und Häuser eine so große Katastrophe wurde. Es ist also nur zum geringeren Teil eine Sache, die auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen ist.
    Die Menschen, die es getroffen hat, - dazu gehören größtenteils einfache und ärmere Menschen - stehen grÖßtenteils vor dem Nichts, weil sie nicht optimal versichert sind. Darüberhinaus war die Kommunikation zur betroffenen Bevölkerung quasi inexistent. Ich kann bis heute nicht gut verstehen, warum wir im Wesertal keinen Netzempfang fürs Handy hatten.
    Ich kann mir einfach nicht erklären, warum man nicht vorsorglich Wasser aus den Talsperren abgelassen hat. Ich glaube, dass die geschädigten Menschen ein Anrecht haben, die genauen Gründe zu erfahren, die ein Nicht-Ablassen von Wasser aus den Talsperren zur Folge hatte.
    Ich würde auch behaupten, dass es äußerst wichtig ist, die Kommunikationslosigkeit zwischen Talsperrenverantwortlichen und Gemeinden aufzuarbeiten und für die Zukunft zu verbessern - und zwar nicht in der Krise sondern sobald sie vorhersehbar ist.
    Vor allen Dingen finde ich es wichtig, dass in allen Diskussionen die Menschen im Mittelpunkt stehen.
    Ich finde die Solidarität unbeschreiblich toll!
    Was da miteinander erlebt wurde an gelebtem Engagement, das wird in den Herzen der Menschen bleiben. Darin fühlten sich die geschädigten Menschen ernstgenommen und wertgeschätzt.
    Das erwarten sie jetzt auch in der Aufarbeitung und in dem Wiederaufbau seitens der Verantwortlichen - und darin vor allem die Ehrlichkeit und Transparenz .

  • Sehr geehrter Herr Paasch,
    Wieso müssen Sie denn den Herrn Schröder in Schutz nehmen? Er ist sicherlich "groß und alt" genug um auf die Frage zu antworten ob die 30 Todesopfer und die Tausende Obdachlosen alle auf die Fehlentscheidungen an der Wesertalsperre zurückzuführen sind. Ich fand diese Behauptung übertrieben und daher meine Anspielung auf die Opfer der Katastrophe in NRW. Auf die Idee, dass es dabei um ein Ablenkungsmanöver (wovon übrigens?) handeln könnte, kann m.E. nur ein Politiker kommen!

  • „Es ist also nur zu einem geringeren Teil eine Sache, die auf eine Naturkatastrophe zurückzuführen ist.“

    Und von wo genau haben Sie diese Gewissheit, Herr Theiss? Von ganz ganz Oben? Denn da sitzt ja vermeintlich jemand, der seine Hände immer in Unschuld reibt und Verantwortung gerne an seine Schöpfung abtritt.

    Gehen Sie doch auch mal die Zerstörungswut anschauen, die Hill und Soor auf der Hütte veranstaltet haben. Oder die Hoegne in Theux und Pepinster oder die Ahr, oder….
    Keine Folgen einer Naturkatastrophe? Lächerlich!

    Es ist auch nicht das „Ablassen der Talsperre“, das zu dieser Katastrophe geführt hat, sondern allenfalls die nicht zeitige teilweise „Leerung“ der Sperre, um Rückhaltekapazitäten zu schaffen. In dem Moment, wo die Sperre droht überzulaufen, MÜSSEN sie die Menge ablassen, die einfließt.
    Tun sie dies nicht, fließt die gleiche Menge über die Sperre mit noch viel katastrophaleren Folgen.

    Die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss ist eine gute Idee? Es sei denn dieser wird - wie so oft in der Vergangenheit - parteipolitisch instrumentalisiert.

    Und danach sieht es bereits jetzt aus…

  • Sehr geehrter Herr Binz,
    ich weiß nicht was Sie mit ihren Anspielungen und persönlichen Angriffen bezwecken wollen. H. Schroeder gibt größtenteils die Meinungen der beiden Experten Frau Hannah Cloke und Herr Damien Ernst (Professor für Wasserwirtschaft an der Uni Lüttich) wieder. Er trifft damit den Nagel zu hundert Prozent auf den Kopf. Niemand der an den Tagen vor der Katastrophe an der Talsperre war konnte verstehen, dass man an der nahezu komplett gefüllten Sperre kein Wasser ablaufen lies, um sie als Rückhaltespeicher zu nutzen. In Eupen hat man genau des Gegenteil dessen praktiziert was an der Talsperre in Robertville und Bütgenbach erfolgreich gehandhabt wurde. Ein ähnliches Wassermanagement hätte die fatalen Schäden auf jeden Fall deutlich minimiert. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch bitte den hervorragenden Grenzechoartikel: Chronologie eines "kolossalen Fehlers".

  • Eine der wenigen, die im Gegensatz zu manch Profi- oder Amateurbesserwissern u.a. bei der Frage der „Schuld“ oder Verantwortung Ruhe bewahrt und sich nicht ohne Sach- und belastbare Faktenkenntnis an Spekulationen beteiligt, ist die Eupener Bürgermeisterin. Bravo!

    Es wird allerdings nicht lange dauern, dass man ihr vorhalten wird, sie würde ja nur ihren Parteifreund, Minister Henry schützen…

    Nein, Herr Gielen, die Talsperre war vor Beginn der Regenfälle nicht „komplett gefüllt“, sondern mit etwas mehr als 19 Millionen kbm knapp 4/5 gefüllt.
    Richtig, zuviel, um die unvorstellbaren Wassermassen des Unwetters aufnehmen zu können.

    In dem Artikel und Kommentar des GE-Chefredakteurs ist von einer Welle die Rede und davon, dass es ein Fehler war, 150 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abzulassen, in ein Flussbett, das ohnehin bereits überlastet war.
    Nochmal, diese Welle war in dem Moment, wo die Talsperre drohte überzulaufen nicht mehr zu verhindern, denn diese 150 Kubikmeter, die dem Zufluss aus Weser, Getzbach und sonstigen sich aus dem Wald geformten Zuflüssen in die Talsperre entsprachen, wären ansonsten über die Ablasstore oder die Mauer geflossen und hätten den gleichen Schaden angerichtet.

    Ihre Darstellung, Herr Gielen ist fehlerhaft, meine wahrscheinlich auch und die Artikel und Schlussfolgerungen von Herrn Schröder beinhalten falsche Schlüsse und jeder der sich in Spekulationen verliert trägt zur Meinungswirrwarr, aber nicht zur Klärung des Sachverhaltes bei.

    Es ist richtig und dringend erforderlich, dass um der Hexenjagd Einhalt zu gebieten, schnellstmöglich alle Fakten auf den Tisch gelegt werden. Statt eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses sollte m.E ein „unabhängiges“ Expertengremium die Fakten untersuchen und Schlussfolgerungen ziehen, die dann zu politischen und selbstverständlich auch personellen Konsequenzen führen können/sollen.

    Danke Claudia Niessen, dass zumindest du die Nerven behältst. Eine angesichts der Katastrophe nicht selbstverständliche, aber beruhigende Feststellung!

  • Soweit ich weiss unterliegen die Talsperren von Bütgenbach und Robertville der Verantwortung von Engie. Vielleicht gehen private Firmen ja verantwortungsvoller mit unserem Leben um als staatliche Einrichtungen.

  • Wie kommt es, dass angeblich die falschen Entscheidungen genommen wurden bei der Wesertalsperre und wie Herr Gielen meint, alles so erfolgreich gehandhabt wurde bei den Sperren von Bütgenbach und Roberville? Alle drei unterstehen doch der gleichen Region, dem gleichen Ministerium, der gleichen Provinz, den gleichen Beamten; oder ?

  • @ Herr Leonard
    ich habe nicht geschrieben, dass die Talsperre komplett gefüllt war, sondern das sie "NAHEZU komplett gefüllt war. Letzten Dienstag war dies der Fall und Mittwochnachmittag war sie komplett gefüllt.
    Sie schreiben auch, dass man sich nicht ohne "Sach- und belastbare Fachkenntnis an Spekulationen beteiligen soll" urteilen aber, dass die Darstellung von Herrn Schröder und von mir fehlerhaft wären. "Wat" denn nun?
    Immer mehr Experten sind der Meinung das die Talsperren Verwaltung in Namur versagt hat, siehe auch Grenzecho von heute. Minister Henry ist sicher persönlich am wenigsten für dieses Versagen verantwortlich, dass er jedoch nicht dafür sorgt das Zahlen und Fakten auf den Tisch kommen und stattdessen abgetaucht ist, kann man nicht nachzuvollziehen. Ein Schelm wer Böses dabei denkt.

  • Ein lesenswerter Leitartikel im Le Soir von heute:

    „Et si on arrêtait de jouer au toutologue“ von Hubert Vanslembrouck

    Welch‘ wohltuender Kontrast zur Hexenjagd des GE

    https://plus.lesoir.be/385896/article/2021-07-26/et-si-arretait-de-jouer...

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