Lothar Matthäus in GE-Kolumne: „Vor allem Belgien und Italien traten überzeugend auf“

<p>Lothat Matthäus blickt auf die ersten Spiele der Gruppenphase</p>
Lothat Matthäus blickt auf die ersten Spiele der Gruppenphase | Foto: dpa

Nach dem ersten Spieltag dieser EM lässt sich festhalten: Es waren viele spannende und auch schon ein paar hochklassige Spiele dabei. Vor allem die Belgier und Italiener sind überzeugend aufgetreten, auch die Niederländer haben schönen Fußball gezeigt. Europameister Portugal hat zwar verdient, aber zu hoch in Ungarn gewonnen. Weltmeister Frankreich hat Deutschland die Grenzen aufgezeigt. Die Deutschen waren zwar bemüht, aber manches hat mich bei denen an 2018 erinnert.

Insgesamt ist die fußballerische Qualität zwar noch etwas durchwachsen und ein bisschen Sand im Getriebe. Das ist aber normal, erst recht nach der langen Saison. Hinzu kommt der Modus, in dem auch die vier besten Gruppendritten weiterkommen und nur acht von 24 Mannschaften nicht das Achtelfinale erreichen. Da will erst einmal keiner verlieren, die Mannschaften gehen die Spiele vorsichtig an. Man weiß ja, dass man mit einem Unentschieden und einem Sieg schon weiter wäre.

Eine Ausnahme bildete das 3:2 zwischen den Niederlanden und der Ukraine. Das war Fußball, wie wir ihn sehen wollen und für mich bisher das Highlight dieser EM. Ich bin aber überzeugt: Wenn die K.o.-Phase näher rückt und die ersten Entscheidungen anstehen, dann wird die Risikobereitschaft vieler Teams zunehmen und damit auch das Niveau steigen. Teamgeist wird dabei der Schlüssel zum Erfolg sein. Wenn die besten Spieler zwar eine Mannschaft bilden, sie sich aber nicht verstehen, dann wird es nichts werden mit dem Titelgewinn.

Wie viel Teamgeist ausmachen kann, hat man beim 0:0 zwischen Spanien und Schweden gesehen. Die Schweden haben aufopferungsvoll gekämpft und hätten trotz Spaniens großer Überlegenheit sogar gewinnen können. Die Spanier haben mich aber nicht enttäuscht, ihnen hat nur die letzte Konsequenz gefehlt.

Überwiegend haben sich die Favoriten aber durchgesetzt, auch bei England gegen Kroatien. Das liegt nicht allein an ihrer Qualität. Ich habe den Eindruck, dass die Favoriten das Turnier von Anfang an ernst nehmen. Sie wissen, dass sie sich mit einem Gruppensieg Vorteile fürs Achtelfinale verschaffen können, weil sie dann wahrscheinlich eine etwas einfachere Aufgabe gegen einen Zweiten oder Dritten einer anderen Gruppe haben werden.

Die größte Überraschung war für mich bisher, dass die Slowakei gegen Polen gewonnen hat. Da hat man gesehen, dass Robert Lewandowski in der Nationalmannschaft nicht solch hochklassige Mitspieler hat wie beim FC Bayern. Auch der Weltfußballer ist darauf angewiesen, dass er Vorlagen bekommt. Die Bälle erhält er beim FC Bayern und die bekäme er auch bei Real Madrid oder dem FC Barcelona. Aber in der polnischen Nationalmannschaft fehlt seinen Mitspielern eben die ganz große Qualität.

Das Turnier ist zwar noch jung, aber für mich haben wir schon das Tor dieser EM gesehen. Da lege ich mich fest: Schöner als der Tscheche Patrik Schick beim 2:0 gegen Schottland wird keiner mehr treffen bei diesem Turnier. Es freut mich, dass sein Mut belohnt wurde, es aus fast 50 Metern zu versuchen. Um dieses Sensationstor zu überbieten, müsste schon ein Solo her wie von Diego Maradona bei der WM 1986. Spektakulärer wird übrigens auch kein Torwart mehr im Netz zappeln.

Auch die Szenen, die von diesem Turnier am meisten in Erinnerung bleiben werden, haben wir bereits gesehen. Man kann nur glücklich und dankbar sein, dass der Däne Christian Eriksen so schnell Hilfe bekommen und seinen Zusammenbruch überlebt hat. Ich habe es live im Fernsehen verfolgt, und wie vielen Menschen sind mir diese Szenen sehr nahegegangen. In solchen Momenten fühlt man sich einfach machtlos. Umso erleichterter kann man jetzt sein. Ich hoffe, dass sich Christian Eriksen gut erholt. Wenn er irgendwann wieder auf dem Platz stehen sollte, könnte man erst recht sagen: Das ist nochmal gut ausgegangen.

(dpa)

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment