Die USA wollen wieder Vorreiter sein - Bidens Klimagipfel

<p>Wie aus dem Weißen Haus verlautete, strebt Joe Biden eine Verringerung der Treibhausgase im Vergleich zu 2005 um 50 bis 52 Prozent bis 2030 an.</p>
Wie aus dem Weißen Haus verlautete, strebt Joe Biden eine Verringerung der Treibhausgase im Vergleich zu 2005 um 50 bis 52 Prozent bis 2030 an. | Foto: picture alliance/dpa/AP

Der Klimawandel macht sich direkt vor Joe Bidens Haustür bemerkbar. Der Potomac, der durch die US-Hauptstadt fließt, mündet direkt in die Chesapeake Bay, die größte Flussmündung der USA. Die Region sei von den Auswirkungen des steigenden Meeresspiegels praktisch doppelt so stark betroffen wie der globale Durchschnitt, sagt die Leiterin der Abteilung für Wissenschaft und Agrarpolitik der Chesapeake Bay Foundation, Beth McGee. „Während die Meere steigen, senkt sich das Land in dieser Region ab.“ Die Folge: Städte wie Washington erlebten wiederkehrende Überschwemmungen, die Region verliere Inseln und Schwemmland.

Wenn sich der US-Präsident an diesem Donnerstag und Freitag vom Weißen Haus aus mit 40 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu einem Klimagipfel zusammenschaltet, werden die Probleme der Umgebung der US-Machtzentrale wohl nicht zur Sprache kommen. Doch auch an der Chesapeake Bay keimt Hoffnung angesichts von Bidens Versprechen, dass die Vereinigten Staaten die globalen Anstrengungen für den Klimaschutz anführen und mit gutem Beispiel vorangehen wollen. Worum es bei dem Gipfel gehen wird:

AMERIKA IST ZURÜCK

Gerade mal drei Monate ist es her, dass Donald Trump aus dem Weißen Haus ausgezogen ist - und mit ihm die Zweifel am Klimawandel. Trump weichte Umweltvorschriften der Regierung seines Vorgängers Barack Obama auf und zog die USA aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 zurück. Biden dagegen begreift den Klimawandel als existenzielle Bedrohung und als Gefahr für die nationale Sicherheit. Den Kampf dagegen hat er zur Priorität erklärt, Ex-Außenminister John Kerry zum Klimabeauftragten im Nationalen Sicherheitsrat ernannt und unmittelbar nach seinem Amtsantritt die Rückkehr der USA in das Abkommen von Paris verfügt. Mit dem Gipfel verdeutlicht Biden, dass er den Kampf gegen den Klimawandel als zentrale Aufgabe begreift - und sein Mantra „Amerika ist zurück“ mit Leben füllt.

MEHR EHRGEIZ BEIM KLIMASCHUTZ

„Wenn Amerika es nicht schafft, die Welt bei der Bewältigung der Klimakrise anzuführen, wird von der Welt nicht mehr viel übrig sein“, sagte Außenminister Antony Blinken am Montag. Die USA verursachen nach China am meisten klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen - die beiden größten Volkswirtschaften sind damit entscheidend für einen Erfolg im Kampf gegen die Erderhitzung. Biden hat schon im Wahlkampf als Ziel ausgegeben, dass er die USA als Präsident auf den Pfad bringen wolle, dass sie bis 2035 Strom ohne CO2-Emissionen erzeugen und spätestens 2050 ihre CO2-Emissionen auf netto Null drücken.

Nun gilt es, konkret zu werden. Anlässlich des Gipfels will Biden nach Angaben von Regierungsmitarbeitern nun ein „ehrgeizigeres“ Klimaziel der USA für 2030 bekanntgeben. Immerhin hat Biden wiederholt bekräftigt, dass die USA bei der Umsetzung des Abkommens von Paris eine Führungsrolle einnehmen wollen. In dem Vertrag werden die Mitglieder dazu angehalten, ihre Ziele alle fünf Jahre stufenweise nachzubessern - und Biden muss zeigen, dass es den USA ernst ist mit ihrem Comeback als Klima-Vorreiter.

Wie aus dem Weißen Haus verlautete, strebt Biden eine Verringerung der Treibhausgase im Vergleich zu 2005 um 50 bis 52 Prozent bis 2030 an. Die Leiterin des Europa-Büros der Umweltschutzorganisation Environmental Defense Fund (EDF), Jill Duggan, sagte vor der Bekanntmachung: „Wir erwarten, dass die Biden-Regierung ein Ziel präsentieren wird, das nicht leicht einzuhalten sein wird, aber zu erreichen ist.“ Den Ausstoß von Treibhausgasen im Vergleich zu 2005 zu halbieren, sei zu schaffen. Biden forderte vor dem Gipfel auch andere Staats- und Regierungschefs auf, das Online-Treffen für neue, ehrgeizigere Zusagen zu nutzen. Die EU legte sich kurz vor dem Spitzentreffen endgültig auf ein Klimaziel für 2030 fest. Das Weiße Haus erwartet weitere Ankündigungen.

SÜNDER UND LEIDTRAGENDE

Den ersten Erfolg konnte Biden schon vor Gipfel-Beginn verbuchen: Alle 40 eingeladenen Staats- und Regierungschefs sagten zu. Sogar Russland und China sind dabei, obwohl es um die Beziehungen zwischen diesen Ländern und den USA besser stehen könnte. Neben den größten Klimasündern - China, den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Indien - sollen auch Staats- und Regierungschefs aus Ländern zu Wort kommen, die durch die Auswirkungen des Klimawandels besonders gefährdet oder schon jetzt davon betroffen sind, obwohl sie nur in geringem Maße klimaschädliche Emissionen verursachen. Das gilt zum Beispiel für Bangladesch oder auch für Länder auf dem afrikanischen Kontinent.

CHANCEN DES KLIMAWANDELS

Ehrgeizige Klimaziele können nur durch tiefgreifende Veränderungen in nahezu allen Lebensbereichen erreicht werden - das weiß auch Biden. Um die Amerikaner davon zu überzeugen, wirbt er unnachgiebig mit Arbeitsplätzen. „Wenn ich an Klimawandel denke, denke ich an Jobs“, sagte Biden schon im Wahlkampf. Die Schaffung einer klimaresistenten Infrastruktur, die energetische Sanierung von Millionen Gebäuden, der Ausbau der Elektromobilität und die Energiewende sollen massenhaft neue Arbeitsplätze bringen, so Bidens Versprechen.

Für die wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes will die neue US-Regierung auch beim Gipfel werben. Die Welt befinde sich in einer entscheidenden Übergangsphase: „Wenn wir es nicht richtig machen - und zwar ziemlich schnell - werden wir unweigerlich die Tragfähigkeit des Klimas überschreiten“, sagt ein Regierungsbeamter. Das nötige Umsteuern bedeute aber nicht, dass damit keine Vorteile verbunden seien. „Es ist eine Chance für neue Jobs, für Entwicklung, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch weltweit. Es ist eine andere Richtung, eine, die besser für die Welt und für das Wohlergehen der Menschen ist.“

SYMBOLIK

In der Pandemie konnte man im Kampf gegen das Coronavirus den Eindruck bekommen, dass der Klimawandel fast in Vergessenheit geraten ist. Die Klimadiplomatie der Vereinten Nationen geriet ins Stocken, die von Großbritannien veranstaltete UN-Klimakonferenz wurde um ein Jahr auf November 2021 verlegt. Umso wichtiger sei es, dass Biden den Klimagipfel einberufen habe und er jetzt stattfinde, damit das Thema wieder an Fahrt gewinne - selbst wenn manches, was dabei herumkommt, nur symbolisch sein sollte, sagt Jill Duggan vom EDF.

„Die Länder haben sich eindeutig unter Druck gesetzt gefühlt, mit etwas Neuem zu kommen, was sie sagen können. Das mag bedeuten, dass einige von ihnen Dinge vorlegen, die ein wenig unrealistisch erscheinen.“ Doch wenn Ziele einmal öffentlich sind, könnten Regierungen auch zur Rechenschaft gezogen werden, sagt Duggan. Und dann sei es die Aufgabe der Zivilgesellschaft, sicherzustellen, dass die Regierungen auch Pläne erarbeiteten, um ihre Ziele zu erreichen.

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