200. Todestag von James Watt

<p>Blick auf ein Modell der ersten von James Watt (1736-1819) konstruierten Dampfmaschine.</p>
Blick auf ein Modell der ersten von James Watt (1736-1819) konstruierten Dampfmaschine. | Foto: dpa

Keine Darstellung des schottischen Erfinders James Watt (1736-1819) hat sich mehr ins kollektive Gedächtnis eingebrannt als die des Jungen, der vor einem offenen Kamin einen Teekessel beobachtet. Der Dampf hebt den Deckel, und Watt hat eine zündende Idee. Er erfindet die Dampfmaschine.

So anschaulich dieses Bild auch ist: Es könnte kaum weiter von der historischen Wahrheit entfernt sein. Der vor 200 Jahren am 25. August 1819 verstorbene Instrumentenbauer aus der Nähe von Glasgow hat die Dampfmaschine nicht erfunden, sondern entscheidend verbessert. Bis dahin hatten Dampfmaschinen nur einen sehr niedrigen Wirkungsgrad und konnten nur zum Antrieb von Wasserpumpen in Kohleminen verwendet werden.

„Eine Methode, um den Dampfverbrauch in Dampfmaschinen zu verringern - der separate Kondensator.“

Das Patent für seine Erfindung erhielt Watt am 5. Januar 1769. Ein Datum, das als Beginn der Industriellen Revolution in die Geschichte einging. Die Beschreibung klingt denkbar nüchtern: „Eine Methode, um den Dampfverbrauch in Dampfmaschinen zu verringern - der separate Kondensator.“

Watt wurde nach seinem Tod in den Pantheon der britischen Nationalheiligen aufgenommen. Sein Name wurde im gleichen Atemzug genannt mit Kriegshelden wie Admiral Nelson und Feldmarschall Wellington. Nach ihm ist die international anerkannte Maßeinheit für Leistung, Watt, benannt. Die von ihm eingeführte Einheit, Pferdestärke, wird in Deutschland noch immer häufig für Autos mit Verbrennungsmotoren verwendet, wenn auch nicht mehr offiziell.

Doch die Idee, dass bahnbrechende Erfindungen wie das Rad, der Buchdruck oder die Dampfmaschine durch einen einzigen genialen Einfall zustande kommen, ist ein Mythos. Dessen ist sich Ben Russell sicher. Der Kurator für Maschinentechnik am Science Museum in London nippt an einem Coffee to go und blickt über den riesigen Eingangsbereich des Museums, in dem gleich mehrere der beeindruckenden Dampfmaschinen von Watt stehen. Wichtige Entwicklungen entstünden in einem komplexen Umfeld - und selbst dann sei noch viel harte Arbeit notwendig. Einen Geistesblitz in eine funktionierende Maschine zu verwandeln, sei „ein ziemlicher Albtraum“.

Watt brauchte sieben Jahre, um aus seiner Erfindung ein marktfähiges Modell zu entwickeln. Voraussetzung dafür war neben Geld vor allem das Fachwissen, um die notwendigen Metallteile zu produzieren. Doch das stellte sich als schwierig heraus. „Ein großer Teil des Maschinenbaus, wie wir ihn heute kennen, musste nebenbei erfunden werden“, erklärt Russel. Doch Watt setzte sich am Ende durch - nicht zuletzt durch die Hilfe des Unternehmers Matthew Boulton aus Birmingham, der ein metallverarbeitendes Unternehmen führte und die besten Spezialisten an der Hand hatte. Gemeinsam installierten sie Hunderte dampfbetriebene Wasserpumpen, vor allem in Cornwall, wo Kupfer und Zinn gefördert wurden. Und sie wachten mit Argusaugen darauf, dass niemand ihr Patent verletzte. Nebenbei gab es aber noch viele andere, die mit ähnlicher Technik arbeiteten.

Dass Watt bis heute als Erfinder der Dampfmaschine gilt, hat nach Ansicht von Ellie Swinbank vom National Museum in Edinburgh auch mit geschicktem Marketing zu tun. Sie sieht dabei Parallelen zum Computer- und Smartphone-Hersteller Apple. „Ich bin eine frustrierte Apple-Nutzerin“, sagte sie. „Es ist so schwierig, das mit anderer Technik zu vereinbaren, und ich habe das Gefühl, dass sie alles genau beobachten, was mit ihrem Produkt zu tun hat.“

Ähnlich habe es Watt gemacht. Die Maschinen von Boulton & Watt wurden ausschließlich verleast, und die Firma kümmerte sich selbst um die Instandhaltung. Watt entwickelte die Dampfmaschine weiter, bald konnte sie auch in anderen Branchen wie in der Textil-Herstellung eingesetzt werden. Ein sich selbst erhaltender Kreislauf von technologischem Fortschritt und wirtschaftlichem Wachstum war in Gang gesetzt. Doch er kam nicht ohne Nachteile: Menschen wurden arbeitslos und verarmten, weil Maschinen ihre Arbeit schneller und besser erledigten. Die unersättliche Nachfrage nach Kohle und anderen fossilen Brennstoffen machten Umwelt und Gesundheit zu schaffen. Probleme, die bis heute fortbestehen.

Ein Rätsel für die Historiker: Watt schreckte zeitlebens davor zurück, eine Hochdruck-Dampfmaschine zu bauen. Er hatte wohl Angst vor der Explosionsgefahr und hielt die Technik nicht für beherrschbar. Aber er lag falsch. Die Technik wurde später zum Inbegriff der Dampfmaschine selbst und machte den mobilen Einsatz in Lokomotiven und anderen Fahrzeugen erst möglich. Doch wäre ein wenig Watt'sche Vorsicht auch heute manchmal angebracht? Ja, glaubt Russell. „Die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung wird schneller, schneller und schneller“, sagt er und stellt in Frage, ob wir damit als Menschen und Gesellschaft überhaupt noch mithalten können. (dpa)

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