„Ich kenne ja meine deutschen Mitbürger“



Etwa 100 Hergenrather waren der Einladung des GrenzEchos gefolgt und hatten sich zur besten Frühschoppenzeit „Im Winkel“ eingefunden. Und rein fand man in die siebte Veranstaltung der LokalRunde schnell. Das lag an den schlagfertigen Gesprächspartnern, die den GE-Journalisten Jürgen Heck und Nathalie Wimmer Rede und Antwort standen, als auch an den Themen, die aufs Tapet kamen.

Gestartet wurde sogleich mit einem der heißesten Eisen, das Hergenrath zu bieten hat: die Emmaburg. Dass die alten Gemäuer vor sich hin bröckeln, daran stören sich nicht gerade wenige Dorfbewohner. Allerdings hapert es bislang an realistischen Lösungen „Es wäre schön, wenn ein Investor die Burg aufkaufen würde, aber sie dennoch für das Volk zugänglich bleibt“, fand Angelika Matulla-Marcus, Vorsitzende des Vinzenzvereins. Ein Weihnachtsmarkt an der Emmaburg, das wäre ganz nach ihrem Geschmack. „Vielleicht findet sich ja mal irgendwo ein reicher Onkel von einem Hergenrather“, warf Harmonie-Urgestein André Kriescher ein. Aus Sicht von Harald Hamacher hat die historische Anlage nicht zuletzt ein „Standortproblem“. So mutmaßte der Adapta-Geschäftsführer: „Würde die Eyneburg in Eupen stehen, wäre sie wohl schon längst renoviert.“ Die Gemeinde sieht er jedenfalls nicht in der Pflicht: „Ihr würde sonst doch das Geld für andere Projekte fehlen.“ Eine Einschätzung, die den anwesenden Bürgermeister, Louis Goebbels, nur freuen konnte. Dieser schlug derweil in die gleiche Kerbe: „Natürlich machen wir uns auch Sorgen um die Burg, aber sie ist nun mal in privater Hand.“ Gleichwohl, so der Bürgermeister, sei Hopfen und Malz nicht verloren. Vielsagend erklärte er: „Warten wir mal die nächsten zwei, drei Wochen ab“.

Keine Besserung stellte Goebbels derweil in Sachen Jugendtreffpunkt in Aussicht. „Ein Raum mit angrenzender Außenanlage wäre schon toll“, äußerte Jugendarbeiterin Corinne Loup ganz konkrete Vorstellungen. Dem Nachwuchs das Pastorat zu überlassen, kommt aber für den Bürgermeister überhaupt nicht in Frage. „Das ist für uns keine Lösung. Vielleicht ergibt sich irgendwann mal etwas. Momentan aber setzen wir unsere Prioritäten anders“, konterte er unmissverständlich. Mit anderen Worten: Für die Jugendarbeit will die Gemeinde aktuell kein zusätzliches Geld lockermachen.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Dieses Sprichwort lässt sich indes auf die kommunale Integrationsproblematik ummünzen. Nicht wenige Alteingesessene Hergenrather werfen den deutschen Zugezogenen vor, sich nicht am Dorfleben beteiligen zu wollen. Für Harald Hamacher steht fest: „Was man beim Thema Integration von Flüchtlingen aus dem Irak oder Syrien verlangt, sollte man zuerst einmal von den eigenen Nachbarn erwarten.“ Eine Wahrnehmung des kommunalen Wahlrechts wäre in den Augen von André Kriescher schon mal „ein guter, letzter Schritt hin zur Integration“. Gleichwohl will er das Ganze nicht überstrapazieren. „Ich denke, wir sind in Hergenrath ziemlich offen. Früher kamen die Eifler zu uns, da spricht heute doch auch keiner mehr drüber. Und ich hoffe, dass das mit den deutschen Zugezogenen irgendwann auch kein Thema mehr ist“, so Kriescher. Die gebürtige Ostwestfälin Angelika Mattula-Marcus stellte angesichts dieser Diskussion fest: „Ich konnte hier schnell ankommen, aber vielleicht bin ich auch nicht die typische Deutsche.“

Ganz wegreden ließ sich dieses Thema, das übrigens auch schon bei der LokalRunde in Eynatten heftig diskutiert wurde, aber nicht. Alleine, weil sich die nicht ganz so konsequente Ausrichtung des Lebensmittelpunktes vieler der zugezogenen Deutschen auf Hergenrath deutlich auswirkt. Vor allem in der Gemeindeschule bekommt man dies zu spüren, wo nach dem vierten Schuljahr nahezu eine Halbierung der Schülerzahlen erfolgt, weil viele Deutsche zu einem Aachener Gymnasium wechseln. Integration à la carte, „die bei vielen Belgiern nicht gut ankommt“, weiß Corinne Loup. Das belgische System werde ausgenutzt, so der Tenor. „Und es vermittelt den Eindruck, dass irgendwann unsere Schulen für sie nicht mehr gut genug sind“, so die Jugendarbeiterin.

Angelika Mattula-Marcus, die seit 15 Jahren in Hergenrath wohnt, kann solche Einschätzungen nachvollziehen. Denn: „Ich kenne ja meine deutschen Mitbürger, sie können überheblich sein, so nach dem Motto ‚Bei uns ist alles besser‘.“ Das Rezept der Frauenärztin: Integration kann nur gelingen, wann man sich auf seine neue Heimat einlässt. Ein Satz, den wohl alle im Saal unterschrieben hätten.