Das richtige Klima für einen neuen Multilateralismus

<p>Rauch steigt aus einer Fabrik im Südosten Frankreichs.</p>
Rauch steigt aus einer Fabrik im Südosten Frankreichs. | Foto: Philippe Desmazes/AFP/dpa

Die COP27 beginnt am 6. November und ist ein zentraler Moment für die Klima- und Nachhaltigkeitsagenda. Erst im vergangenen Jahr wurde auf der COP26 in Glasgow ein Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens festgelegt. Das Regelwerk ermöglicht es den Staaten, die konkrete Umsetzung der beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen in Angriff zu nehmen. Die Aufgabe der COP27 besteht nun darin, die beschlossenen Verpflichtungen umzusetzen. Große Herausforderungen liegen in dieser Hinsicht vor uns, da die bisher beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen und individuellen Verpflichtungen der Partnerstaaten nicht ausreichen, um die Erderwärmung auf unter 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Noch schwieriger steht es um die COP zur biologischen Vielfalt. Während die COP zum Klimawandel aufgrund von Covid „nur“ um ein Jahr verschoben werden musste, kann die COP zur biologischen Vielfalt erst zwei Jahre später als ursprünglich geplant stattfinden. Auf dieser COP15 müssen Ziele für das aktuelle Jahrzehnt (2020-2030) festgelegt werden, um den Verlust von Lebensräumen für Tiere und das Aussterben von Fauna und Flora zu begrenzen. Es liegt auf der Hand, dass die zahlreichen und gleichzeitigen Krisen der heutigen Zeit die politische Aufmerksamkeit und die Prioritäten von fundamentalen mittel- und langfristigen Zielen, wie dem Pariser Klimaabkommen, ablenken. Dennoch ist es notwendiger denn je, gerade jetzt wichtige Schritte in den Bereichen Klimaanpassung, biologische Vielfalt und Klimafinanzierung für Entwicklungsländer zu unternehmen.

Tatsächlich stellt der Klimawandel die akuteste Herausforderung der Menschheit dar. Obgleich wir uns mitunter wünschen, dass internationale Foren, wie die COPs, schneller arbeiten und Veränderungen herbeiführen, bieten sie eine gewinnbringende Form des inklusiven Multilateralismus, der die beste Chance bietet, Lösungen für die ganze Welt herbeizuführen. So sind die Prognosen für die langfristige globale Erderwärmung in den letzten Jahren von 4-6 Grad Celsius (vor dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens) auf etwa 1,8-2,7 Grad Celsius gesunken, vorausgesetzt, wir halten uns an die auf den UN-Gipfeln getroffenen Vereinbarungen. Dies liegt zwar weiterhin über dem Grenzwert von 1,5 Grad Celsius, ist aber dennoch eine beachtliche (multilaterale) Leistung.

Mit dem nötigen Willen zur Kooperation können wir die Welt tatsächlich verändern - und zwar in kurzer Zeit. Eine Hürde ist jedoch oftmals, dass andere geopolitische Brennpunkte die internationale Zusammenarbeit zu überschatten drohen. So hat beispielsweise der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine auch Auswirkungen auf die Strategie zum Klimawandel. Erst im vergangenen Jahr blockierte Russland eine Resolution der Vereinten Nationen, die klimabedingte Sicherheitsrisiken als Kernaufgabe des Sicherheitsrats anerkennen wollte.

Die vorgeschlagene Resolution eröffnete einen interessanten Gedankengang: Angenommen, die Bekämpfung des Klimawandels würde internationalen Organisationen wie der UNO, des IWF oder der Weltbank als Kernaufgabe zugeordnet: Wie würde eine entsprechende Zusammenarbeit funktionieren? Blieben die Klimaziele weiterhin unverbindlich? Könnten die bestehenden Aufgaben der Organisationen umstrukturiert werden, um dem Klimawandel als weiterem Handlungsfeld angemessen zu begegnen? Zweifellos wären neue Ansätze und Arbeitsweisen vonnöten, um der Bekämpfung des Klimawandels die nötige Priorität als Kernaufgabe einzuräumen.

Ich fordere daher die Wiederbelebung des Multilateralismus und die Schaffung einer neuen supranationalen Organisation mit dem exklusiven Ziel, die Klimakrise auf der Grundlage der bereits bestehenden UN-Klimakonventionen zu bekämpfen. Einer solchen Organisation sollten wirksame und verbindliche Befugnisse übertragen werden, damit sie den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt koordinieren kann. Wohlgemerkt würde eine solche Organisation die Souveränität von Staaten beschneiden und ist daher alles andere als selbstverständlich. Als Bürgerinnen und Bürger können wir einen ersten Schritt in diese Richtung tun. Ein Mandat für eine solche Organisation kann nach dem Motto „We the people!“ nur von uns kommen und muss daher von der Basis aus organisiert werden. Gemeinsam müssen wir die Politik und die etablierte internationale Ordnung davon überzeugen, einen solchen Schritt zu tun, um DAS Problem des 21. Jahrhunderts zu lösen. Als Mensch, der hoffentlich noch mindestens 50 Jahre auf dieser Welt leben wird, möchte ich eine sichere, nachhaltige Welt, nicht nur für mich selbst, sondern auch für künftige Generationen.


*Ariane Giraneza ist Senior Associate für EU-Politik bei der Strategieberatungsgesellschaft Global Counsel (London) und Mitglied der Freitagsgruppe.

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