Annäherung zwischen Berlin und Budapest

<p>Viktor Orban (r), Ministerpräsident von Ungarn, empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sopron. Die Bundeskanzlerin hat den Ungarn für die Unterstützung bei der Öffnung der Grenzen 1989 und bei der folgenden Deutschen Einheit gedankt.</p>
Viktor Orban (r), Ministerpräsident von Ungarn, empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sopron. Die Bundeskanzlerin hat den Ungarn für die Unterstützung bei der Öffnung der Grenzen 1989 und bei der folgenden Deutschen Einheit gedankt. | Foto: Balazs Szecsodi/MTI/Hungarian Prime Minister's Press Office/dpa

Der Ton macht die Musik. Unter diesem Motto zeigte sich Ungarns Regierungschef Viktor Orban gegenüber seiner einstigen Lieblingsgegnerin Angela Merkel nun von seiner fast charmanten Seite. „Nach den Gesetzen der Ritterlichkeit ziehen wir den Hut von Weitem vor hart arbeitenden und erfolgreichen Damen“, verbeugte sich Orban rhetorisch vor der deutschen Kanzlerin.

Der 56-Jährige schien am Montag ím westungarischen Sopron fest entschlossen, den Festakt zum 30. Jahrestag der ersten Massenflucht von DDR-Bürgern mit einem Aufbruchsignal in den getrübten ungarisch-deutschen Beziehungen zu verbinden. Die harte Haltung Orbans in der Migrationsfrage, sein Bestehen auf nationale Interessen, sein Eintreten für die illiberale Demokratie hatten Berlin und Budapest entfremdet.

Nun sprach Orban gleich mehrfach von seiner und der Wertschätzung Ungarns für die Kanzlerin, gerade in ihren europapolitischen Bemühungen. Deutschland und Ungarn verbinde ein „besonderes Verhältnis“, so der starke Mann aus Budapest, der die Willkommenspolitik Merkels („Wir schaffen das“) während des Höhepunkts des Flüchtlingsandrangs scharf missbilligt hatte. Merkel ihrerseits verzichtete in ihrer Ansprache in der Evangelischen Kirche von Sopron darauf, direkt in alten Wunden zu wühlen. Lieber dankte sie den mutigen Ungarn von damals, die die DDR-Bürger bei der Flucht anlässlich des Paneuropäischen Picknicks nahe der ungarisch-österreichischen Grenze unterstützt hatten. „Aus dem Picknick wurde die größte Massenflucht aus der DDR seit dem Bau der Mauer 1961. Aus dem Picknick wurde ein Weltereignis.“ Mehr als 600 DDR-Bürgern war am 19. August 1989 die Flucht über die anlässlich des Picknicks kurzzeitig geöffnete Grenze gelungen. Das Geschehen war der Vorbote zum Fall der Berliner Mauer im November 1989.

Zugleich mahnte die Kanzlerin die Verteidigung europäischer Werte an. „Sopron ist ein Beispiel dafür, wie viel wir Europäer erreichen können, wenn wir für unsere unteilbaren Werte mutig einstehen“, sagte Merkel. Zentrale politische Fähigkeit sei der Wille zum Kompromiss. „Wir sollten uns stets bewusst sein, dass nationales Wohl immer auch vom europäischen Gemeinwohl abhängt.“ Ungarn gehört zu den EU-Ländern, die gerade in der Migrationsfrage ihre nationale Interessen bisher unnachgiebig verteidigen. „Es verlangt auch manchmal, über den eigenen Schatten zu springen, um gemeinsam der Verantwortung für Europa und auch für die Welt gerecht zu werden“, mahnte die deutsche Regierungschefin.

Der sonst gern europakritische Orban zeigte sich auch in dieser Hinsicht diesmal diplomatisch. Die Einheit Europas solle nie als „vollendet“ betrachtet werden, betonte Orban. Vielmehr müsse sie „von Konflikt zu Konflikt“ stets neu erschaffen werden, sagte der rechtsnationale ungarische Regierungschef mit Blick auf die Abkühlung des deutsch-ungarischen Verhältnisses wegen des Streits um die Migrationspolitik. Ein Grund für die neue ungarische Mäßigung scheint Ursula von der Leyen zu sein. Die künftige EU-Kommissionspräsidentin habe bei einem Gespräch auf ihn großen Eindruck gemacht, meinte Orban, „Ich kann nur das Beste sagen.“ Logisch, dass er nun hofft, dass sich die belasteten Beziehungen seiner Regierung zur EU-Kommission unter von der Leyen verbessern. Ein Neustart könne gelingen. „Es existiert ein neues Gleis statt alter Strukturen. Das ist auf jeden Fall ermutigend“, sagte Orban.

Eine Feier zum Abbau eines Grenzzauns vor 30 Jahren mit einem Politiker, der für den Bau neuer Grenzzäune in Europa wie kein anderer stehe - wie vertrage sich das?, wollte eine Journalistin bei der Pressekonferenz wissen. Orban war um eine Antwort wenig verlegen: Der Abbau des Grenzzauns vor 30 Jahren habe auf die „Freiheit“ der Bürger des damaligen Ostblocks abgezielt. Der Bau des neuen Zauns an den Grenzen zu Serbien und Kroatien 2015 diene der „Freiheit und Sicherheit“ der Europäer, betonte Orban. Er rechne mit neuem Migrationsdruck. „Wir haben jetzt an den südlichen Grenzen Mauern gebaut, damit jene Deutschen, für die wir vor 30 Jahren Mauern abgebaut wurden, heute in Sicherheit leben können. Diese beiden Dinge hängen zusammen. Wir sind die Burghüter der Deutschen.“ (dpa)

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