Mondwasser, Beben, Staub: Was Armstrong noch nicht wissen konnte

Vor 50 Jahren betrat der erste Mensch den Mond. Seitdem haben Wissenschaftler fleißig über den Erdtrabanten geforscht. Ein Überblick.

Eisvorräte: Der Mond ist nasser als gedacht. Zu Zeiten des „Apollo“-Programms der US-Raumfahrtbehörde Nasa galt der Mond als knochentrocken. 1994 lieferte die Nasa-Sonde „Clementine“ Hinweise auf Wasser in schattigen Kratern. Vor zehn Jahren hat dann die Nasa-Mondmission „LCROSS“ in einem ewig finsteren Krater am Südpol des Erdtrabanten Wassereis nachgewiesen. Weitere Funde quer über den Mond folgten. „Insgesamt gibt es auf dem Mond vermutlich eine Wassermenge zwischen Bodensee und Kaspischem Meer“, erläutert der Leiter des Berliner Instituts für Planetenforschung im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Ralf Jaumann. „Als man Proben des Mondgesteins aus dem "Apollo"-Programm neu analysiert hat, ist man darin tatsächlich ebenfalls auf Wassereinschlüsse gestoßen.“ Woher das Mondwasser kommt, ist nicht eindeutig geklärt.

Wasserfabrik: Von der Sonne zieht ein permanenter Teilchenstrom ins All. Dieser sogenannte Sonnenwind besteht vor allem aus elektrisch geladenen Wasserstoff-Atomkernen und prasselt wegen des fehlenden Magnetfelds ungehindert auf den Mond. Wenn dort Einschläge von Mikrometeoriten Gestein aufschmelzen, wird Sauerstoff frei und verbindet sich mit dem Wasserstoff aus dem Sonnenwind zu Wasser - die so entstehenden Mengen sind allerdings winzig.

Erdähnlich: Die „Apollo“-Missionen haben insgesamt rund 380 Kilogramm Mondgestein mit auf die Erde gebracht. „Erst etwa die Hälfte davon ist analysiert“, sagt Jaumann. „Die ersten Analysen waren damals überraschend: Denn sie zeigten, dass das Mondmaterial Erdkruste und Erdmantel sehr ähnelt.“ Offensichtlich haben beide Himmelskörper einen gemeinsamen Ursprung. Die Mondproben sind nach Einschätzung von Jaumann die wichtigste wissenschaftliche Errungenschaft der „Apollo“-Missionen. Die Art des Gesteins zeigte auch, dass der Mond einmal ganz oder zum Großteil geschmolzen gewesen sein muss.

Unfallprodukt: Die überraschende Ähnlichkeit von Mond- und Erdgestein warf die Frage nach der Entstehung des Mondes wieder auf. Heute gehen die meisten Forscher davon aus, dass eine katastrophale Kollision eines ungefähr Mars-großen Himmelskörpers den Mond aus der jungen Erde herausgeschlagen hat. „Diese Impakt-Theorie kann vieles erklären, allerdings nicht alles“, sagt Planetenforscher Urs Mall vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung „Neuere Theorien ziehen daher auch mehrere Einschläge in Betracht.“

Erdarchiv: Da es auf dem Mond keine Plattentektonik und keine Verwitterung gibt wie auf der Erde, ist er ein Archiv der Erdgeschichte. „Wenn man etwas über die ferne Vergangenheit unseres Planeten wissen möchte, ist der Mond der Ort der Wahl“, betont Mall. „Dort ist die Erdgeschichte wortwörtlich in Stein gemeißelt.“ So lässt sich an Einschlagkratern auf dem Mond ablesen, wann der kosmische Beschuss mit Meteoriten im inneren Sonnensystem so weit abgenommen hatte, dass er die Entstehung von Leben erlaubt hat.

Rohstoffe: „1994 hat eine US-Mondsonde die erste Mondkarte geliefert, die eine Idee von der Mineralogie des Erdtrabanten gibt“, berichtet Mall. Der Mondboden enthält einige Rohstoffe wie Metalle, deren Nutzung auf der Erde allerdings nicht wirtschaftlich machbar ist. „Rohstoffe könnten aber interessant für die Nutzung auf dem Mond selbst sein“, erläutert Jaumann. „Wenn man etwa Wasser aus dem Aufschmelzen des Mondgesteins gewinnen will, bekommt man Stoffe wie Aluminium gleich mit. Und der Mondboden ist so etwas Ähnliches wie Zement. Das Baumaterial für eine Mondbasis dürfte weitgehend vorhanden sein.“ Als Exportschlager könnte sich einzig das Edelgas Helium-3 entpuppen: Es ist ein begehrter Brennstoff für künftige Kernfusionskraftwerke und lagert sich aus dem Sonnenwind im Mondboden ab.

Weiter Weg: Der Mond driftet pro Jahr 3,8 Zentimeter von der Erde weg. Ursache sind die Gezeiten. Das Meerwasser für Ebbe und Flut hin und her zu bewegen, kostet Energie, und diese speist sich aus der Rotationsenergie des Erde-Mond-Systems. Der Mond ist heute knapp zwei Meter weiter entfernt als zu Armstrongs Landung.

Mondstaub: Der Mondstaub, Regolith genannt, ist ungesund. Die „Apollo“-Astronauten berichteten von leichten Atemwegssymptomen wie Niesen, Halsschmerzen und tränenden Augen nach dem Besuch des Erdtrabanten. Harrison Schmitt, der als zwölfter und damit bislang letzter Mensch den Mond betrat, sprach von „lunarem Heuschnupfen“. Ursache waren die winzigen Partikel des Mondstaubs, die wegen ihrer elektrostatischen Aufladung an den Anzügen und Geräten der Astronauten hängen blieben und so in die Raumfähren gebracht wurden. Durch das Fehlen einer Atmosphäre und damit auch von Wind und Wetter auf dem Mond sind diese Regolith-Partikel nicht rundgeschliffen wie auf der Erde, sondern extrem scharfkantig.

Schrumpfkur: Der Erdtrabant ist in geologisch jüngerer Zeit um etwa 100 Meter geschrumpft. Das zeigt die Existenz von Kliffs und Bruchkanten quer über den Erdtrabanten, die unter anderem der „Lunar Reconnaissance Orbiter“ der Nasa fotografiert hat. Ursache ist die Abkühlung unseres Begleiters, der sich dabei zusammenzieht und Falten bildet wie eine vertrocknende Weinbeere. Da die Mondkruste nicht so elastisch ist wie die Haut einer Weinbeere, bricht sie gelegentlich auf. Der Mond, der zu „Apollo“-Zeiten als geologisch toter Himmelskörper galt, ist damit vermutlich auch heute noch aktiv.

Fußabdrücke: Die Fußspuren von Armstrong & Co. finden sich auch heute noch auf dem Erdtrabanten. Sie sind jedoch nicht für die Ewigkeit. Mikrometeoriten pflügen den Mondboden viel schneller um als gedacht. Das zeigen Messungen einer Nasa-Mondsonde, die in sieben Jahren mehr als 47.000 neue Flecken auf der Mondoberfläche registriert hat. „Vor dem Start haben wir gedacht, dass es Hunderte bis Tausende Millionen Jahre dauern würde, die Mondoberfläche signifikant zu verändern“, erläuterte Untersuchungsleiter Emerson Speyerer von der Arizona State University in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der wissenschaftlichen Analyse. „Wir haben jedoch entdeckt, dass die oberste Schicht des Oberflächenmaterials in rund 80.000 Jahren einmal komplett umgewälzt wird.“ (dpa)

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