New York feiert 50 Jahre „Stonewall“

Von Christina Horsten

Ob Kaufhäuser, Eisdielen oder U-Bahn-Tickets: New York wirkt derzeit zu großen Teilen wie in Regenbogenfarben gehüllt. Mit rund vier Millionen erwarteten Besuchern feiert die Millionenmetropole „World Pride“, auch mit einer großen Parade am 30. Juni, um auf die Rechte und Themen unter anderem von Homo-, Bi- und Transsexuellen aufmerksam zu machen. „Pride“ - auf Englisch heißt das: Stolz.

Unzählige Läden und Häuser sind schon seit Wochen mit Regenbogenfarben geschmückt. Im Goethe-Institut, in der New-York Historical Society und vielen anderen Kultureinrichtungen gibt es spezielle Ausstellungen und Veranstaltungen. Die „Gay Street“ („gay“ bedeutet auf Englisch unter anderem schwul) im Szene-Stadtteil Greenwich Village wurde zeitweise sogar in „Acceptance Street“ (Straße der Akzeptanz) umbenannt.

Jahrelange Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung entlädt sich in offenem Protest und Widerstand.

Vor einem halben Jahrhundert wäre das in der Metropole noch unvorstellbar gewesen. In einer warmen Nacht am 28. Juni vor genau 50 Jahren feiern etwa 200 Menschen, darunter viele Homosexuelle, in der beliebten Bar „Stonewall Inn“ in der Christopher Street im Greenwich Village, als auf einmal acht Polizisten hereinkommen. Eine Razzia, wie schon so viele davor. Der Verkauf von Alkohol an Schwule ist damals illegal, tanzen dürfen sie auch nicht, und Frauen dürfen nur dann Hosen tragen, wenn sie außerdem mindestens drei „weibliche Kleidungsstücke“ anhaben. Die Polizisten führen eine lesbische Frau ab und traktieren sie im Handgemenge mit einem Schlagstock. Solche Schikanen sind schon häufiger vorgekommen - aber diesmal hat die Menge der Feiernden genug.

Jahrelange Gewalt, Unterdrückung und Ausgrenzung entlädt sich in offenem Protest und Widerstand, der später als Stonewall-Aufstand bekannt werden soll. „Wir hatten nichts, und so hatten wir nichts zu verlieren“, erinnert sich Tommy Lanigan-Schmidt, der damals dabei war. Flaschen und Steine fliegen auf die Polizisten, die sich bald von 600 Menschen bedrängt sehen und sich zum eigenen Schutz in der eben geräumten Kneipe verbarrikadieren. Mülltonen fliegen, Fensterscheiben bersten, die Demonstranten rufen „Gay Power“. Die Krawalle reißen nicht ab, noch Nächte später versammeln sich rund 1000 Demonstranten. Die Unruhen sind der Funke, der eine internationale Bewegung in Gang setzt - und das „Stonewall Inn“ wird zur Keimzelle der Protestbewegung.

Schon zum ersten Jahrestag der Krawalle ziehen etwa 4000 Homosexuelle durch New York und fordern Gleichberechtigung, heute erinnert der jährliche Christopher Street Day (CSD) weltweit an die Vorfälle. Er steht für das Selbstbewusstsein der LGBTQ-Gemeinschaft (englische Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und queer) und ihren Widerstand gegen Diskriminierung. Auch in Deutschland wird der CSD zu verschiedenen Terminen mit Paraden, Straßenfesten und Demonstrationen gefeiert. In Köln zieht die CSD-Parade am 7. Juli durch die Stadt, in Berlin am 27. Juli.

Das 2016 vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama zum Nationaldenkmal erklärte „Stonewall Inn“, das inzwischen in keinem Reiseführer fehlt, öffnet nach wie vor an derselben Stelle an der Christopher Street jeden Tag um 14 Uhr seine Tür. „Der Ort, wo in einer schwülen Sommernacht 1969 der Stolz der Homosexuellen begann, und der Ort, wo er heute weiterlebt“, feiert sich die holzverkleidete Bar. Es gibt Tanzpartys mit DJs und ein spezielles „Stonewall Inn“-Bier mit regenbogenfarbenem Etikett. Im Fenster und an den Wänden hängen alte Artikel über die Aufstände. Zahlreiche Touristen fotografieren sich täglich vor der Bar und dem mit Regenbogenfahnen geschmückten kleinen Park gegenüber. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber und frühere Vizepräsident Joe Biden hat auch vorbeigeschaut.

Zum 50. Jahrestag der Aufstände hat sich vor kurzem sogar der New Yorker Polizeichef James O'Neill stellvertretend für das New York City Police Department (NYPD) offiziell für das Verhalten der Polizisten von damals entschuldigt. „Die Handlungen des NYPD waren falsch - ganz einfach“, sagte O'Neill bei einer Pressekonferenz. „Das Verhalten und die Gesetze waren diskriminierend und unterdrückend und dafür entschuldige ich mich.“ Heute identifizierten sich zahlreiche New Yorker Polizisten als LGBTQ. So etwas wie die Stonewall-Aufstände könne nicht mehr vorkommen, meinte er.

Die Entschuldigung des NYPD-Chefs sei ein „starker erster Schritt“, sagte Stacy Lentz, seit 2006 Mitinhaberin des „Stonewall Inn“, der „New York Times“. Aber sie betonte auch, dass es im Hinblick auf die Rechte von Menschen, die sich als LGBTQ identifizieren, noch sehr viel zu tun gebe - in New York und auf der ganzen Welt. „Der Kampf, der hier gestartet worden ist, ist noch nicht vorbei.“ (dpa)

Kommentare

Kommentar verfassen

0 Comment