„Planet Jarre - 50 Years of Music“: Kein ödes Best-of-Album

Kurz nach seinem 70. Geburtstag veröffentlicht Sound-Magier Jean-Michel Jarre ein Best-of-Album. | Manuel Lopez/Keystone/dpa


Das für neugierige Zeitgenossen so typische Funkeln in den Augen oder ein hellwacher Blick sind bei dem Franzosen freilich nicht zu erkennen. Er trägt Sonnenbrille – selbst in der Suite eines Berliner Hotels. Fast zeitgleich mit seinem Geburtstag hat sich Jarre mit dem opulenten Best-of-Album „Planet Jarre – 50 years of Music“ selbst ein kleines Denkmal gesetzt.

Wie ein Siebzigjähriger sieht der Erschaffer weltbekannter Werke wie „Oxygène“ oder „Equinoxe“ nicht aus. „Das müssen die Gene sein. Meine Mutter starb mit 96 Jahren und sah aus wie höchstens 70“, sagt Jarre. Seine Mutter war es auch, die ihren Sohn davor warnte, Sport zu treiben. „Sport ist gefährlich, hat sie immer gesagt“, erzählt Jarre. Klar ist, dass Jarre seine Vitalität auch seinem leidenschaftlichen Umgang mit der Musik zu verdanken hat. Das Komponieren und die Neugierde halte seinen Geist wach, sagt er und nennt Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger als Beispiel. Der stehe mit seinen 75 Jahren immer noch auf der Bühne. „Okay, dass er in seinem Leben nicht nur Wasser getrunken hat, sieht man ihm schon an“, bemerkt Jarre.

Eigentlich könnte sich der Eindruck einstellen, Jarre falle nichts mehr ein. Oder warum bringt er ein Best-of-Album raus? Auf dem Internetportal discogs sind alleine 39 Compilations von ihm gelistet. „Ich mag viele von diesen Zusammenstellungen nicht. Ich wollte kein ödes Best-of-Album mit aneinander gereihten Stücken herausbringen. Hinter dem neuen Album steht aber ein Konzept“, rechtfertigt er die Auswahl der 41 remasterten Stücke aus fünf Dekaden seiner Schaffensperiode. Ihm sei bei der Betrachtung seiner Karriere aufgefallen, dass er auf vier Arten komponiere. Deshalb habe er „Planet Jarre – 50 years of Music“ in vier Kapitel unterteilt. Die „Soundscapes“ sind visuelle, atmosphärische Stücke im Ambientstil. Unter „Themes“ hat er sehr melodiöse Stücke eingeordnet. „Die Melodie ist das wichtigste in der Musik“, sagt Jarre, „egal ob in der Elektro-Musik oder im Rock’n’Roll.“ Kapitel drei ist mit „Sequences“ überschrieben: Hier gibt es rhythmische, hypnotische Sounds, die sich wiederholen. Und die vierte Welt im Jarre-Kosmos nennt sich „Explorations & Early Works“. Hierbei sticht die frühe und bislang unveröffentlichte Demo-Aufnahme des Stücks „Music for Supermarkets“ heraus. Von dem Album aus dem Jahr 1983 gab es nur eine Pressung. Jarre protestierte damit gegen die Kommerzialisierung der Musik. Die wahrscheinlich weltweit wertvollste Schallplatte wurde auf einer Auktion für umgerechnet 23.000 Deutsche Mark versteigert.

Jarre ist auch für seine monumentalen, mit raffinierten Show-Effekten verzierten Konzerte bekannt. Sein Auftritt vor 3,5 Millionen Menschen in Moskau steht im Guinnessbuch der Rekorde. Diese Mega-Ereignisse stehen im krassen Gegensatz zu seiner einsamen Arbeit im Studio hinter Computern und Synthesizern. „Das ist schon paradox. Nach der Zeit als Einsiedler im Studio brauche ich wieder den Kontakt zu anderen Menschen. Ich mache quasi das Fenster auf, um dann vor Millionen Menschen zu spielen“, erklärt Jarre. Einen anderen Weg, dem Einsiedlerdasein zu entfliehen, fand er in der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern wie Moby, Massive Attack oder Pete Townshend. Daraus entstanden die beiden Alben „Electronica 1“ und „Electronica 2“ – eine Art Werkschau elektronischer Musik vor drei beziehungsweise zwei Jahren. Richtig gefeiert hat Jarre seinen 70. Geburtstag übrigens noch nicht. „Es gab nur eine minimalistische Feier. Ich war gerade auf Tour. Außerdem ist meine Familie im August immer auf der ganzen Welt verteilt“, erklärt er. Das Fest soll noch in diesem Jahr nachgeholt werden. Wann und wo ist offen. „Es wird eine Überraschungsparty geben“, verrät Jarre. (dpa)