Die Probleme der Logistikbranche unter der Lupe

Jan Bergrath (rechts) hat einen Kriminalroman über das geschrieben, was Autobahnpolizist Raymond Lausberg (Mitte) in seinem Berufsalltag erlebt. Der ehemalige EU-Abgeordnete Mathieu Grosch (links) kennt die Probleme des europäischen Transportwesens. | Klaus Schlupp



Nur nach Köln zu Mama und Papa will der Aachener Student Niklas. Als es auf der A4 mal wieder staut, hält er an. Der rumänische Lkw hinter ihm mit übermüdetem Fahrer und gerissenen Bremsscheiben rast ungebremst in den Golf des Studenten und schiebt ihn unter den ungarischen Lkw vor ihm. Da dessen Ladung nicht vernünftig gesichert ist, kracht sie von oben auf den jungen Mann. Der Student hat keine Chance.

Dieser Unfall ist nie passiert, sondern findet nur im Krimi „Spur der Laster“ von Jan Bergrath statt. Tödliche Unfälle nach diesem Muster hingegen finden auf Europas Straßen täglich statt. Logistik ist ein Kerngewerbe, denn der Verbraucher erwartet, dass er alles zu jeder Zeit zur Verfügung hat. An einem simplen Joghurt hängen 9.000 Kilometer Logistikleistung, denn er besteht aus Milch, Zucker, Früchten, Kunststoff, Aluminium und mehr, das alles von Kuh, Ölquelle und Bauxitmine über die entsprechenden Fabriken zum Supermarktregal gelangt.

Bergraths spannende Kriminalgeschichte um einen Autor, der einen Mord plant, spielt in diesem Milieu um kaputte Bremsscheiben, Fahrer, die monatelang auf Parkplätzen im Lkw übernachten, Dumpinglöhne verdienen und mit gefälschten Hauptuntersuchungsbescheinigungen unterwegs sind.

Der Krimi diente am Donnerstag als Grundlage, um beim BRF mit dem Autor, dem ehemaligen Europaabgeordneten Mathieu Grosch und dem bekannten Autobahnpolizisten Raymond Lausberg aus Kelmis das Thema Logistik und Sozialdumping im Transportwesen zu diskutieren. Der Hauptinspektor „mit seinem Witz und seiner unnachahmlichen Aussprache“ kommt ohne Namennennung auch im Roman vor. Im Publikum waren viele Vertreter aus der Logistikbranche anwesend. Tatsächlich werden immer mehr Fahrzeuge ausgeflaggt, um Kosten zu sparen. Schließlich kostet ein belgischer Fahrer 56.000 Euro pro Jahr, während der Arbeitgeber nach rumänischen Standards lediglich 16.000 Euro zahlen muss. Ein Problem sind auch illegale Kabotagefahrten. Ein osteuropäischer Laster macht Transporte innerhalb eines westeuropäischen Landes, ohne die Grenze zu überschreiten.

Der bulgarische Fahrer verbringt so oft Monate am Stück in seinem Lkw, den er nicht verlassen darf, da er die Ladung bewachen muss. Eigentlich müssen die Brummifahrer ihre langen Ruhepausen außerhalb des Fahrzeugs verbringen, schon um sich vernünftig erholen zu können. Raymond Lausberg kritisierte als Praktiker die oft zu realitätsferne und komplizierte Gesetzeslage. „Ein Gesetz muss verständlich und für Kontrolleure anwendbar sein“, forderte er. Während es in Belgien einigermaßen funktioniere, brächte die deutsche Autobahnpolizei am Osterwochenende Schokohasen zu den Fahrern, anstatt Bußgelder zu verhängen. In Belgien hingegen sollte es noch mehr Kontrollen geben. So sei es durchaus üblich, dass mit gefälschten Hauptuntersuchungsberichten gearbeitet werde und ein rumänischer Truck zum Zeitpunkt seiner Untersuchung in Bukarest in Spanien unterwegs war. Häufig treffen die belgischen Kontrolleure auf ungebremste Fahrzeuge. „Da bekommen Sie es mit der Angst zu tun“, bilanzierte Lausberg.

„Die Mehrheit der Transportunternehmer arbeitet seriös“, betonte Mathieu Grosch. Er forderte vor allem einheitliche Regeln innerhalb der EU. Auch müsse die notwendige Infrastruktur wie ausreichend Parkplätze geschaffen werden, um die Ruhezeiten zu ermöglichen. Insgesamt sei das Transportwesen eine Parallelwelt, sagte Jan Bergrath, die von vielen nicht verstanden werde. Sein Krimi jedenfalls schafft unterhaltsame und erschütternde Einblicke in diese fremde Welt.