Rückgang an biologischer Vielfalt führt zu schweren Konflikten

Brasilien, Manaus: Ein Holzfäller arbeitet mit einer Kettensäge im Regenwald des Amazonas an einem Urwaldriesen. Der Rückgang an biologischer Vielfalt führt zu schweren politischen, sozialen und wirtschaftlichen Konflikten. | Werner Rudhart/dpa

Der Raubbau an der Natur und der Verlust der biologischen Vielfalt gibt aber nicht nur Umweltschützern und Öko-Aktivisten zu denken, er hat direkte Auswirkungen auf das Leben aller Menschen, warnen Fachleute. „Die Biodiversität der Welt geht verloren – das untergräbt auch das Wohlergehen der Menschen“, sagt der Vorsitzende des Weltbiodiversitätsrats (IPBES), Robert Watson. Nach dem Vorbild des Weltklimarats IPCC soll der IPBES Regierungen bei Entscheidungsfindungen unterstützen.

Drei Jahre lang arbeiteten über 550 internationale Experten an vier Regionalberichten und einem Spezial-Report über die Verschlechterung der Qualität von Land.

Er erstellt dazu wissenschaftlichen Gutachten zu Biodiversität, Ökosystemen oder Methoden zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der lebenswichtigen Naturschätze. „Erfolgreiche Anstrengungen der Menschheit, die gegenwärtige nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen umzukehren, erfordert bestmögliche Beweise, schlüssige Optionen für die Politik und gut informierte Entscheidungsmacher“, sagt Watson.

Drei Jahre lang arbeiteten über 550 internationale Experten an vier Regionalberichten und einem Spezial-Report über die Verschlechterung der Qualität von Land. Bei der sechsten Plenarsitzung des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) vom 17. bis 24. März im kolumbianischen Medellín sollen Vertreter der 128 Mitgliedsstaaten die Berichte nun diskutieren und verabschieden.

„Biodiversität stützt die Wirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit und Lebensqualität der Menschen überall. Politische und wirtschaftliche Entscheidungen, aber auch der persönliche Lebensstil können eine nachhaltige Zukunft entweder bedrohen oder fördern“, sagt die Exekutivsekretärin von IPBES, Anne Larigauderie. „Die Ökosysteme zu stabilisieren und die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten zu erhalten, ist fundamental für Gesundheit und Wohlergehen der Menschheit sowie die Bekämpfung von Armut.“

Die Menschen treiben den Planet immer mehr an die Belastungsgrenzen. Seit 1990 wurden laut dem Living Planet Report der Umweltschutzorganisation WWF rund 239 Millionen Hektar Wald vernichtet – eine Fläche mehr als sechseinhalbmal so groß wie Deutschland. Bereits auf 34 Prozent aller Böden wird Landwirtschaft betrieben. Über 30 Prozent der Fischbestände weltweit gelten als überfischt. „Es muss uns gelingen, die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung von der Umweltzerstörung zu entkoppeln“, heißt es in dem Bericht.

„Da tragen die Unternehmen eine ganz große Verantwortung“, sagt der Leiter der Abteilung für Internationale Biodiversitätspolitik beim WWF, Günter Mitlacher. „Viele Firmen kennen ihre eigenen Lieferketten überhaupt nicht. Es ist aber ihre Pflicht sicherzustellen, dass bei der Herstellung ihrer Produkte kein Schaden angerichtet wird.“

Gerade in ärmeren Ländern geht die Sorge um, dass Umweltschutz die wirtschaftliche Entwicklung bremsen könnte. Der schwedische Wissenschaftler Johan Rockström hat das Konzept der planetaren Grenzen entwickelt. Demnach ist der rasante Verlust der biologischen Vielfalt das größte Problem für die Menschheit – noch vor dem Klimawandel. Nach Einschätzung von Experten hat der Rückgang an Biodiversität längst wirtschaftliche, gesellschaftliche und sogar sicherheitspolitische Folgen.

„Mit dem illegalen Wildtierhandel beispielsweise werden Million umgesetzt. Das Geld fließt oft in die Taschen von Terroristen und Milizen, die Länder und ganze Regionen destabilisieren“, sagt WWF-Experte Mitlacher. Die Degradierung landwirtschaftlicher Anbauflächen befeuert zudem oftmals die Migration.

Wenn Küstenbewohner keine Fische mehr fangen, weil Korallenriffe oder Mangrovenwälder absterben, birgt das sozialen Zündstoff. Biologische Vielfalt sei längst kein Orchideenthema für Umweltschützer mehr, die ein paar Orang-Utans im Regenwald retten wollten – das müsse in alle Politikbereiche gehen, sagen Experten. (dpa)