Die Chaos-WM in Katar - oder doch nicht?

<p>FIFA-Präsident Gianni Infantino hat den bisherigen WM-Verlauf überschwänglich gelobt. „Ich habe alle Spiele gesehen, und um es ganz einfach und deutlich zu sagen, dies war die beste Gruppenphase einer WM, die es je gab“, sagte der Schweizer in einem vom Fußball-Weltverband verbreiteten Video am Mittwoch.</p>
FIFA-Präsident Gianni Infantino hat den bisherigen WM-Verlauf überschwänglich gelobt. „Ich habe alle Spiele gesehen, und um es ganz einfach und deutlich zu sagen, dies war die beste Gruppenphase einer WM, die es je gab“, sagte der Schweizer in einem vom Fußball-Weltverband verbreiteten Video am Mittwoch. | Foto: Tom Weller/dpa

Jahrelang wurde über die Fußball-WM in Katar diskutiert - und sie wurde doch angepfiffen. Die bislang 62 Spiele verliefen ohne größere Zwischenfälle. Und das, was außerhalb des Rasens geschah? Was ist geblieben von den Prognosen, den Befürchtungen vor dieser höchst umstrittenen Endrunde?

Prognose: Diese Weltmeisterschaft wird so politisch wie selten ein Turnier zuvor.

Realität: Die Roten Teufel hatten noch nicht einmal gespielt, da brach der Sturm um das Verbot der „One Love“-Kapitänsbinde los. Die FIFA wertete das Eintreten für Toleranz als „politische Botschaft“. Auch die Menschenrechtslage in Katar und die toten Gastarbeiter auf den WM-Baustellen waren ein Dauerthema. International sorgten die Palästina-Fahnen der arabischen Fans für Aufsehen. Fußball und Politik lassen sich nicht mehr trennen.

Prognose: Diese Weltmeisterschaft wird vom Geld dominiert.

Realität: Die Kosten für die Austragung der WM betrugen 2006 in Deutschland 4,3 Milliarden Dollar und 2018 in Russland 11,6 Milliarden. Das Investitionsvolumen in Katar liegt nach Medienberichten bei 220 Milliarden. Sechs von acht Stadien wurden neu gebaut und der Eindruck ist: Katar regelt alles mit Geld. Von bezahlten Fans bis zur Vizepräsidentin des EU-Parlaments, die wegen des Verdachts der Korruption durch Katar abgesetzt wurde.

<p>Die marokkanische Nationalmannschaft hat mit dem Einzug ins WM-Halbfinale Geschichte geschrieben. Fans weltweit feierten den Erfolg.</p>
Die marokkanische Nationalmannschaft hat mit dem Einzug ins WM-Halbfinale Geschichte geschrieben. Fans weltweit feierten den Erfolg. | Foto: Tom Weller/dpa

Prognose: Diese Weltmeisterschaft wird sich vor Ort nicht echt anfühlen.

Realität: Es war und ist ein zwiespältiges Bild in den Straßen von Doha. Zehntausende Fans aus Südamerika, Nordafrika und Saudi-Arabien sorgten für laute Stimmung bei zahlreichen Spielen. Auch Gastarbeiter in Katar begeisterten sich zu tausenden für dieses Turnier. Trotzdem wirkt vieles an dieser WM künstlich und inszeniert. Der orchestrierte Katar-Fanblock im Eröffnungsspiel wurde zur Lachnummer in Ländern mit langer Fußball-Tradition.

Prognose: Diese Weltmeisterschaft kann nicht gut organisiert sein.

Realität: Der große Fan-Andrang in dieses kleine Land ließ Chaos befürchten. Doch Katar lieferte ab. Die Wege zu den Arenen sind kurz, An- und Abreise bestens organisiert. Von Zusammenstößen der Fangruppen ist nichts bekannt. Manchmal musste wegen des großen Andrangs eine U-Bahn-Station geschlossen werden.

Prognose: Diese Weltmeisterschaft wird ein Turnier für den gesamten arabischen Raum.

Realität: Die FIFA und das Organisationskomitee betonten immer wieder den verbindenden Charakter der ersten WM in diesem Teil der Erde. Oberflächlich betrachtet war der zu sehen. Mit Marokko, das Nordafrika und die weitere arabische Welt repräsentiert, fieberten plötzlich Tausende Menschen mit, auch in Doha selbst. Tiefergehende Konflikte wird diese WM aber kaum lösen. Das haben große Sportereignisse selten bis nie geschafft.

Prognose: Diese Weltmeisterschaft wird ein sportlich hohes Niveau haben.

Realität: In Teilen stimmt das sogar. Superstar Lionel Messi spielt die beste WM seiner Karriere. Außenseiter Marokko hat ein taktisch wie individuell sehr starkes Team. Doch die Hoffnung, Stars seien fit, weil sie keine komplette Saison in den Knochen haben, erfüllte sich nicht pauschal. Viele Spieler verletzten sich bei der Terminhatz vor dem Turnier. Und viele Teams spielten aus Angst vor einem frühen Aus auch bei dieser WM sehr zögerlich.

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