„Mir geht es beschissen“: Klug zieht wegen Depressionen den Schlussstrich

<p>Bei den Paralympics 2018 in Pyeongchang jubelten Clara Klug und ihr Guide Martin Härtl über Bronze im 12,5 Kilometer Biathlon der Damen. Nun hört Klug auf die Signale ihres Körpers.</p>
Bei den Paralympics 2018 in Pyeongchang jubelten Clara Klug und ihr Guide Martin Härtl über Bronze im 12,5 Kilometer Biathlon der Damen. Nun hört Klug auf die Signale ihres Körpers. | Foto: dpa

Die strahlende Medaillensammlerin Clara Klug wollte keine Schwäche zeigen. „Ich habe mich selber verleugnet. Ich habe mir nicht eingestanden, dass es mir nicht gut geht“, erzählt sie rückblickend. Doch für diese Schein-Fassade hat die dreimalige Weltmeisterin nun endgültig keine Kraft mehr. Ihre Depressionen setzen ihr ein unmissverständliches Stoppschild – die Karriere als Para-Biathletin geht mit nur 28 Jahren zu Ende.

„Zum Leistungssport gehört auch ein gesunder Kopf“, sagte Klug dem SID auf dem Weg zu einer weiteren ambulanten Therapiesitzung, „aber mir geht es echt beschissen“. Die sehbehinderte Münchnerin kann einfach nicht mehr: „Ich dachte immer, ich kann die Krankheit heilen, während ich weiter Sport mache. Aber das habe ich definitiv nicht geschafft.“ Die Tendenz ging vielmehr gar in die falsche Richtung.

Klug hat wegen ihrer progressiven Erblindung (Lebersche Amaurose) mittlerweile weniger als ein Prozent Sehkraft, schon vor der Leistungssportkarriere kämpfte sie mit Symptomen einer Depression. Ersten Panikattacken folgten innere Antriebslosigkeit, Versagensängste durch überbordenden Perfektionismus, Konzentrationsschwächen oder gar eine Essstörung. „Für mich ist es sehr viel Gedankenkarussell in jeglichen Situationen“, erklärte sie.

Die Serie von drei schweren Stürzen mit teils gravierenden Verletzungen in den vergangenen drei Wintern gab ihr schließlich mental den Rest. „In so einem Fall ist eine Angststörung besonders fies, weil sie einem das Szenario immer wieder vorspielt, man sich immer noch schlimmere Szenarien vorstellt“, betonte Klug. Sie habe dadurch jegliches Vertrauen in sich verloren, schon die WM im Januar sowie die Paralympics im März in Peking verpasste sie deshalb.

Bei den Paralympics 2018 in Pyeongchang hatte sie mit zweimal Bronze sowie als Fahnenträgerin bei der Abschlussfeier noch im Rampenlicht gestanden. „Ich wollte immer alles bestmöglich machen, habe dabei aber überhaupt nicht gehört, was mein Körper möchte“, führte die achtmalige WM-Medaillengewinnerin im Biathlon und Skilanglauf aus. Sie habe sich „oft verbogen, unwohl gefühlt und über Gefühle hinweggearbeitet“.

Bei ihren Trainern sei sie mit den Problemen „oft auf Überforderung gestoßen, weil die gar nicht einschätzen konnten, wie schwerwiegend es wirklich ist“, sagte Klug. Krankhafte Erschöpfung und Erschöpfung durch enorme Trainingsumfänge seien nun mal „schwer abzugrenzen“. Auch um in dieser Hinsicht zu sensibilisieren, habe sie den mutigen Schritt an die Öffentlichkeit gewagt.

„Ich hätte lieber zum tausendsten Mal erzählt, wie man schießt, wenn man nichts sieht“, sagte Klug mit einem Schmunzeln. Aber sie halte den offenen Umgang mit ihren Problemen „für den einzigen Weg, damit auch andere ehrlich sagen, ‚mir geht es nicht gut‘“.

Auch wenn sie „vielleicht noch einen Ticken früher die Reißleine“ in ihrer Karriere hätte ziehen sollen, will sie die Zeit als Sportlerin nicht missen. „Ich würde nie auf die Idee kommen, zu sagen, hätte ich es lieber nicht gemacht“, so Klug. Mit ihrem offenen Abgang beweist sie nun ganz große Stärke. (sid/tf)

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