Ein absurder Kompetenzstreit kostet Staat bereits 375.000 Euro

<p>Eine EU-Richtlinie sorgt für Kopfzerbrechen und Zuständigkeitsgerangel.</p>
Eine EU-Richtlinie sorgt für Kopfzerbrechen und Zuständigkeitsgerangel. | Illustration: imago

Dass Belgien ein kompliziertes Land ist, dürfte bekannt sein. Der Föderalstaat und seine Regionen und Gemeinschaften sorgen für so manchen Kompetenzwirrwarr. Oft streiten sich dann die Verantwortlichen der verschiedenen Gebietskörperschaften, wer denn nun hier die Befugnisgewalt hat oder sich aus der Verantwortung stiehlt. Eine neue Episode in dieser jahrzehntelangen Geschichte geschieht diesen Sommer. In den zwei vergangenen Monaten hat der belgische Staat 375.000 Euro an Strafgebühren aufgebrummt bekommen, weil die Region Brüssel-Hauptstadt eine europäische Richtlinie über den Ausbau von hyperschnellen Internetnetzwerken nicht umgesetzt hat.

Am 8. Juli 2019 hat der Europäische Gerichtshof den belgischen Staat dazu verurteilt, jeden Tag, an dem die EU-Richtlinie nicht umgesetzt ist, eine Geldstrafe im Wert von 5.000 Euro zu zahlen. Diese Richtlinie, die die Entwicklung der Infrastruktur für Hochgeschwindigkeitsinternetnetze fördern will, musste bereits am 1. Januar 2016 in nationales und regionales Recht umgesetzt werden. Und in Belgien, insbesondere in der Region Brüssel-Hauptstaft, ist dies noch nicht vollständig geschehen.

„Teurer Scherz aus Haushaltssicht, der nicht gerade die angenehmsten Zeiten erlebt“

Wie der flämische Rundfunk berichtet, geht es konkret um ein Element der besagten Richtlinie: die Tatsache, dass Telekommunikationsunternehmen eine Art Zugangsrecht zu den Standorten von Energie- und Versorgungsunternehmen erhalten sollten. So sollen sie leicht erkennen können, ob sie beispielsweise. plötzlich ein eigenes Glasfaserkabel für das Hochgeschwindigkeitsinternet in einer bestimmten Kabeltrasse verlegen können. Es geht dabei darum, schnell und effizizient agieren zu können. So sollten beispielsweise Straßen nicht ein zweites Mal aufgebrochen werden müssen, wenn auch Telekommunikationsunternehmen ihre Kabel verlegen wollen. Auf diese Weise hofft die EU, einige Hindernisse für Telekommunikationsunternehmen bei der Einführung neuester Netztechnologie zu beseitigen, was wiederum langfristig zu wirtschaftlichen Vorteilen führen soll.

So weit, so vorbildlich. Doch im föderalisierten Belgien scheint es damit ein Problem zu geben. So weisen die Verantwortlichen in der Region Brüssel-Hauptstadt darauf hin, dass es sich um eine föderale Kompetenz handele. Nach Ansicht der Brüsseler ist die Tatsache ausreichend, dass die Richtlinie bereits auf föderaler Ebene in nationales Recht umgesetzt wurde. Die EU bzw. der Gerichtshof betont aber, dass die beiden anderen Regionen (Flandern und Wallonie) diese EU-Richtlinie sehr wohl und ohne Einwände umgesetzt haben. Die neue Brüsseler Regionalregierung will nun offenbar das Ruder noch herumreißen und hat Medienberichten zufolge die Europäische Kommission eingeschaltet. Allerdings tickt die Uhr, denn täglich kommen 5.000 Euro zu den knapp 375.000 Euro hinzu. Wie der flämische Rundfunk bemerkt, handelt es sich hierbei um einen „teuren Scherz aus Haushaltssicht, der nicht gerade die angenehmsten Zeiten erlebt“. „Es scheint fast wie eine Episode von "De ideale Wereld (eine Satire-Show im flämischen Fersehen, A. d. R.)“, beschreibt einer der Beteiligten die Absurdität der Situation.

Der geschäftsführende Telekommunikationsminister Philippe De Backer (Open VLD) ist von dem Fall gelangweilt und hat die Region Brüssel-Hauptstadt aufgefordert, „ihre Position zu überdenken“. Im Juli beauftragte er auch das Institut für Post und Telekommunikation (BIPT), die Angelegenheit zu untersuchen. Auch dort zuckt man offenbar mit den Schultern und erklärt: „Wir verstehen die inhaltlichen Einwände der Region Brüssel auch nicht sehr gut. Setzt einfach die Richtlinie um, wie es Flandern und Wallonien getan haben.“ Der Brüsseler Ministerpräsident Rudi Vervoort (PS) war für die VRT bislang nicht zu einer Stellungnahme bereit.

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