Zwei Tote bei mutmaßlichem Anschlag in Brüssel – „Kein Link mit Nahost-Konflikt“ – Terrorwarnstufe erhöht

<p>Polizei und Rettungsdienste am Tatort</p>
Polizei und Rettungsdienste am Tatort | Foto: belga

Die Schießerei ereignete sich gegen 19.15 Uhr an der Kreuzung Place Sainctelette und Boulevard du Neuvième de Ligne. Wie die föderale Staatsanwaltschaft, die wegen „eines möglichen terroristischen Motivs“ die Ermittlungen übernommen hat, am späten Abend bestätigte, wurden zwei schwedische Staatsbürger getötet; eine dritte Person, ein Taxifahrer, sei mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht worden, befinde sich aber außer Lebensgefahr. Die genauen Umstände der Schießerei waren zunächst unklar. Der Sprecher der föderalen Staatsanwaltschaft betonte, es gebe „auf den ersten Blick“ keine Hinweise, dass der Anschlag in Verbindung mit dem aktuellen Konflikt in Nahost steht. Die Staatsanwaltschaft geht von einem Terroranschlag aus. Der Täter sei identifiziert, aber flüchtig; die Fahndung laufe auf Hochtouren. Informationen über den Täter wurden nicht preisgegeben. „Die schwedische Staatsangehörigkeit der Opfer wird als wahrscheinliche Motivation für die Tat genannt“, fügte die föderale Staatsanwaltschaft noch hinzu.

Aufnahmen von Anwohnern zeigen, wie ein Mann mit fluoreszierender orangefarbener Jacke und weißem Helm auf einem Motorroller ankommt, absteigt und auf der Straße mit einer Kriegswaffe mehrere Schüsse (auf Passanten und auf ein Taxi) abfeuert. Einige Menschen fliehen in ein Wohnhaus, doch der Bewaffnete folgt ihnen und eröffnet in der Eingangshalle erneut das Feuer. Ein Opfer, das versucht, ins Freie zu fliehen, fällt zu Boden. Der Bewaffnete macht sich dann auf den Weg zum Ausgang, kehrt aber um und schießt erneut auf das Opfer, das bereits am Boden liegt. Andere Aufnahmen zeigen, wie der Mann wieder auf seinen Motorroller steigt und davonfährt.

Verschiedene Medien mutmaßten, dass es sich bei dem Täter um einen radikalisierten 40-Jährigen aus der Brüsseler Gemeinde Schaerbeek handeln könnte. Der Mann postete zwei Videos auf seiner Facebook-Seite, in denen er den Angriff mit tunesischem Akzent beschrieb. Ein erstes Video soll im Voraus aufgenommen worden sein, offenbar in seinem Wohnzimmer. Er trägt ein Fußballtrikot, und sein Gesicht ist unter einem Schal verborgen. Das zweite Video wurde offenbar nachträglich in irgendeiner Straße in Brüssel aufgenommen. Er stellte diese Aufnahme sechs Minuten später online. Er erklärt, er habe den Anschlag im Namen des Islamischen Staates verübt und drei Ungläubige ermordet. Zuvor hatte er in den sozialen Medien seine Solidarität mit den Palästinensern im Gazastreifen bekundet und eine Nachricht über die Ermordung eines sechsjährigen palästinensischen Jungen in den Vereinigten Staaten gepostet. Auf seiner Facebook-Seite gab er noch an, verheiratet zu sein. Nach Presseinformationen meldete sich seine Frau am Montagabend bei der Polizei, nachdem sie sein Video im Internet gesehen hatte.

<p>Weiträumige Absperrung des Tatorts am Place Sainctelette</p>
Weiträumige Absperrung des Tatorts am Place Sainctelette | Foto: belga

Premierminister Alexander De Croo (Open VLD), Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V) und Justizminister Vincent Van Quickenborne (Open VLD) verfolgten die Entwicklung im nationalen Krisenzentrum. Auf der Plattform X drückte De Croo den Angehörigen der Opfer des „feigen Mordanschlags in Brüssel“ sein Beileid aus und rief die Einwohner von Brüssel zur Wachsamkeit auf. Auch setzte er sich mit seinem schwedischen Amtskollegen Ed Kristersson in Verbindung. Verlinden sprach auf X von einer „schrecklichen Schießerei“. „Der Täter wird gesucht, die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft laufen.“

Die Anti-Terror-Behörde KOBA (OCAM) hob die Terrorstufe für Brüssel auf Niveau 4, die höchste Stufe, an. Das bedeutet, dass die Terrorgefahr ernst und sehr nahe ist. Im Rest des Landes wurde sie auf Niveau 3 erhöht, was eine mögliche und wahrscheinliche Bedrohung bedeutet. Frankreich verschärfte am Abend die Kontrollen an seiner Grenze zu Belgien.

Das Fußballspiel Belgien-Schweden wurde in der Halbzeit beim Stand von 1:1 abgebrochen. Niemand durfte das Stadion verlassen. „Fünfzehn Minuten vor Spielbeginn erhielten wir die ersten Push-Nachrichten, dass sich im Zentrum von Brüssel etwas Schreckliches ereignet haben soll“, berichtet Manu Leroy vom belgischen Fußballverband. „Unsere Sicherheitsleute haben sich sofort mit der Polizei im Kontrollturm in Verbindung gesetzt. Es gab Diskussionen darüber, was die beste Strategie wäre. Da das Stadion der sicherste Ort für die Fans war, wurde beschlossen, das Spiel beginnen zu lassen. Nach der ersten Halbzeit haben die schwedische Bank und die Spieler das eine oder andere vernommen“, so der CEO ad interim. „Der Kapitän der Schweden (Victor Lindelöf, A.d.R.) teilte unserem Kapitän (Romelu Lukaku, A.d.R.) mit, dass seine Mannschaft die zweite Halbzeit nicht beginnen wolle. Natürlich hat unser Kapitän zugestimmt. Dann war es Sache der Polizei zu entscheiden, wie das Stadion geräumt werden sollte. Es gab Konsultationen bis zur höchsten Ebene mit dem nationalen Krisenzentrum. Wir haben auf ein offizielles Signal zur Evakuierung des Stadions gewartet. Die Zuschauer durften das König-Baudouin-Stadion ab etwa 23.45 Uhr verlassen.“ Es habe länger gedauert als gedacht, „weil die befugten Behörden kein einziges Risiko eingehen wollten“, so der CEO im VTM-Fernsehen. „Es gab Gerüchte, die erst einmal überprüft und entkräftet werden mussten. Die Polizeibeamten haben in dieser Hinsicht fantastische Arbeit geleistet.“ Unter Polizei-Eskorte wurden die schwedischen Fans nach ihrer Evakuierung zu ihren Hotels gebracht, die schwedischen Spieler zum Flughafen.

<p>Schwedische Fans in einer Tribüne des König-Baudouin-Stadions nach dem Abbruch des Spiels</p>
Schwedische Fans in einer Tribüne des König-Baudouin-Stadions nach dem Abbruch des Spiels | Foto: belga

Königshaus und Politiker reagieren schockiert – „Belgien im Herzen getroffen“

„Wir sind schockiert über die Schießerei, die heute Abend unsere Hauptstadt getroffen hat“, reagierte der Königspalast auf X. „Unsere Gedanken sind zunächst bei den Opfern, ihren Familien und Angehörigen. Wir drücken unsere Unterstützung für die Sicherheitskräfte aus, die alles daran setzen, den Täter zu fassen“, fügte er hinzu.

Schockiert reagierten auch Politiker aus dem In- und Ausland. „Belgien ist im Herzen getroffen“, so der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez auf X. „Schockiert über die Schießerei in Brüssel. Die Bilder sind unerträglich“, schrieb PS-Chef Paul Magnette auf der Plattform. Beide Parteivorsitzenden sprachen von möglichem Terror. „Wir müssen aufhören, große Reden zu schwingen, wenn ihnen keine Taten folgen. Der Kampf gegen den Terrorismus erfordert mehr Strenge, tägliche Überwachung und weniger Selbstgefälligkeit gegenüber den abscheulichen Ideen, die zu solchen Tragödien führen. Es ist Zeit zu handeln“, erklärte Bouchez. Magnette drückte seine Unterstützung für die Polizei aus, „um diesen Mörder zu stoppen, bevor er noch mehr Opfer fordert“.

Der Brüsseler Bürgermeister Philippe Close (PS) schrieb auf X, dass er in Zusammenarbeit mit Innenministerin Verlinden die Polizeikräfte mobilisiert, um die Sicherheit in Brüssel zu gewährleisten.

„Das Herz Europas wurde von der Gewalt getroffen“, schrieb der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sprach von einem „verabscheuungswürdigen Anschlag“. Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, zeigte sich „schockiert“ über die „willkürliche Gewalt im Herzen von Brüssel“. Sie fügte hinzu, dass „Terrorismus und Extremismus nicht in unsere Gesellschaft eindringen dürfen“ und dass „der Hass nicht siegen wird“.

Der belgische EU-Kommissar Didier Reynders twitterte, dass nach Frankreich, wo am Freitag in Arras ein Lehrer erstochen wurde, „Belgien erneut vom islamistischen Terrorismus getroffen wurde“. „Wir müssen angesichts dieser ständigen Bedrohung aufrecht, wachsam und unerschütterlich bleiben“, fügte er hinzu.

„Schreckliche Nachrichten aus Brüssel“, schrieb der zurückgetretene niederländische Premierminister Mark Rutte. „Unser Europa ist erschüttert“, reagierte der französische Präsident Emmanuel Macron bei einem Besuch in Albanien und sprach von „einem neuen islamistischen Terroranschlag in Brüssel“. (belga/gz)

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