Krankenkassen äußern harsche Kritik an Pflegegeld-Dekret

<p>Die fünf ostbelgischen Krankenkassen befürchten finanzielle Einbußen sowie eine Benachteiligung deutschsprachiger Versicherter.</p>
Die fünf ostbelgischen Krankenkassen befürchten finanzielle Einbußen sowie eine Benachteiligung deutschsprachiger Versicherter. | Foto: belga

Das teilen die Krankenkassen in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Diverse Befürchtungen seien dem zuständigen Minister (Antonios Antoniadis, SP, A.d.R.) bereits im Frühjahr mitgeteilt worden, hieß es. Dennoch habe der Dekretentwurf nahezu unverändert seinen Weg ins Plenum gefunden und sei dort Ende Juni verabschiedet worden. Die in Ostbelgien aktiven Krankenkassen sehen – auch vor dem Hintergrund steigender Energie- und Lebenshaltungskosten – die Interessen sozioökonomisch benachteiligter Menschen gefährdet.

Zum Hintergrund: Das Pflegegeld für Senioren ersetzt die föderale Beihilfe zur Unterstützung für Betagte (BUB) und die DG-Regierung mache anhand einer vereinfachten Antragstellung den Weg für eine höhere Anzahl von potentiell Begünstigten frei. Dies, indem bei der Einstufung ausschließlich medizinische Kriterien Anwendung fänden und die vormals verbindliche Einkommensprüfung ab 2023 entfalle und somit das Vermögen des Antragstellers kein Kriterium für den Erhalt beziehungsweise die Ablehnung der Beihilfe mehr darstellen werde. Die Pflegegeld-Beilhilfe einer aller Voraussicht nach höheren Anzahl von Antragstellern zugänglich zu machen, bedeute für Menschen in prekärer Situation, dass sie bei Antragstellung ab 2023 teils deutlich weniger erhielten, als dies im alten System der Fall gewesen wäre.

Denn bislang hätten diese Personen mit hohem Unterstützungsbedarf bei gleichzeitig geringem Einkommen bis zu 656,25 Euro monatlich erhalten, ab 2023 jedoch werde die höchste Pflegegeldkategorie bei 447 Euro gedeckelt sein und der potenziell Begünstigte somit bis zu 209,25 Euro monatlich weniger als noch im alten System erhalten – dies würde einer Verminderung um 32 % entsprechen.

Die Ausschüttung öffentlicher Gelder nach dem Gießkannenprinzip erfolge demnach zu Lasten der einkommensschwächsten Senioren und somit jener Menschen, die das Pflegegeld wirklich benötigten. Dies sei eine „sozial alles andere als vertretbare Entscheidung, die in unseren Augen revidiert werden sollte, indem die Pflegegeldkategorien und die ermittelten Beträge überarbeitet und dahingehend angepasst werden, dass einkommensschwache Antragsteller mit hohem Unterstützungsbedarf auch künftig den bislang gewährten monatlichen Höchstbetrag erhalten“, fordern die Krankenkassen.

Und zwar auch dann, wenn die Regierung am Prinzip der Öffnung der Beihilfe für die breitere Bevölkerung festhalte. Zudem würden weitere Einsparungen zu Lasten der benachteiligten Bevölkerungsschichten getätigt: Das Statut der erhöhten Kostenerstattung (EKE) sei ein föderales Recht, das unter anderem aus der BUB automatisch abgeleitet werde. Grundlage für diese automatische Ableitung sei die eingangs erwähnte Einkommensprüfung – doch wenn diese wie ebenfalls eingangs erwähnt, entfalle, gelte dies natürlich ebenso für das abgeleitete Anrecht auf EKE, das im Rahmen des „Pflegegeldes für Senioren“ künftig nicht mehr automatisch gewährt werden könne.

Nach einer Übergangsregelung soll an die Stelle dieses Automatismus ab 2025 eine systematische, jährliche Kontrolle treten, bei der geprüft werde, ob das Einkommen des Antragstellers ober- oder unterhalb der anwendbaren Obergrenze liege und das EKE-Statut somit Anwendung finde oder eben nicht.

Es werde davon ausgegangen, dass perspektivisch in der DG etwa 1.500 der betroffenen Personen kein automatisches Anrecht mehr auf die erhöhte Kostenerstattung haben könnten. Schätzungen zufolge könnten sich die damit verbundenen Einsparungen pro Person auf etwa 3.000 Euro und insgesamt somit auf 4,5 Millionen Euro belaufen. Diese Einsparungen erfolgten zu Lasten der schutzbedürftigen Senioren.

Die Krankenkassen sehen mit diesem Systemwechsel eine Benachteiligung deutschsprachiger Krankenkassenmitglieder, da sich diese jährlich einer systematischen Kontrolle unterziehen müssten, die in anderen Gliedstaaten lebenden Belgiern erspart bleibe. Der Wegfall der automatischen Zuweisung des EKE-Statuts könne zudem Auswirkungen auf den Zugang zu weiteren Rechten und Vorteilen haben. Auf föderaler Ebene beispielsweise zum „Sozial-Mager“ (maximale Gesundheitsrechnung) oder auf den Sozialtarif für Strom und Gas, der heute wichtiger sei denn je. Auch im Zuständigkeitsbereich der Deutschsprachigen Gemeinschaft schalte das EKE-Statut Vorteile frei, so beispielsweise einen vergünstigten Tarif für Dienstleistungen der Haushalts- und Gartenhilfe oder auch einen Zuschlag auf die Prämie bei Haussanierungen. Die Krankenkassen fordern, dass das System dahingehend angepasst wird, dass die Anzahl der von Rechteverlust betroffenen Personen reduziert wird.

Krankenkassen sprechen sich für eine Überarbeitung des Dekretes aus.

Der Wechsel vom System des EKE-Statuts als automatisch abgeleitetem Recht zu einem System der systematischen und jährlichen Kontrolle, die von den Krankenkassen durchgeführt werden müsse, habe zudem Auswirkungen auf das Funktionieren der Krankenkassen-Dienste: In der DG habe es 2020 4.383 Personen über 65 mit EKE-Statut gegeben. Dies entspreche 31 % der Gesamtzahl der in der DG lebenden Personen über 65. 1.337 dieser Empfänger hätten das EKE-Statut automatisch auf Grundlage der BUB erhalten. Würden diese Mitglieder künftig einer jährlichen Einkommenskontrolle unterworfen, so stelle dies für die Dienste der Krankenkassen einen Mehraufwand dar, der seitens der DG in keiner Weise berücksichtigt worden sei. „Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen spricht sich die Konzertierungsplattform der Krankenkassen für eine Überarbeitung des Dekrets, die Einbindung der unsererseits formulierten Vorschläge und Lösungsansätze und eine Konzertierung zwischen den Behörden und den Krankenkassen aus“, heißt es in der Stellungnahme der Krankenkassen. (red/kupo)

Kommentare

  • Wozu brauchen wir denn die Regierung der DG? Die Gehälter der DG Regierung würden besser eingespart und wir würden von der wallonischen Regierung ,so wie früher regiert.

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